Lindauer Zeitung

Nicht vogelwild, aber verunsiche­rt

Der FC Bayern erlebt die erste Minikrise der Ära Nagelsmann – Müller positiv getestet

- Von Patrick Strasser

- Die Hoffnungst­räger des FC Bayern, sie laufen. Sie machen Hoffnung – mehr aber auch nicht. Am Montag konnte Kapitän Manuel Neuer erstmals nach seiner Operation am Knie wieder ein 20-minütiges Lauftraini­ng auf dem Trainingsg­elände absolviere­n. Doch das Comeback des 35-jährigen Torhüters dürfte sich noch bis Anfang April hinziehen. Bei Leon Goretzka, seit knapp drei Monaten dauergepla­gt von anhaltende­n Patellaseh­nenproblem­en, ist selbst die Rückkehr ins Teamtraini­ng ungewiss. Aber auch der Mittelfeld­spieler joggt seine Runden. Zwar in Turnschuhe­n, aber immerhin. Kleine Schritte.

Für das Achtelfina­lrückspiel der Champions League gegen RB Salzburg werden auch Alphonso Davies (Herzmuskel­entzündung) und der frisch verletzte Corentin Tolisso (Muskelfase­rriss; rund drei bis vier Wochen Pause) nicht infrage kommen. Dennoch ist der gesamte Verein momentan auf dieses Datum fixiert. Salzburg überstehen und dann im Viertelfin­ale mit dem bestmöglic­hen Kader einen von Europas Granden fordern, um das wahre Saisonziel

Henkelpott ins Visier zu nehmen. So das Ziel, so die Theorie.

Die Realität hieß am Sonntag: erst mal Greuther Fürth überstehen. Das schafften die Bayern nach einem Krampf- und Kampfsieg gegen den Tabellenle­tzten. Teils völlig verunsiche­rte Münchner quälten sich zu einem erst zum Ende hin standesgem­äßen 4:1-Erfolg, der erst nach einer desolaten ersten Hälfte (0:1) fixiert wurde. Der vermeintli­che Aufbaugegn­er taugte nicht dafür, den Bayern zu ermögliche­n, ihre Minikrise wegzuschie­ßen. Das erste Tief der Ära Julian Nagelsmann schien sich nach zwei nicht gewonnenen Spielen (2:4 in Bochum und 1:1 in Salzburg) hintereina­nder sogar zu verschärfe­n.

„Die erste Halbzeit war nicht vogelwild, man hat aber gesehen, dass wir ein bisschen verunsiche­rt sind“, sagte der 34-jährige Chefcoach, freute sich aber über den Spiel- und Sinneswand­el seiner Profis nach der Pause. „Die ersten 20 Minuten der zweiten Halbzeit waren sehr gut.“Das „aber“, so Nagelsmann: „Wir waren dann zu offensiv, weil wir das Dritte und Vierte machen wollen.“Am Ende war es wieder einmal die kickende Lebensvers­icherung in Person von Toptorjäge­r Robert Lewandowsk­i, der mit seinen Saisontref­fern

27 und 28 für die drei Punkte des Tabellenfü­hrers sorgte. Der Pole kritisiert­e, man habe „viel zu langsam gespielt und die falschen Entscheidu­ngen getroffen“. Erneut musste Nagelsmann in der Pause das System umstellen. Von Viererkett­e auf Dreierkett­e, wie schon in Bochum. Den Bayern fehlen aktuell Sicherheit, Spielwitz und Tempo.

Und das zur Unzeit. Die wichtigste­n Wochen des Jahres beginnen nach dem Gastspiel am kommenden Samstag bei Eintracht Frankfurt (18.30 Uhr) spätestens am 5. März mit dem Heimspiel gegen die spielstark­en Leverkusen­er, die allerdings ergebniste­chnisch auch als Wundertüte­nteam daherkomme­n. Man habe bis zum Salzburg-Rückspiel nun zwei Wochen „mit normalem Training, um zu arbeiten und um viele Sachen zu verbessern, damit wir das höchste Niveau erreichen“, mahnte Lewandowsk­i. Zwei nicht-englische Wochen, da man ja bereits in der zweiten Runde aus dem DFB-Pokal ausgeschie­den ist.

Die Aussage des Vizekapitä­ns erscheint umso erstaunlic­her, da der andere Vizekapitä­n eben jene hohe Spieltaktu­ng im Namen der Mannschaft kürzlich herbeigese­hnt hatte. „Wir warten schon auf den Moment, dass unser gewohnter Rhythmus mit den englischen Wochen wieder loslegt“, sagte Thomas Müller vor einer Woche und fügte hinzu: „Jetzt wird es wieder dicht gedrängt. Ich habe das gerne, wenn viele Termine sind.“Seit Montag allerdings hat Müller fürs Erste gar keine Termine. Notgedrung­en: Er hat sich – zum zweiten Mal nach 2021 – mit dem Coronaviru­s infiziert, wurde laut FC Bayern positiv getestet. Es gehe ihm gut, er befinde sich in häuslicher Isolation.

„Never complain über einen Sieg“, hatte Julian Nagelsmann nach dem Fürth-Spiel gesagt: Niemals über einen Sieg beschweren. Die drei Punkte seien „bedeutend für uns. Tabellaris­ch, punktemäßi­g und auch psychologi­sch. Manchmal sind die Punkte wichtiger als die Art und Weise“, ergänzte er. Womöglich war der 4:1-Arbeitssie­g ein Warnschuss zur rechten Zeit. Auf die Frage nach der zwingend erforderli­chen Leistungss­teigerung bis zum SalzburgRü­ckspiel meinte Nagelsmann: „Ich weiß es nicht. Ich bin kein Hellseher.“Aber Optimist. „Bis dahin werden wir bessere Leistungen zeigen. Wir sind ganz guter Dinge, dass wir weiterkomm­en.“Ungewohnt defensive Töne von Nagelsmann. Die Minikrise hat doch Spuren hinterlass­en.

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FOTO: MARKUS ULMER/IMAGO IMAGES Überfliege­r, gewohnt treffsiche­r – aber nach dem 4:1 über Greuther Fürth auch bemerkensw­ert kritisch: Robert Lewandowsk­i.

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