Lindauer Zeitung

Mehr Milliarden für die Biobauern

Deutschlan­d reicht Strategiep­lan für EU-Agrarhilfe­n ein – Kritik von Landwirten und Umweltschü­tzern

- Von Andreas Knoch und dpa

- Der Ökolandbau in Deutschlan­d soll in den kommenden Jahren stärker von der milliarden­schweren EU-Agrarförde­rung profitiere­n als bislang. Der dafür notwendige Strategiep­lan sollte am Montag bei der zuständige­n EUKommissi­on eingereich­t werden, sagte Bundesagra­rminister Cem Özdemir (Grüne) am Rande eines Treffens mit seinen EU-Kollegen in Brüssel. „Das bedeutet Planungssi­cherheit für unsere Bäuerinnen und Bauern.“Naturschut­zverbände kritisiert­en die Pläne für die Jahre 2023 bis 2027 jedoch als unzureiche­nd.

Özdemir betonte, mit dem Schritt werde nun eine Altlast der vorherigen Bundesregi­erung abgearbeit­et. Denn Deutschlan­d war mit dem Plan bereits in Verzug. Die Frist für die Abgabe war der 1. Januar. Özdemir hatte die Verspätung zuletzt mit dem Regierungs­wechsel im Dezember begründet.

Die Strategiep­läne sind Teil einer Reform der Gemeinsame­n Agrarpolit­ik (GAP), auf die sich die EU-Staaten und das Europaparl­ament im vergangene­n Jahr verständig­t hatten. Mit einem Volumen von knapp 390 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027 macht sie den größten Einzelpost­en des EU-Haushalts aus. Dimension und Auswirkung der Agrarpolit­ik auf Bauern und Verbrauche­r macht auch das Landwirtsc­haftsminis­terium deutlich: „Das Förderspek­trum wirkt sich auf den Lebensbere­ich von etwa 40 Millionen Menschen in den ländlichen Räumen aus und ist im Landwirtsc­haftssekto­r für rund 300 000 antragstel­lende Betriebe relevant.“

Die EU-Agrarrefor­m soll unter anderem dafür sorgen, dass die Produktion von Lebensmitt­eln umweltfreu­ndlicher wird. Wie die einzelnen Länder dies umsetzen, sollen sie in den Strategiep­länen darlegen, die von der EU-Kommission genehmigt werden müssen.

„Auf den letzten Metern konnten wir für den ökologisch­en Landbau noch viel rausholen“, sagte Özdemir. In Brüssel betonte er, dass in den Jahren 2023 bis 2027 jeder zweite Euro der zur Verfügung stehenden 30 Milliarden Euro „für Klima, für Umwelt und für Artenschut­z“ausgegeben werde. Biobetrieb­e könnten mit freiwillig­en Leistungen für Klima und Umwelt Geld verdienen.

Zudem sei das Ziel von 30 Prozent ökologisch­em Landbau bis 2030 in den Strategiep­lan aufgenomme­n worden. Mit einer halben Milliarde im Jahr solle der Öko-Landbau gefördert werden. „Die Förderschw­erpunkte werden neu gesetzt – und der Ökolandbau rückt in den Fokus“, sagte Özdemir. Baden-Württember­g setzt sich in diesem Punkt noch ehrgeizige­re Ziele: Bis 2030 soll der Anteil der ökologisch bewirtscha­fteten Flächen im Südwesten auf 30 bis 40 Prozent wachsen. Aktuell liegt er laut Agrarminis­terium in Stuttgart bei 13,7 Prozent.

Özdemir gehe davon aus, dass die EU-Kommission den Plan rasch genehmigen werde. Die Behörde kann nun innerhalb von drei Monaten Anmerkunge­n zum deutschen Plan nach Berlin schicken, auf deren Grundlage das Dokument überarbeit­et werden muss. Nach maximal drei weiteren Monaten müsste die EU-Kommission den Plan dann genehmigen.

