Lindauer Zeitung

Der Anfang des Krieges

- Von Stefan Scholl politik@schwaebisc­he.de

Richtig überrascht hat Wladimir Putin die Welt diesmal nicht. Acht Jahre, nachdem er den Aufstand gegen die ukrainisch­e Staatsmach­t in der Region Donbass anzetteln ließ, erkennt Russlands Präsident die zwei dabei entstanden­en Rebellenre­publiken als unabhängig­e Staaten an. Die Variante wurde in Kiew und Moskau schon lange diskutiert. Viele Ukrainer und Russen fanden sie gar nicht schlecht: Die Russen, weil ihr starker Mann das von der Ukraine abgebissen­e Stück Donbass endlich ins neugroßrus­sische Reich aufgenomme­n hat. Und die Ukrainer konnten mit ihrem nach acht Jahren Kleinkrieg maroden und moskauhöri­gen Kohlenpott nicht mehr viel anfangen.

Auch Berlin, Brüssel oder Washington hätten eigentlich Grund zur Freude: Mit der Anerkennun­g der Rebellenge­biete macht Moskau nur offiziell, was alle Welt seit acht Jahren weiß: In Donezk und Lugansk arbeiten russische Militärs, Geschäftsl­eute und Geheimdien­stler. Da kann man sich bei den fälligen Sanktionen auf diesen Personenkr­eis und die Region Donbass, einen wirtschaft­lichen Winzling, konzentrie­ren. Richtig schmerzhaf­te Strafmaßna­hmen, wie die von Deutschlan­d gestoppte Lizenzieru­ng von Nord Stream 2, lassen sich ja aufheben, wenn sich die Lage erst wieder beruhigt hat.

Wenn. Denn wer die Brandrede gehört hat, die Putin seiner Erklärung über die staatliche Anerkennun­g der Rebellen voraussand­te, dem kommt diese Anerkennun­g eher wie der Anfang als das Ende des Krieges vor. Putin sprach den Ukrainern jedes Recht auf eine eigene Nation ab und unterstell­te dem Westen, das Land als Aufmarschg­ebiet für mögliche Nato-Aggression­en gegen Russland nutzen zu wollen.

Die Region Donbass ist de facto ein ideales Aufmarschg­ebiet für alle möglichen kriegerisc­hen Aggression­en gegen die Ukraine. Schon liebäugelt Moskau mit der Entsendung regulärer Truppen, von „Friedenstr­uppen“ist die Rede. Wehe den ukrainisch­en Einheiten, die es wagen, zurückzusc­hießen. Dann kann Putin den Krieg, der noch auf Sparflamme lodert, stufenlos hochdrehen.

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