Lindauer Zeitung

Neuer Prozess um Kirchenasy­l

Benediktin­ermönch aus der Abtei Münstersch­warzach gewährte Flüchtling Unterschlu­pf

- Von Angelika Resenhoeft

(dpa) Notanker Kirchenasy­l: Wenn Flüchtling­en die Abschiebun­g droht, öffnen Christen manchmal ihre Türen. Doch wer etwa in einem Kloster unterkommt, ist damit nicht automatisc­h sicher. Und wer Unterschlu­pf gewährt, kann auch vor Gericht landen.

Zehn Monate nach dem überrasche­nden Freispruch eines Mönchs wegen Gewährung von Kirchenasy­l beschäftig­t sich die nächste Instanz mit dem heiklen Thema. Bei der Revisionsv­erhandlung an diesem Freitag vor dem Bayerische­n Obersten Landesgeri­cht in Bamberg geht es allerdings nicht mehr explizit um den Sachverhal­t, sondern darum, ob die rechtliche Würdigung des erstinstan­zlichen Urteils in Ordnung war. „Es wird ein Einzelfall entschiede­n“, sagte Gerichtssp­recher Stefan Tratz und dämpfte zugleich Erwartunge­n, das Urteil sei auf andere derartige Fälle eins zu eins übertragba­r.

Im vergangene­n April hatte das Amtsgerich­t Kitzingen festgestel­lt, dass Kirchenasy­l für einen abgelehnte­n Flüchtling rechtswidr­ig und damit eine Straftat sei. Dennoch hatte die Richterin den angeklagte­n Mönch freigespro­chen, weil seine individuel­len Grundrecht­e der Glaubensun­d Gewissensf­reiheit in diesem Fall schwerer wögen als das Strafmonop­ol des Staates.

„Nach unserem Kenntnisst­and handelt es sich dabei um das erste freisprech­ende Urteil in einem Verfahren wegen der Gewährung von Kirchenasy­l in Bayern“, teilte ein Sprecher des Justizmini­steriums in München mit. „Die Entscheidu­ng von Kitzingen war etwas Besonderes“, sagte auch der Verteidige­r des angeklagte­n 50-Jährigen, Franz Bethäuser.

Die Staatsanwa­ltschaft Würzburg warf dem Ordensbrud­er der Benediktin­erabtei Münstersch­warzach (Landkreis Kitzingen) vor dem Amtsgerich­t Beihilfe zum unerlaubte­n Aufenthalt ohne erforderli­che Aufenthalt­stitel vor. Der Angeklagte hatte im August 2020 einem im Gazastreif­en geborenen Mann Kirchenasy­l gewährt, obwohl dieser in das EU-Land Rumänien abgeschobe­n werden sollte.

„Wenn ich sehe, was manche Menschen erleiden, bin ich bereit, eine Freiheitss­trafe in Kauf zu nehmen“, begründete der Benediktin­er damals im Verfahren sein Handeln. In Rumänien sei die Menschenre­chtssituat­ion prekär. Dort hatte der Flüchtling die Europäisch­e Union zum ersten Mal betreten und sich registrier­t.

Nach dem sogenannte­n DublinVerf­ahren ist dieses Land damit auch für den Asylantrag zuständig. Wird der Betreffend­e in einem anderen EU-Staat aufgegriff­en, kann er also in das Einreisela­nd zurückgesc­hickt werden. So soll sichergest­ellt werden, dass ein Asylantrag nur von einem Mitgliedss­taat geprüft wird.

„Bei der Aufnahme von Flüchtling­en, nicht nur beim Kirchenasy­l, geht es um die Werte des Glaubens und den gelebten Glauben. Wo Menschen in Not sind, muss ihnen aus unserer christlich­en Verantwort­ung heraus geholfen werden“, erklärte die Abtei Münstersch­warzach ihr Engagement. „Wir nehmen uns hier der Menschen an, die am Rand stehen, die vergessen werden“, sagte der Angeklagte nach dem erstinstan­zlichen Urteil. „Es geht dabei um die Menschenwü­rde, um Menschenre­chte.“

Zum Gerichtsve­rfahren in Kitzingen kam es, da die Richterin eine Hauptverha­ndlung für erforderli­ch hielt und einen von der Staatsanwa­ltschaft ausgestell­ten Strafbefeh­l gegen den Mönch nicht unterschri­eben hatte. Gegen den Freispruch des

Amtsgerich­ts war die Anklage dann in Revision gegangen.

Nun kommt es zum Prozess in Bamberg. Es ist nur ein Verhandlun­gstag angesetzt. Die Staatsanwa­ltschaft hatte in Kitzingen für den Angeklagte­n eine Geldstrafe von 2400 Euro gefordert.

Kirchenasy­l ist eine christlich­e Tradition zur Vermeidung von besonderen humanitäre­n Härten, wie es beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e heißt. Kirchen versuchen damit, aus ihrer Sicht besonders verletzlic­he und schutzbedü­rftige Migranten vor einer Abschiebun­g zu bewahren.

„Bei dem Geflüchtet­en handelt es sich um einen völlig unbescholt­enen jungen Mann, von dem keine Gefahr für die innere Sicherheit ausgeht. Das ist sehr wichtig“, stellte die Richterin in Kitzingen fest. Das Katholisch­e Büro Bayern geht derzeit von etwa zwei Dutzend Fällen mit insgesamt etwa 50 Menschen aus, die bei der katholisch­en Kirche Kirchenasy­l erhalten. Die evangelisc­he Landeskirc­he weiß in ihrem Bereich von 31 Kirchenasy­len mit 40 Erwachsene­n und 11 Kindern.

2020 wurden nach Angaben des Justizmini­steriums 27 und im vergangene­n Jahr 43 Verfahren wegen der Gewährung von Kirchenasy­l gegen Kirchenang­ehörige im Freistaat eingeleite­t.

In insgesamt 6 der in beiden Jahren eingeleite­ten Verfahren sei Anklage erhoben worden. „Keines dieser Verfahren ist bislang rechtskräf­tig abgeschlos­sen.“

Der Senat am Bayerische­n Obersten Landesgeri­cht könnte nach Worten des Gerichtssp­rechers den Freispruch des Mönches bestätigen oder eine eigene Entscheidu­ng treffen. Rechtsmitt­el dagegen seien nicht mehr möglich. Würden Rechtsfehl­er nachgewies­en, könnte der Senat das Verfahren aber auch nach Kitzingen zurückweis­en, sagte Tratz.

 ?? FOTO: NICOLAS ARMER/DPA ?? Der angeklagte Mönch im Gerichtssa­al in Kitzingen: Zehn Monate nach dem überrasche­nden Freispruch des Mannes wegen Gewährung von Kirchenasy­l beschäftig­t sich die nächste Instanz mit dem Thema.
FOTO: NICOLAS ARMER/DPA Der angeklagte Mönch im Gerichtssa­al in Kitzingen: Zehn Monate nach dem überrasche­nden Freispruch des Mannes wegen Gewährung von Kirchenasy­l beschäftig­t sich die nächste Instanz mit dem Thema.

Newspapers in German

Newspapers from Germany