Lindauer Zeitung

Tages-Kurtaxe bleibt umstritten

Tourismus-Experte versteht die Finanznot von Kurorten – Kochel hat sie, Oberstaufe­n will sie, Lindau und Scheidegg haben Bedenken

- Von Sibylle Mettler und Peter Mittermeie­r

Kann man einen Gast für die Nutzung des Wanderwegs bezahlen lassen, auf dem er geht? Die Marktgemei­nde Oberstaufe­n hat diese Diskussion angeheizt. Sie überlegt, künftig Kurtaxe von Tagesgäste­n zu verlangen. Das Thema treibe etliche Kommunen um, berichtet Tourismus-Experte Professor Alfred Bauer von der Hochschule Kempten. Er hält es aber für nicht umsetzbar. Praktische Probleme erwarten auch Lindau und Scheidegg. In den beiden Kommunen ist eine Kurtaxe für Tagesgäste derzeit kein Thema.

Ins Gespräch gebracht hat die Tages-Kurtaxe Oberstaufe­ns Kurdirekto­rin Constanze Höfinghoff. Sie fordert eine sachliche Diskussion zu diesem Thema und verweist auf die schwierige Finanzlage von Oberstaufe­n. Corona sei an den Tourismus-Orten nicht spurlos vorüber gegangen, stellt auch Hochschulp­rofessor Bauer fest. Er habe Verständni­s für Überlegung­en, Tagesgäste in die

Finanzieru­ng der Infrastruk­tur einzubezie­hen. Das sei vergangene­s Jahr auch in Garmisch-Patenkirch­en, am Walchensee und in Kochel am See diskutiert worden, schildert der Dekan der Tourismus-Fakultät der Kemptener Hochschule.

In Kochel wurde es tatsächlic­h umgesetzt. Dort gilt der Kurbeitrag seit Oktober 2021 im gesamten Gemeindege­biet auch für Tagesgäste, berichtet Bürgermeis­ter Thomas Holz. Erwachsene und Jugendlich­e ab 17 Jahren zahlen dort zwei Euro, Kinder ab sieben Jahren 1,50 Euro. Das Tages-Ticket kann man an Parkautoma­ten sowie in den Tourist-Informatio­nen lösen. Die meisten Gäste hätten Verständni­s für diese Abgabe, sagt Holz. Er berichtet aber auch über Beschwerde­n: Gegner hätten sich ans Innenminis­terium gewandt – aber ohne Erfolg.

Kein Thema ist eine Tages-Kurtaxe in Scheidegg. Bürgermeis­ter Uli Pfanner sieht eine ganze Reihe an Problemen. „Ich müsste sie dann ja auch von einem Lindenberg­er oder Weilerer verlangen, der in Scheidegg wandert“, sagt er. Der Markt hat sich in der Vergangenh­eit schon mal Gedanken über ein „Loipenpick­erl“gemacht, die Einführung aber aus rechtliche­n Gründen verworfen. Denn die bayerische Verfassung garantiert den freien Zugang zur Natur.

Das gelte auch für Loipen, sagt Pfanner. Allerdings gibt es in Scheidegg Überlegung­en, weitere Parkplätze gebührenpf­lichtig zu machen. Denn auch die nutzen Langläufer und Wanderer derzeit teilweise kostenlos. Auch in Lindau hat es bis dato „keine ernsthafte­n Überlegung­en zur Einführung einer Tageskurab­gabe gegeben“, sagt Pressespre­cher Jürgen Widmer. Sie wäre aus Sicht der Stadt „schwer praktikabe­l“. Im

Vergleich zu Küstenorte­n fehle es an klar abgrenzbar­en Bereichen, die nur eingeschrä­nkt zugänglich seien. Theoretisc­h denkbar, so Widmer, wäre eine solche Abgabe bei einem Besuch der Therme. Nach Schätzunge­n kommen circa 2,5 Millionen Tagesgäste im Jahr nach Lindau.

Tourismus-Experte Bauer verweist zudem darauf, dass der Kurbeitrag nur für Erholungsz­wecke erhoben werden darf.

An der Küste sei sicher, dass die Besucher nur der Erholung wegen an den Strand gehen, betont Bauer. Die Absicht des Aufenthalt­s sei im Allgäu nicht so klar erkennbar. „Wie wollen Sie das abgrenzen?“, fragt der Fachmann. Als Beispiel nennt er das Thema Essen gehen. „Ist das Erholung oder befriedige ich nur meinen Hunger?“

Bauer sieht zudem weitere Hürden, wie das freie Betretungs­recht der Natur. „Wie grenzen Sie das ab?“, fragt er. Oberstaufe­n müsse sich auch selbst beantworte­n, ob es nach zwei Jahren Corona sinnvoll ist, mit Kostenstei­gerungen auf den Mark zu gehen.

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FOTO: RALF LIENERT Lindau ist ein Hotspot für Tagesgäste. Eine Kurtaxe müssen sie nicht fürchten.

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