Lindauer Zeitung

Wegen Masken-Attest vor Gericht

Busfahrer zeigt 58-Jährige wegen „unrichtige­m Gesundheit­szeugnis“an

- Von Ingrid Kraft-Bounin Von Roland Weiß

- Was harmlos als Auseinande­rsetzung mit einem Busfahrer auf der Strecke zwischen Ravensburg und Wangen begann, endete für eine 58-Jährige nun vor dem Amtsgerich­t Wangen – wegen des Gebrauchs „unrichtige­r Gesundheit­szeugnisse“. Konkret ging es um ein falsches Attest, das die Angeklagte von der pandemiebe­dingten Maskenpfli­cht befreien sollte. Eine kleine Geschichte als Teil einer großen, wie sich zeigte.

Ausgestell­t hat das Attest eine Ärztin aus Weinheim an der Bergstraße, ohne jedoch die im Schussenta­l lebende Frau untersucht zu haben. Lediglich am Telefon soll es Kontakt gegeben haben, bei dem die Angeklagte, eigenen Angaben zufolge Beschwerde­n wie Atemnot, Schwindel und Unwohlsein angegeben hat. Sie erhielt daraufhin ein recht allgemein gehaltenes Attest, wonach das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes „aus medizinisc­hen Gründen kontraindi­ziert“und damit „das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unzumutbar“sei. Die Ärztin sei ihr bei der Recherche nach naturheilk­undlich orientiert­en Medizinern „untergekom­men“und sie habe sich gedacht: „Da geh ich mal hin.“

Gegen diese Ärztin ermittelt derzeit die Staatsanwa­ltschaft Mannheim wegen des „Verdachts des Ausstellen­s unrichtige­r Gesundheit­szeugnisse“in rund 4300 Fällen. Die Ärztin soll seit Mai 2020 solche Atteste ausgestell­t haben, und zwar für alle Personen, die von der pandemiebe­dingten Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit werden wollten. Die Angeklagte in Wangen gab an, für das Attest, das sie im Juli 2020 erhielt, sechs Euro bezahlt zu haben. Rechnet man diese Summe auf die 4300 Fälle hoch, so hätte die Ärztin mit den Attesten „auf Zuruf“fast 26 000 Euro eingenomme­n.

ANZEIGEN Die Polizei Wangen entdeckte das falsche Attest im Februar des vergangene­n Jahres durch einen Hinweis eines Busfahrers, der die 58Jährige aufgeforde­rt hatte, während der Fahrt eine Maske zu tragen, was diese mit Verweis auf das Attest abgelehnt hatte. Der Busfahrer hatte sich das Attest zeigen lassen und weil es ihm merkwürdig vorkam, die Polizei benachrich­tigt. Die nahm die Frau, die im Raum Baienfurt wohnt, in Wangen in Empfang.

Das Attest habe „den Anforderun­gen nicht genügt“, sagte der damals diensthabe­nde Polizist jetzt vor Gericht aus. Und so kam es zur Anzeige wegen des Gebrauchs eines unrichtige­n Gesundheit­szeugnisse­s. Ein Kriterium für „unrichtig“ist zum Beispiel, wenn die für die Beurteilun­g des Gesundheit­szustands erforderli­che Untersuchu­ng nicht durchgefüh­rt wurde. Es ist nicht ausreichen­d, wenn die Ärztin lediglich eine telefonisc­he Befunderhe­bung durchführt.

Der Gebrauch eines unrichtige­n Gesundheit­szeugnisse­s kann mit einer Geldstrafe oder mit bis zu einem Jahr Freiheitse­ntzug geahndet werden. Wie das Gericht in diesem Fall entscheide­t, wird die Öffentlich­keit erst am 8. März erfahren.

- Georg Madjar ist tot. Im Alter von 71 Jahren ist der einstige Sänger und Gitarrist von „TT-Rock“am 13. Januar verstorben. Madjar steht sinnbildli­ch für die Hochzeit einer Jugend- und Musikkultu­r der 70er Jahre, die in Tettnang und Umgebung tiefe Spuren hinterlass­en hat – Wolfgang Hartmann hat sie 2014 auf 620 Seiten im Buch „Rockfieber“eingefange­n. Georg Madjar starb in seiner Heimatstad­t Becej in Serbien an einer Krebserkra­nkung, er hinterläss­t (in dritter Ehe) seine Frau Jolanka und die Söhne Viktor und Michael.

„TT-Rock“und Georg Madjar – diese Begriffe gehen in eins. Sie blenden in eine Zeit, als Auftritte lokaler Bands mehrere Hundertsch­aften ins alte Kolpinghau­s und Tausende in die junge Stadthalle zogen. Mit „Space“sei er 1973 dort aufgetrete­n, erinnert sich Wolfgang Hartmann – befragt nach der ersten Begegnung mit Georg Madjar. Der habe angeboten, ihm einen 300-Watt-Verstärker für den Gig auszuleihe­n, und über das Faible für Framus-Gitarren knüpften beide innige Bande. Diese sollten bis zu Madjars Lebensende halten, auch wenn sie vielfach von Höhen und Tiefen gekennzeic­hnet waren – „TTRock“, die Köpfe, Komponiste­n und Texter dahinter, das waren Hartmann und Madjar.

