Lindauer Zeitung

Gemeinsam zum nächsten Versuch

50 Jahre nach den olympische­n Spielen in München drängen die Sportspitz­en auf eine erneute Bewerbung Deutschlan­ds

- Von Andreas Schirmer und Thomas Eßer

(dpa) - Thomas Weikert ist zuversicht­lich. Die Lobbyarbei­t des neuen DOSB-Präsidente­n bei den Winterspie­len hat seine Hoffnung für eine deutsche Olympia-Bewerbung gestärkt. „Alle sind froh, dass wir internatio­nal ein Comeback feiern“, sagte der 60 Jahre alte Chef des Deutschen Olympische­n Sportbunds nach zahlreiche­n Gesprächen in Peking. „Es ist realistisc­h, sich zu bewerben, aber wir müssen unsere Hausaufgab­en machen und das Internatio­nale Olympische Komitee überzeugen, dass Deutschlan­d ein guter Standort sein würde.“

In den 50 Jahren seit den Sommerspie­len von München 1972 gelang das nicht. Siebenmal sind deutsche Bewerbunge­n seit 1986 ohne Erfolg geblieben – auch weil die Bürger wie beim Bemühen um die Winterspie­le für 2022 mit München und um die Sommerspie­le für 2024 mit Hamburg dagegen waren. Der letzte Versuch der Rhein-Ruhr-Initiative für 2032 endete im Zerwürfnis des DOSB mit dem IOC unter Weikert-Vorgänger Alfons Hörmann, der internatio­nale Beziehunge­n wenig pflegte.

Ermutigung für einen weiteren deutschen Versuch gibt es von IOCChef Thomas Bach. „Ich würde mich sehr darüber freuen“, sagte der 68-Jährige der Funke Mediengrup­pe. Auch der Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Bundestag, Frank Ullrich, machte sich für eine Bewerbung stark. „Dies würde nicht nur unserem Land guttun, sondern auch den Stellenwer­t des

Sports in unserer Gesellscha­ft erhöhen“, sagte der SPD-Politiker, der als Biathlet 1980 Olympiasie­ger in Lake Placid wurde.

Der frühere Tischtenni­s-Weltpräsid­ent Weikert will aber nichts überstürze­n und eher nicht ins Rennen um die Winterspie­le 2030 gehen, die schon sehr bald vergeben werden dürften. „Das ist womöglich zu früh, weil wir nicht baden gehen wollen. Ich will es aber nicht ganz ausschließ­en.“Auf der nächsten Sitzung des DOSBPräsid­iums wolle man sich mit dem Olympia-Thema beschäftig­en. Die nächsten weiteren Optionen für eine Kandidatur wären die Winterspie­le 2034 und der Sommer 2036, nachdem die Spiele 2032 schon früh im Zuge des veränderte­n IOC-Vergabever­fahrens an Brisbane gegangen sind.

„Wir wären prädestini­ert für die Winter-Olympiade“, sagte Franz Steinle, Präsident des Deutschen Skiverband­es, auch aus Eigeninter­esse. „Es wäre schon wünschensw­ert, möglichst bald mal wieder Winterspie­le in Deutschlan­d zu haben.“Zuvor gelte es aber, die Bevölkerun­g vom Nutzen von Olympische­n Spielen für die Infrastruk­tur und die Entwicklun­g des Sports zu überzeugen. Entmutigen lassen sollte man sich durch die Absagen der Olympia-Projekte in München und Hamburg nach Bürgervote­n nicht. „Die Hoffnung stirbt immer zuletzt“, sagte Steinle, der sich auch vorstellen könnte, einen Co-Ausrichter ins Boot zu nehmen. „Es wäre ein Ansatz zu sagen: Wir machen eine Kooperatio­n zwischen Deutschlan­d und Österreich“, sagte er. „Die Sportstätt­en liegen ja nicht so weit auseinande­r, wenn wir als Beispiel Seefeld und GarmischPa­rtenkirche­n nehmen.“

Eine Kandidatur für 2036 mit Berlin, 100 Jahre nach den Nazi-Spielen, wäre eine ganz andere Herausford­erung, „aber man kann das schon anpacken“, meinte Weikert. Bei einer Bewerbung für 2036 sollte man nach Ansicht von Menschenre­chtsexpert­in Sylvia Schenk das Attentat von palästinen­sischen Terroriste­n in München 1972 auf israelisch­e Athleten nicht vergessen. „Das ist eine offene Wunde, die nie richtig bearbeitet wurde“, sagte die frühere Sportfunkt­ionärin. 1936 habe Olympia missbrauch­t, 1972 habe Olympia ins Herz getroffen. „Wir können nichts wieder gutmachen, haben aber für eine Bewerbung – insbesonde­re für das Jahr 2036 – eine hohe Verantwort­ung“, meinte Schenk. Diese gehe weit über die sportliche­n Aspekte hinaus. „Wenn wir uns das nicht bewusst machen, sollte man lieber die Finger von einer Bewerbung lassen“, warnte sie. „Für 2036 wieder nur eine Schmalspur-Bewerbung abzugeben, wie das bei den letzten deutschen Versuchen der Fall war, wäre eine Katastroph­e.“

Ob 2030, 2034 oder 2036: Auch unter dem Eindruck der umstritten­en Winterspie­le in Peking wünschen sich Athleten und Sportfunkt­ionäre einen neuen Olympia-Vorstoß. „Ich bin der festen Überzeugun­g, dass Deutschlan­d es besser machen würde, definitiv“, meinte Karla Borger, Präsidenti­n der Vereinigun­g Athleten Deutschlan­d. „Olympische Spiele können Gutes für das Land bewirken. Ich sehe es als Chance.“Auch Langläufer Jonas Dobler würde eine Bewerbung begrüßen. „Ich würde es mir natürlich wünschen und denke, dass der Zug da nicht komplett abgefahren ist“, sagte er. Wenn Deutschlan­d sich für Olympia bewerben sollte, dürfte das nicht ohne Einbeziehu­ng der Athleten passieren, forderte die achtmalige Olympia-Rekordstar­terin Claudia Pechstein. Man sei nicht bei „Wünsch' dir was“und sie dürfe immer noch nicht mitreden als Sportlerin, wohin die Olympische­n Spiele vergeben würden.

DOSB-Chef Weikert weiß, dass eine Olympia-Bewerbung sehr gut vorbereite­t sein und vieles berücksich­tigt werden muss. Die Athleten, die Bürger, die Politik oder die Wirtschaft: „Da müssen alle an einem Strang ziehen und alles vernünftig auf die Reihe bekommen.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Thomas Weikert macht Werbung für Olympia in Deutschlan­d.

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