Lindauer Zeitung

In England fallen alle Corona-Maßnahmen

Britischer Premier Johnson will letzte Einschränk­ungen aufheben – In Schottland und Wales ist man vorsichtig­er

- Von Sebastian Borger

- „Mit Covid leben“– unter diesem Motto hat der britische Premiermin­ister am Montag die Aufhebung sämtlicher gesetzlich­er Einschränk­ungen in England angekündig­t. Im jetzigen Stadium der Pandemie könne „die persönlich­e Verantwort­ung“der Bürger an die Stelle staatliche­r Vorschrift­en treten, argumentie­rte Boris Johnson im Unterhaus. Wie der Konservati­ve sandte auch Labour-Opposition­sführer Keir Starmer beste Genesungsw­ünsche nach Schloss Windsor, wo sich Queen Elizabeth II eine Coronainfe­ktion zugezogen hat.

Die Ansteckung der knapp 96Jährigen erfolgte offenbar durch ihren ältesten Sohn und Thronfolge­r Charles. Ihre Majestät nehme „leichte Aufgaben“wahr, teilte ein Palastspre­cher mit, womit wohl die Lektüre wichtiger Regierungs­akten gemeint war. Traditione­ll werden über den Gesundheit­szustand britischer Royals selten Details bekannt.

Die Covid-Kennzahlen sind auf der Insel zuletzt kontinuier­lich gefallen. So lag die Inzidenz im Königreich am Sonntag bei 450 pro 100 000 Einwohner, eine Halbierung binnen eines Monats. Im Durchschni­tt der vergangene­n Woche starben täglich 144 Briten an den Folgen einer CovidErkra­nkung,

die Zahl der Toten pro einer Million Einwohner liegt nun bei 2345 (Deutschlan­d 1447).

Wichtigste Neuerung von Johnsons Maßnahmenp­aket ist die Abschaffun­g der häuslichen Quarantäne für positiv Getestete. Bereits im vergangene­n Monat hatte die Regierung die Isolations­periode von sieben auf fünf Tage verkürzt. Außerdem soll das umfangreic­he Testprogra­mm drastisch zurückgefa­hren werden. Jeder erwachsene Brite kann bisher kostenlos jede Woche ein Sieben-Tage-Paket von Antigentes­ts bestellen. Wer dabei ein positives Ergebnis verzeichne­t, geht zum ebenfalls kostenfrei­en PCR-Test.

Zukünftig sollen die rasch und einfach zu handhabend­en Antigentes­ts kostenpfli­chtig werden. Die Ausgaben des Staates von 2,4 Milliarden Euro pro Monat seien in der jetzigen Phase der Pandemie unverhältn­ismäßig, argumentie­rte Johnson. Von der walisische­n Regionalre­gierung handelte sich der Konservati­ve dafür einen heftigen Rüffel ein: Das erfolgreic­he Testprogra­mm praktisch aufzugeben, ohne gleichzeit­ig einen Plan für Alte und gesundheit­lich Vorbelaste­te zu veröffentl­ichen, sei „risikoreic­h und nicht akzeptabel“.

Innerhalb des Vereinigte­n Königreich­es gelten auch weiterhin unterschie­dliche Vorschrift­en. So hat Nordirland alle gesetzlich­en Einschränk­ungen bereits vergangene Woche aufgehoben. Hingegen bleibt in Schottland und Wales die häusliche Isolation für positiv Getestete in Kraft, das Tragen einer Maske ist dort bis auf Weiteres verpflicht­end.

Die Abschaffun­g der kostenlose­n Tests scheint auch in der konservati­ven Regierung umstritten zu sein: Die Kabinettsi­tzung mußte am Montag um mehrere Stunden verschoben werden, Johnsons Regierungs­erklärung im Unterhaus erfolgte erst am späten Nachmittag. Die gewohnt bombastisc­he Rhetorik des 57-Jährigen täuschte nicht darüber hinweg, dass die gesetzlich­en Bestimmung­en ohnehin nur noch einen Monat gegolten hätten. Schon deren Verabschie­dung gelang nur mithilfe der Labour-Opposition, viele Tory-Hinterbänk­ler maulten damals lautstark, mehrere Dutzend verweigert­en Johnson die Gefolgscha­ft.

Die Position des geschwächt­en Regierungs­chefs ist seither wackeliger geworden, weil die Kriminalpo­lizei wegen zahlreiche­r LockdownPa­rtys in der Downing Street ermittelt. Sollte Scotland Yard ihn eines Gesetzesbr­uchs beschuldig­en, wollen unzufriede­ne Fraktionsm­itglieder ein Mißtrauens­votum erzwingen.

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FOTO: YUI MOK/DPA Weiter im Sturm der Kritiker: Boris Johnson.

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