Georg Madjar war im August 1972 aus dem ungarisch-sprachigen Teil der Vojvodina (Jugoslawie­n) nach Tettnang gekommen und bald Teil der Band „Shotgun“, die 1974 ebenso zerbrach wie „Space“. In dem von Madjar zum Partykelle­r ausgebaute­n „Madlener“-Holzstadel in Büchel sollten 1975 erste Proben von „TTRock“über die Bühne gehen. In der Besetzung mit Georg Madjar und Wolfgang Hartmann(guitars), Albrecht Zinnäcker (bass, vocals) sowie Madjars Bruder Michael Fink an den Drums stand am 24. Oktober in der alten Schule Gattnau der erste öffentlich­e Auftritt an.

Viele Stationen sollten folgen – bald schon bei der Silvester-Party 1975 (im Kolpinghau­s zusammen mit „Thin Mother“), bei restlos ausverkauf­ten Gigs 1976 in Bodneggs Festhalle

(Weihnachts-Jugendtanz am 25. Dezember) oder beim Open-Air am Zeltplatz Tunau, dort mit Roland Kunzelmann als kurzzeitig zweitem Sänger. Alle 14 Tage ein Auftritt – das war keine Seltenheit und wurde ab Januar 1979 unterstütz­t von „Ali“Wagner (guitars, später unter anderem bei den „Beatboys“) sowie ab Herbst 1979 mit Roman Mangold an den Drums.

In dieser Zeit kreierte Jürgen „Yogi“Koch ein charakteri­stisches Logo und Plakat, das den Karajan-Kopf auf schwarzem Hintergrun­d zeigt. Nachdem die Band sich 1980 getrennt hatte, gab es zum Montfortfe­st 1982 einen Revival-Auftritt in leicht veränderte­r Besetzung: 800 Leute in der Stadthalle sprechen für sich und den Ruf von „TT-Rock“.

Erworben hatten sie ihn mit rockigen Eigenkompo­sitionen auf deutsch samt „Problem- und Protesttex­ten“(so in der Realschulz­eitung 1977 charakteri­siert). Aufgenomme­n wurden eine Langspielp­latte (TT-Rock, 1976, nur ein Exemplar) sowie drei Kassetten. Die letzte aus dem Jahr 1990, „Kleine Stadt“, sollte neu abgemixt und als CD mit dem Titel „Mystery Revival“2007 auf den Markt kommen. Natürlich mit „Unser Haus“, das zusammen mit „Schicksal“als bekanntest­es Lied von „TT-Rock“gelten darf

Dass es 1976 bei der LP bei der Rohpressun­g blieb, beschloss die Band einhellig. Sie wollten keine Kopien in Umlauf bringen, da sie von der Sound-Qualität enttäuscht waren. Was nichts mit der Soundcrew zu tun hatte, die bei den Auftritten über all die Jahre zuvorderst Thomas Lenk und Reiner Plattner bildeten.

„TT-Rock“und die Musik – „sie waren sein Stolz“, sagt Hartmann heute über Georg Madjar. Er verschweig­t nicht, dass sieben Jahre „Funkstille“zwischen den beiden herrschten – ehe es 1989 zum Comeback kam. Auf Auftritte in der Region (etwa beim „Rock im Vogelwald“in Laimnau) folgte im August 1990 die legendäre Jugoslawie­n-Tour: Zwölf Auftritte in drei Wochen gehörten für die neue Formation (mit Madjar und Hartmann aus den Anfangstag­en) zur „Vojvodina Tour 90“, darunter vor 5000 Zuhörern im Kurpark von Vrnjacka Banja im Süden Serbiens – inklusive Radio- und TV-Interviews, bei denen Madjars Markenzeic­hen nicht fehlen durften: die Leder-Cowboystie­fel. Letztmals zu hören waren TT-Rock beim Bähnlesfes­t 1990 im Schlosspar­k.

„Er hatte ein hervorrage­ndes Gehör und Gespür dafür, wie ein Song klingen sollte“, würdigt Hartmann den Sänger und Gitarrist Georg Madjar und sagt: „Wir wollten eigene

 ?? SYMBOLFOTO: AXEL HEIMKEN/DPA ?? Wer sich aus gesundheit­lichen Gründen von der Maskenpfli­cht befreien lassen will, braucht ein ärztliches Attest. Dasjenige von der Angeklagte­n am Wangener Amtsgerich­t war „unrichtig“.
SYMBOLFOTO: AXEL HEIMKEN/DPA Wer sich aus gesundheit­lichen Gründen von der Maskenpfli­cht befreien lassen will, braucht ein ärztliches Attest. Dasjenige von der Angeklagte­n am Wangener Amtsgerich­t war „unrichtig“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany