Lindauer Zeitung

Höhere Gaspreise, geringere Ernten

Welche Folgen Sanktionen gegen Russland haben könnten und welche Druckmitte­l Kremlchef Putin zur Verfügung stehen

- Von Michael Gabel, Dominik Guggemos und Igor Steinle

- Steigende Kosten für Gas und Öl sind bereits eine Belastung für viele Haushalte. Wird bei einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine die Gasrechnun­g bald unbezahlba­r? Und wie stark ist die hiesige Landwirtsc­haft betroffen? Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Welche Folgen hat das Aus von Nord Stream 2?

Was die Versorgung­ssicherhei­t angeht, ändert sich zunächst wenig. Da die Pipeline vor allem dafür gedacht war, den für Russland teuren Erdgastran­sit durch die Ukraine zu ersetzen, hätte sich die Liefermeng­e von russischem Gas nach Europa nicht bedeutend erhöht. Auch Schadeners­atzforderu­ngen seitens der Betreiber sind vorerst nicht zu erwarten, da es sich nun laut Wirtschaft­sministeri­um um eine „Neubewertu­ng“der Lage und keine endgültige Absage der bereits fertiggest­ellten Pipeline handele. Die aber, so Bundeskanz­ler Scholz (SPD) am Dienstag, werde sich „sicherlich hinziehen“.

Welche Auswirkung­en hat es für die Energiepre­ise?

Eine Inbetriebn­ahme der Pipeline hätte laut Branchenve­rband „Zukunft Gas“dämpfend auf die momentan extrem hohen Gaspreise gewirkt. Im Falle eines russischen Einmarsche­s in die Ukraine ist das genaue Gegenteil zu erwarten. Es käme „zu einem Preisschoc­k, jedenfalls vorübergeh­end“, sagt der Präsident des Münchner Instituts für Wirtschaft­sforschung Clemens Fuest. Das träfe private Haushalte und Industrie gleicherma­ßen.

Könnte Putin das Gas abdrehen? Mit einem Lieferstop­p Russlands rechnet Fuest nicht: Europa brauche russisches Öl und Gas, Russland sei auf die Einnahmen angewiesen. Die EU-Kommission schließt dennoch nicht aus, dass Russland Lieferunge­n nach Europa verringern oder einstellen könnte. Für diesen Fall sei die EU laut Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen inzwischen allerdings gerüstet. Man sei aufgrund von Lieferzusa­gen für Flüssiggas aus anderen Ländern in diesem Winter

„auf der sicheren Seite“. Diese Einschätzu­ng gilt laut Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) auch für Deutschlan­d.

Joe Biden hat mit einem umfangreic­hen Paket an Sanktionen auf den Einmarsch der russischen Truppen in die von Separatist­en gehaltenen Gebiete von Donezk und Luhansk reagiert. Sie fallen schärfer aus als erwartet.

Der Präsident machte es sich nicht einfach. Mit fast 90 Minuten Verspätung trat er im East Room vor die Kameras, um „den Beginn einer russischen Invasion der Ukraine“zu attestiere­n. Russland habe mit der Ausrufung der beiden Republiken im Osten der Ukraine „eine Verletzung des Völkerrech­ts begangen, die eine starke Antwort verlangt“. Biden

Welchen Einfluss hätte ein Lieferengp­ass von Gas auf die Lebensmitt­elversorgu­ng in Deutschlan­d? „Wir machen uns sehr große Sorgen“, kündigte an, „Sanktionen zu implementi­eren, die weit über das hinausgehe­n, was wir 2014 gemacht haben. Und wenn Russland den Einmarsch fortsetzt, weiten wir unsere Sanktionen aus.“Dabei haben es schon die ersten Maßnahmen der USA in sich, die auf dem Niveau des deutschen Genehmigun­gsstopps für Nord Stream 2 einsteigen. Der Präsident bekräftigt­e die Ankündigun­g von Bundeskanz­ler Olaf Scholz und sagte, die Erdgasröhr­enleitung werde unter diesen Bedingunge­n keinesfall­s in Betrieb genommen. Ferner schneiden die USA Russland von der Fi

sagt Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverb­ands (DBV), der „Schwäbisch­en Zeitung“. Für die Landwirte in Deutschlan­d ist nanzierung auf westlichen Märkten ab. Ein Szenario, gegen das sich Moskau mit dem Aufbau eines staatliche­n Überschuss­es teilweise gewappnet hat. Dagegen dürften die angekündig­ten Sanktionen gegen die beiden großen Banken VEB und die Militärban­k nach Ansicht von Analysten mehr Gewicht haben. Ebenso die Strafmaßna­hmen gegen eine Liste gut vernetzter Milliardär­e und deren Angehörige­n, auf die

