Tages-Kurtaxe bleibt umstritten
Tourismus-Experte versteht die Finanznot von Kurorten – Kochel hat sie, Oberstaufen will sie, Lindau und Scheidegg haben Bedenken
Kann man einen Gast für die Nutzung des Wanderwegs bezahlen lassen, auf dem er geht? Die Marktgemeinde Oberstaufen hat diese Diskussion angeheizt. Sie überlegt, künftig Kurtaxe von Tagesgästen zu verlangen. Das Thema treibe etliche Kommunen um, berichtet Tourismus-Experte Professor Alfred Bauer von der Hochschule Kempten. Er hält es aber für nicht umsetzbar. Praktische Probleme erwarten auch Lindau und Scheidegg. In den beiden Kommunen ist eine Kurtaxe für Tagesgäste derzeit kein Thema.
Ins Gespräch gebracht hat die Tages-Kurtaxe Oberstaufens Kurdirektorin Constanze Höfinghoff. Sie fordert eine sachliche Diskussion zu diesem Thema und verweist auf die schwierige Finanzlage von Oberstaufen. Corona sei an den Tourismus-Orten nicht spurlos vorüber gegangen, stellt auch Hochschulprofessor Bauer fest. Er habe Verständnis für Überlegungen, Tagesgäste in die
Finanzierung der Infrastruktur einzubeziehen. Das sei vergangenes Jahr auch in Garmisch-Patenkirchen, am Walchensee und in Kochel am See diskutiert worden, schildert der Dekan der Tourismus-Fakultät der Kemptener Hochschule.
In Kochel wurde es tatsächlich umgesetzt. Dort gilt der Kurbeitrag seit Oktober 2021 im gesamten Gemeindegebiet auch für Tagesgäste, berichtet Bürgermeister Thomas Holz. Erwachsene und Jugendliche ab 17 Jahren zahlen dort zwei Euro, Kinder ab sieben Jahren 1,50 Euro. Das Tages-Ticket kann man an Parkautomaten sowie in den Tourist-Informationen lösen. Die meisten Gäste hätten Verständnis für diese Abgabe, sagt Holz. Er berichtet aber auch über Beschwerden: Gegner hätten sich ans Innenministerium gewandt – aber ohne Erfolg.
Kein Thema ist eine Tages-Kurtaxe in Scheidegg. Bürgermeister Uli Pfanner sieht eine ganze Reihe an Problemen. „Ich müsste sie dann ja auch von einem Lindenberger oder Weilerer verlangen, der in Scheidegg wandert“, sagt er. Der Markt hat sich in der Vergangenheit schon mal Gedanken über ein „Loipenpickerl“gemacht, die Einführung aber aus rechtlichen Gründen verworfen. Denn die bayerische Verfassung garantiert den freien Zugang zur Natur.
Das gelte auch für Loipen, sagt Pfanner. Allerdings gibt es in Scheidegg Überlegungen, weitere Parkplätze gebührenpflichtig zu machen. Denn auch die nutzen Langläufer und Wanderer derzeit teilweise kostenlos. Auch in Lindau hat es bis dato „keine ernsthaften Überlegungen zur Einführung einer Tageskurabgabe gegeben“, sagt Pressesprecher Jürgen Widmer. Sie wäre aus Sicht der Stadt „schwer praktikabel“. Im
Vergleich zu Küstenorten fehle es an klar abgrenzbaren Bereichen, die nur eingeschränkt zugänglich seien. Theoretisch denkbar, so Widmer, wäre eine solche Abgabe bei einem Besuch der Therme. Nach Schätzungen kommen circa 2,5 Millionen Tagesgäste im Jahr nach Lindau.
Tourismus-Experte Bauer verweist zudem darauf, dass der Kurbeitrag nur für Erholungszwecke erhoben werden darf.
An der Küste sei sicher, dass die Besucher nur der Erholung wegen an den Strand gehen, betont Bauer. Die Absicht des Aufenthalts sei im Allgäu nicht so klar erkennbar. „Wie wollen Sie das abgrenzen?“, fragt der Fachmann. Als Beispiel nennt er das Thema Essen gehen. „Ist das Erholung oder befriedige ich nur meinen Hunger?“
Bauer sieht zudem weitere Hürden, wie das freie Betretungsrecht der Natur. „Wie grenzen Sie das ab?“, fragt er. Oberstaufen müsse sich auch selbst beantworten, ob es nach zwei Jahren Corona sinnvoll ist, mit Kostensteigerungen auf den Mark zu gehen.