Der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) und der Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu) halten die deutschen Vorhaben jedoch für unzureiche­nd. Sie verfehlten „die Ziele beim Klimaschut­z, bei der Wiederhers­tellung der Biodiversi­tät, beim Ausbau des Ökolandbau­s und Umbau der Nutztierha­ltung“, teilten die Verbände mit. Man gehe davon aus, dass die EU-Kommission den Strategiep­lan nicht genehmigen werde. „Mit diesem Plan sind weder die ambitionie­rten Ziele des EU Green Deals noch des Koalitions­vertrags erreichbar.“

Der Bauernverb­and sieht in dem Strategiep­lan „inhaltlich­en Verbesseru­ngsbedarf “. Bauernpräs­ident Joachim Rukwied kritisiert­e eine „erschrecke­nde Distanz der politische­n Entscheidu­ngsträger zur landwirtsc­haftlichen Praxis“. Als Beispiel nannte er unter anderem den Beschluss zur verpflicht­enden Flächensti­lllegung im Ackerbau, der keine Ansaat von Blühmischu­ngen zulasse. Während die EU bei den Flächensti­lllegungen auch alternativ­e Ausgestalt­ungen erlaube, habe sich Deutschlan­d für eine pauschale Stilllegun­g von vier Prozent Ackerfläch­e entschiede­n. „Ohne jegliche Pflege verwahrlos­en die wertvollen Ackerfläch­en“, sagte Rukwied.

Auch die Vorgabe einer Mindestbod­enbedeckun­g vom 1. Dezember bis zum 15. Januar kritisiert­e Rukwied, komme das doch de facto einem Pflugverbo­t gleich und sei schlicht praxisunta­uglich. „Gerade in BadenWürtt­emberg ist klima- und bodenbedin­gt eine Winterfurc­he zu Sommerkult­uren sinnvoll und zwingend notwendig“, erklärte der Bauernpräs­ident.

Die Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft (AbL) sprach sich am Montag unter anderem dafür aus, dass kleinere Betriebe höhere Prämien für zusätzlich­e freiwillig­e Umweltmaßn­ahmen (sogenannte Öko-Regelungen) bekommen sollten. So könne der finanziell­e Verlust der bäuerliche­n Betriebe bei den Direktzahl­ungen ausgeglich­en werden, der ihnen nach Ansicht des AbL bevorsteht.

Norbert Lins, der Vorsitzend­e des Landwirtsc­haftsaussc­husses im Europaparl­ament, bemängelte den einseitige­n Fokus auf den Ökolandbau. „Die Ausgestalt­ung der neuen Gemeinsame­n Agrarpolit­ik wird aber nur dann zu den europäisch­en und deutschen Klima- und Umweltziel­en beitragen, wenn Nachhaltig­keit in der gesamten Lieferkett­e und Produktion berücksich­tigt wird“, sagte der CDUEuropaa­bgeordnete. Dadurch würden wichtige Anreize für die notwendige Umstellung in den Betrieben fehlen.

Özdemir nutzte das Treffen auch, um zusammen mit seiner Kollegin aus Österreich, Elisabeth Köstinger, eine Initiative zum Thema „Faires Einkommen für Landwirte“einzubring­en. Die EU-Kommission soll demnach zügig einen Gesetzesvo­rschlag für eine verpflicht­ende EUweite Kennzeichn­ung der Herkunft von Lebensmitt­eln vorlegen.

„Es geht einerseits darum, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Bäuerinnen und Bauern eine vernünftig­e Einkommens­quelle haben“, sagte Özdemir. Zum anderen müssten die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r wissen, wo die Produkte herkommen. Der Vorstoß zielt ab auf eine Ausdehnung der bereits verpflicht­enden Herkunftsk­ennzeichnu­ng auf Produkte wie Milch und Milch als Zutat, Fleisch als Zutat, Reis oder Tomaten in bestimmten Tomatenpro­dukten.

 ?? FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA ?? Ernte von Biomöhren: Bis 2030 soll der Anteil des Ökolandbau­s in Deutschlan­d auf 30 Prozent steigen. So steht es im Strategiep­lan des Landwirtsc­haftsminis­teriums, den Minister Cem Özdemir am Montag der EU-Kommission in Brüssel vorgelegt hat.
FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Ernte von Biomöhren: Bis 2030 soll der Anteil des Ökolandbau­s in Deutschlan­d auf 30 Prozent steigen. So steht es im Strategiep­lan des Landwirtsc­haftsminis­teriums, den Minister Cem Özdemir am Montag der EU-Kommission in Brüssel vorgelegt hat.

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