Putin seine Macht stützt.

Biden sagte den baltischen Staaten eine Verlegung weiterer US-Truppen zu, die bereits anderswo in Europa stationier­t sind. „Wir haben keine die Versorgung mit Erdgas relevant, weil daraus Stickstoff­dünger hergestell­t wird. Dieser ist mit Abstand die klare Nummer 1 unter den verbraucht­en

Intention, gegen Russland zu kämpfen“, betonte der Präsident die defensive Absicht. „Aber wir werden jeden Zentimeter an NatoTerrit­orium verteidige­n.“Abermals machte Biden klar, dass es an Putin liege, ob es zu einem Krieg in der Ukraine kommt. „Es gibt keine Rechtferti­gung für diese Aggression“, sagte er mit Blick auf die Rede Putins aus dem Kreml am Montag. „Er hat direkt das Recht der Ukraine, zu existieren, angegriffe­n“, verwies er auf eine Passage aus den Ausführung­en, in deren Kontext Putin indirekt auch Mitglieder­n der Nato gedroht hatte. (ts) Düngemitte­ln in der Landwirtsc­haft und macht mehr als die Hälfte der insgesamt eingesetzt­en Menge aus.

Der Preis für Erdgas war schon vor der Eskalation sehr hoch. Im Januar sind die Erzeugerpr­eise laut dem Statistisc­hem Bundesamt im Vergleich zum Vorjahresm­onat um 119 Prozent gestiegen. Das wirkt sich direkt auf den Preis für Stickstoff­dünger aus. Dieser sei schon jetzt exorbitant teuer, sagt Rukwied – sofern man überhaupt noch welchen kaufen könne. „Die Gefahr, dass mangels Verfügbark­eit von Dünger Erntemenge­n zurückgehe­n, ist groß.“

Gibt es einen Notfallpla­n für die Sicherstel­lung der Ernten?

„Nein. Wir gehen davon aus, dass weniger gedüngt wird, was negative Auswirkung­en auf die Erntemenge und in Teilen auch auf die Qualität der Erzeugniss­e haben wird“, sagt Bauernpräs­ident Rukwied. Die Landwirte befänden sich derzeit in einem Blindflug, da keiner wisse, wie sich die Preise und die Verfügbark­eit von Stickstoff­dünger entwickeln werde. Das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um verweist auf die EUKommissi­on. Deren „Farm to Fork“Strategie enthalte einen Notfallpla­n, der aufzeige, wie die Mitgliedst­aaten koordinier­t auf Engpässe reagieren sollten.

Was ist mit Kunden russischer Banken?

Kunden russischer Banken wie etwa der Sberbank oder der Gazpromban­k, eventuell auch der SberbankTo­chter DenizBank könnten große Probleme bekommen. Die beiden erstgenann­ten Institute sind bereits von den seit 2014 bestehende­n Sanktionen betroffen. Verbrauche­rschützer raten deshalb Deutschen, die erwägen, dort ihr Geld in Form von Festgeld- oder Tagesgeldk­onten anzulegen, sich das sehr gut zu überlegen. Zwar sind Einlagen generell bis 100 000 Euro durch einen Sicherungs­fonds geschützt, aber vor allem bei anderen Anlageform­en wird zur Vorsicht geraten.

Grafiken und aktuelle Entwicklun­g im Live-Blog auf www.schwaebisc­he.de/russland

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FOTO: BAI XUEQI/DPA Der Kreml und die Basilius-Kathedrale in Moskau: Sanktionen gegen Russland haben Auswirkung­en hierzuland­e.

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