In England fallen alle Corona-Maßnahmen
Britischer Premier Johnson will letzte Einschränkungen aufheben – In Schottland und Wales ist man vorsichtiger
- „Mit Covid leben“– unter diesem Motto hat der britische Premierminister am Montag die Aufhebung sämtlicher gesetzlicher Einschränkungen in England angekündigt. Im jetzigen Stadium der Pandemie könne „die persönliche Verantwortung“der Bürger an die Stelle staatlicher Vorschriften treten, argumentierte Boris Johnson im Unterhaus. Wie der Konservative sandte auch Labour-Oppositionsführer Keir Starmer beste Genesungswünsche nach Schloss Windsor, wo sich Queen Elizabeth II eine Coronainfektion zugezogen hat.
Die Ansteckung der knapp 96Jährigen erfolgte offenbar durch ihren ältesten Sohn und Thronfolger Charles. Ihre Majestät nehme „leichte Aufgaben“wahr, teilte ein Palastsprecher mit, womit wohl die Lektüre wichtiger Regierungsakten gemeint war. Traditionell werden über den Gesundheitszustand britischer Royals selten Details bekannt.
Die Covid-Kennzahlen sind auf der Insel zuletzt kontinuierlich gefallen. So lag die Inzidenz im Königreich am Sonntag bei 450 pro 100 000 Einwohner, eine Halbierung binnen eines Monats. Im Durchschnitt der vergangenen Woche starben täglich 144 Briten an den Folgen einer CovidErkrankung,
die Zahl der Toten pro einer Million Einwohner liegt nun bei 2345 (Deutschland 1447).
Wichtigste Neuerung von Johnsons Maßnahmenpaket ist die Abschaffung der häuslichen Quarantäne für positiv Getestete. Bereits im vergangenen Monat hatte die Regierung die Isolationsperiode von sieben auf fünf Tage verkürzt. Außerdem soll das umfangreiche Testprogramm drastisch zurückgefahren werden. Jeder erwachsene Brite kann bisher kostenlos jede Woche ein Sieben-Tage-Paket von Antigentests bestellen. Wer dabei ein positives Ergebnis verzeichnet, geht zum ebenfalls kostenfreien PCR-Test.
Zukünftig sollen die rasch und einfach zu handhabenden Antigentests kostenpflichtig werden. Die Ausgaben des Staates von 2,4 Milliarden Euro pro Monat seien in der jetzigen Phase der Pandemie unverhältnismäßig, argumentierte Johnson. Von der walisischen Regionalregierung handelte sich der Konservative dafür einen heftigen Rüffel ein: Das erfolgreiche Testprogramm praktisch aufzugeben, ohne gleichzeitig einen Plan für Alte und gesundheitlich Vorbelastete zu veröffentlichen, sei „risikoreich und nicht akzeptabel“.
Innerhalb des Vereinigten Königreiches gelten auch weiterhin unterschiedliche Vorschriften. So hat Nordirland alle gesetzlichen Einschränkungen bereits vergangene Woche aufgehoben. Hingegen bleibt in Schottland und Wales die häusliche Isolation für positiv Getestete in Kraft, das Tragen einer Maske ist dort bis auf Weiteres verpflichtend.
Die Abschaffung der kostenlosen Tests scheint auch in der konservativen Regierung umstritten zu sein: Die Kabinettsitzung mußte am Montag um mehrere Stunden verschoben werden, Johnsons Regierungserklärung im Unterhaus erfolgte erst am späten Nachmittag. Die gewohnt bombastische Rhetorik des 57-Jährigen täuschte nicht darüber hinweg, dass die gesetzlichen Bestimmungen ohnehin nur noch einen Monat gegolten hätten. Schon deren Verabschiedung gelang nur mithilfe der Labour-Opposition, viele Tory-Hinterbänkler maulten damals lautstark, mehrere Dutzend verweigerten Johnson die Gefolgschaft.
Die Position des geschwächten Regierungschefs ist seither wackeliger geworden, weil die Kriminalpolizei wegen zahlreicher LockdownPartys in der Downing Street ermittelt. Sollte Scotland Yard ihn eines Gesetzesbruchs beschuldigen, wollen unzufriedene Fraktionsmitglieder ein Mißtrauensvotum erzwingen.