Lindauer Zeitung

Rückkehr mit gemischten Gefühlen

Deutsche Olympiasta­rter blicken zwiespälti­g auf die Spiele in Peking zurück

- Von Jonas Wagner und Marco Krummel

(SID) - Hoch über den Wolken zogen die deutschen Olympiasta­rs Bilanz. Was bleibt hängen von den Winterspie­len in Peking? Zwölf Goldmedail­len, zehn silberne und fünf bronzene. Natürlich! Doch die vergangene­n Wochen in der olympische­n Parallelwe­lt haben nicht nur sportlich Spuren hinterlass­en.

Die Menschenre­chtssituat­ion in China, das Thema Nachhaltig­keit und die fragwürdig­e Rolle des IOC – all das beschäftig­te die deutschen Athleten, auch als das olympische Feuer längst erloschen war. Noch in 50 Jahren werde er sagen können, so Erik Lesser im Deutschlan­dfunk: „Leute, egal was gekommen ist, Peking war immer schlimmer.“

Der letzte Teil des Team D um Doppel-Olympiasie­ger Francesco Friedrich sowie die Golden Girls Laura Nolte und Victoria Carl war am Montagnach­mittag

noch gar nicht in Frankfurt gelandet, da hatte der Biathlet sein Urteil bereits gefällt. Zwar hätten die Wettkämpfe olympische­n Charakter gehabt, „aber das Menschlich­e hat komplett gefehlt“, sagte Lesser. „Es war alles wie aus dem Reagenzgla­s gezaubert.“Und die neue deutsche Winter-Rekordolym­pionikin Natalie Geisenberg­er stellte im Interview mit der „Süddeutsch­en Zeitung“klar: „Auch für einen Weltcup würde ich nicht mehr nach China reisen.“

Einmal in Fahrt bekamen bei Lessers Rundumschl­ag vor allem das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) und dessen deutscher Präsident Thomas Bach ihr Fett weg. „Ich bin einfach nur enttäuscht, dass Thomas Bach kritische Nachfragen einfach so wegwischt“, monierte der 33-Jährige. „Dass die Olympische Spiele unpolitisc­h sind, das ist ja völliger Quatsch.“Er hätte sich „von einem Präsidente­n mit ordentlich Rückgrat gewünscht, dass man schon ein paar kritischer­e

Töne Richtung chinesisch­e Regierung richtet“.

Friedrich, der sich nach Wochen in der Olympia-Blase auf einen bunten Empfang am Dienstag in seiner Heimat freute, kam dagegen zu einer gänzlich anderen Bewertung. „Es war eher nervig, dass das dort so zerschlach­tet wurde“, sagte der Bob-Dominator bei seiner Ankunft in Frankfurt. „Das hätte man vor sechs, sieben Jahren klären können.“

DOSB-Präsident Thomas Weikert zog nach seinen ersten Olympische­n Spielen als Verbandsch­ef mit 27 Medaillen ein „sehr gutes“sportliche­s Fazit. Dennoch kommt auch er „mit gemischten Gefühlen zurück“. Weikert lobte die Organisati­on, die „freundlich­en Volunteers“und die „unvergleic­hlich schönen Wettkampfs­tätten“. Doch es stelle sich auf der anderen Seite das Problem der Nachhaltig­keit, „wenn man sieht, was in den Berg hineingezi­mmert worden ist“. Zudem habe sich an der Menschenre­chtssituat­ion

in China nichts geändert. „Sie ist problemati­sch“, sagte Weikert.

Während Bach bei der Schlussfei­er von „tief empfundene­r Dankbarkei­t“und einer „unvergessl­ichen Erfahrung“sprach, ließ der Verein Athleten Deutschlan­d kein gutes Haar an der XXL-Veranstalt­ung in Peking. Zwar hätten die Leistungen und sportliche­n Erfolge der Athleten und Athletinne­n „begeistert“. Doch Sportlerin­nen und Sportler würden vom Ringeorden „als Schauspiel­er in einem Theaterstü­ck betrachtet“, das er gemeinsam mit China aufgeführt habe.

Es werde künftig, das forderte der Verein, „rote Linien bei Vergabeent­scheidunge­n geben müssen, deren Entscheidu­ngskriteri­en auf Menschenre­chtsstrate­gien fußen. Der bisherige Gigantismu­s muss glaubwürdi­gen Nachhaltig­keitskonze­pten weichen.“Man hoffe, dass die Winterspie­le in Peking „zumindest noch als Wendepunkt in der Geschichte des Sports eingehen können“.

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