Ohne Umsteigen durch Oberschwaben
Neuer Verband will E-Loks zwischen Kißlegg und Aulendorf sowie Ringzug für die Region
- In die Pläne für einen sogenannten Ringzug in Oberschwaben kommt Bewegung. Vertreter der Landkreise Ravensburg, Bodensee und Lindau sowie von Anrainer-Kommunen wollen an diesem Dienstag einen Interessenverband gründen, um das Thema voranzubringen. Dabei geht es um die bessere Anbindung des württembergischen Allgäus ans Schussental und auch um eine mögliche Elektrifizierung der Bahnstrecke zwischen Kißlegg und Aulendorf.
Die Idee ist nicht neu: eine umsteigefreie Bahnverbindung, die Leutkirch und Wangen via Kißlegg und Aulendorf mit Ravensburg, Friedrichshafen und Lindau verbindet. Würde der Zug von dort dann weiter nach Wangen und Leutkirch fahren, wäre der Ring geschlossen. Ein Angebot, das vor allem auf Pendler aus dem westlichen Teil des Landkreises Ravensburg zielt.
Von dem Ring ist nur noch das Teilstück Kißlegg-Aulendorf ohne Strom, denn Ende 2020 wurde die Allgäubahn Lindau-Memmingen-München elektrifiziert und ein Jahr später auch die Südbahn Ulm-Friedrichshafen-Lindau. Deswegen fahren ab Leutkirch und Wangen immer noch einige Dieselzüge unter der Oberleitung – sie verbinden die beiden Städte mit Aulendorf, wo Fahrgäste Richtung Ravensburg und Friedrichshafen bislang umsteigen müssen.
Das soll sich aber ändern. „Das Umsteigen ist des Pendlers Tod“, sagt Dieter Krattenmacher (CDU). Der Bürgermeister von Kißlegg engagiert sich seit Jahren für einen besseren Schienenverkehr in der Region. Das Minimalziel sei eine umsteigefreie Verbindung von Leutkirch nach Ravensburg, eigentlich aber weiter bis Friedrichshafen und Lindau, fordert Krattenmacher.
„Uns geht es darum, in der Region Bodensee-Oberschwaben das Zugangebot zu verbessern“, bestätigt Andreas Honikel-Günther, Erster Landesbeamter im Kreis Ravensburg. Deswegen hat der Landkreis zur Gründung eines Interessenverbands eingeladen. Vorbild sind ähnliche Zusammenschlüsse, die eine Aufwertung der Südbahn – erfolgreich – und der Bodenseegürtelbahn – bislang noch nicht ganz so erfolgreich – vorantreiben sollten. „Es geht darum, regionale Interessen zu bündeln und im Dialog mit den Verkehrsministerien in Stuttgart und irgendwann auch in Berlin mit einer Stimme zu sprechen“, so Honikel-Günther.
Klar ist: Wenn nicht die Kommunalpolitik das Projekt vorantreibt, passiert wenig. „Für die Region hat die Strecke Kißlegg-Aulendorf eine hohe Bedeutung“, sagt Bürgermeister Krattenmacher zwar – er weiß aber auch, dass die Einschätzung aus Berliner Sicht gedämpfter ausfallen dürfte. Eine Bahn-Sprecherin betont denn auch, dass der Konzern bei den Überlegungen für eine Ertüchtigung
Biberach der Schienenstrecke derzeit jedenfalls formal keine Rolle spiele.
Unterstützung kommt dagegen aus dem Stuttgarter Verkehrsministerium, das in die Gründung des Interessenverbands eingebunden ist. „Die Frage der möglichen infrastrukturellen und fahrplanerischen Verbesserungen vor Ort soll in einer
Machbarkeitsstudie untersucht werden“, sagt ein Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) zu den ersten geplanten Schritten. Wie schnell Ergebnisse dazu vorliegen, ist offen.
Eine Oberleitung zwischen Kißlegg und Aulendorf ist dabei nur eine Option von mehreren. Das Elektrifizierungskonzept des Landes stuft die Strecke in der am wenigsten dringlichen Kategorie ein – als „langfristiger Bedarf “, bei dem auch „fahrzeugseitige Lösungen“infrage kommen. Sprich: Statt eine Stromleitung zu bauen, könnten Triebwagen mit Elektrobatterie oder Wasserstofftechnologie ausgestattet werden. Welches Konzept für welche Strecke im Land infrage kommt, lässt das Verkehrsministerium gerade untersuchen, Ergebnisse sollen im Laufe des Jahres vorliegen.
Aus Sicht von Bürgermeister Krattenmacher hätte eine Lösung ohne Stromleitung für die Strecke Kißlegg–Aulendorf aber entscheidende Nachteile. Neben einer guten Verbindung und stimmigen Anschlüssen, die eigentlich nur mit Elektroloks zu leisten seien, gehe es darum, auch Züge im überregionalen Verkehr über das Verbindungsstück zu leiten, sagt der Kißlegger Rathauschef. „Es gibt im Süden keine leistungsfähige Verbindung auf der Achse Basel/Freiburg – München, das ist ein Problem.“Seit der Elektrifizierung der Südbahn ist sogar die bisherige IREVerbindung Ulm-Basel in Friedrichshafen unterbrochen. Krattenmacher schwebt eine Ost-West-Verbindung nach Vorbild des Anfang der 1990erJahre eingestellten „Kleber-Express“vor. Da das Teilstück zwischen Friedrichshafen und Lindau und weiter bis Hergatz schon sehr belastet sei, könnten die Züge stattdessen über Ravensburg, Aulendorf und Kißlegg fahren, findet er.
Welchen Nutzen das auch für den Nahverkehr hätte, erläutert Wolfgang Heine vom Regionalverband Bodensee-Oberschwaben. „Am Ende entscheidet der Nutzen-KostenFaktor“, erläutert er. Und der sei günstiger, wenn auch überregionale Züge auf der Strecke fahren.
Was den Ringzug betrifft, ist sich Heine mit Honikel-Günther und Krattenmacher einig, wird ein umsteigefreier Verkehr einmal im Kreis durch Oberschwaben erst einmal nicht möglich sein. Zwischen Lindau und Wangen wird wohl eine Lücke bleiben – dort fahren neuerdings schon verstärkt Züge auf der Strecke LindauMünchen, was die Kapazität für weitere Verbindungen begrenzt. Statt des „Rings“, so viel scheint klar zu sein, ist das Ziel erst einmal ein „Hufeisen“.