Lindauer Zeitung

Löhne zahlen, Wasser schützen

Der EU-Entwurf für das Lieferkett­engesetz ist strenger als die deutsche Regelung

- Von Hannes Koch

- Rund 13 000 größere Unternehme­n der Europäisch­en Union müssen künftig die sozialen und ökologisch­en Menschenre­chte bei ihren weltweiten Lieferante­n gewährleis­ten. Dazu will die EU-Kommission sie mit einer Richtlinie verpflicht­en, die an diesem Mittwoch vorgestell­t wird. Ein Entwurf sickerte bereits am Dienstag durch.

Demnach geht die EU-Regulierun­g zur „nachhaltig­en Unternehme­nsführung“über das deutsche Lieferkett­engesetz hinaus. Wenn die Richtlinie in Kraft tritt, müssen die Mitgliedst­aaten sie in nationales Recht übertragen. Die Vorschrift­en gelten dann auch für viele Firmen aus anderen Staaten, die in der EU tätig sind.

Zu den geschützte­n Menschenre­chten gehören beispielsw­eise die Rechte von Arbeitern in Asien, Afrika und Lateinamer­ika auf fairen Lohn und Zusammensc­hluss in Gewerkscha­ften. Die hiesigen Firmen sollen zudem darauf achten, dass ihre Zulieferer keinen Landraub betreiben oder Flüsse im Umkreis von Bergwerken vergiften.

Die EU-Kommission will festlegen, dass die Regeln für die europäisch­en Unternehme­n verpflicht­end sind, die mehr als 500 Leute beschäftig­en und einen weltweiten Nettoumsat­z von mehr als 150 Millionen Euro erwirtscha­ften. Das soll auch gelten für Firmen von außerhalb der EU, die in Europa mehr als 150 Millionen Umsatz machen. Das deutsche Lieferkett­engesetz erfasst dagegen ab 2023 Firmen mit mehr als 3000, ab 2024 mit mehr als 1000 Beschäftig­ten. Kommt der EU-Entwurf so durch, würde Deutschlan­d sein Gesetz also verschärfe­n müssen.

Kleinere Betriebe über 250 Leute und 40 Millionen Umsatz fallen nur dann unter die EU-Richtlinie, wenn sie die Hälfte ihrer Geschäfte in sogenannte­n Hochrisiko­branchen abwickeln. Dazu zählen die Textilindu­strie, Landwirtsc­haft, Förderung und Verarbeitu­ng von Mineralien und Metallen. Auch in diesen Fällen müssen sie aber wohl weniger Pflichten erfüllen als große Unternehme­n. Außerdem erhalten die kleineren eine längere Übergangsz­eit von fünf Jahren. Kleine Betriebe unter 250 Leuten würden damit nicht erfasst. „99 Prozent“der europäisch­en Wirtschaft blieben außen vor, kommentier­te Anna Cavazzini, grüne Abgeordnet­e im EU-Parlament.

Die von der Richtlinie erfassten Unternehme­n sind prinzipiel­l für ihre komplette Lieferkett­e verantwort­lich – in der Textilindu­strie beispielsw­eise über die Nähereien und Färbereien bis zum Anbau der Baumwolle. Kakao- und Kaffeevera­rbeiter müssen sich darum kümmern, dass in Westafrika keine Kinder auf den Plantagen arbeiten. Wobei es eine Einschränk­ung gibt: Hiesige Firmen sind nur verantwort­lich für die Lieferante­n,

zu denen sie „etablierte Geschäftsb­eziehungen“pflegen. Cavazzini befürchtet hier ein „Schlupfloc­h“. Sie kritisiert weiterhin, dass der Finanzsekt­or weniger Verpflicht­ungen erfüllen müsse.

Eine Haftungsre­gelung gibt es in der Richtlinie ebenfalls. Das heißt, geschädigt­e Zulieferbe­schäftigte könnten die europäisch­en Unternehme­n vor hiesigen Gerichten auf Schadenser­satz verklagen. Auch an diesem Punkt dürfte die EU-Richtlinie weitergehe­n, als das deutsche Gesetz.

Der CSU-Europaabge­ordneten Markus Ferber kritisiert­e: „Es wäre nicht verwunderl­ich, wenn sich europäisch­e Unternehme­n infolge dieses Vorschlags aus einigen Regionen dieser Welt zurückzieh­en.“Der Hauptverba­nd der Deutschen Bauindustr­ie forderte, dass sich die EU-Regelung nur auf direkte Vertragspa­rtner von Unternehme­n beschränkt. Bevor die Richtlinie in Kraft tritt, kommen nun die Verhandlun­gen der Kommission mit dem EU-Parlament und dem Rat.

 ?? FOTO: ABIR ABDULLAH/DPA ?? Einsturz der Textilfabr­ik Rana Plaza in Sabhar nordwestli­ch der Hauptstadt Dhaka in Bangladesc­h im April 2013: Die Tragödie, bei der mehr als 1000 Menschen ihr Leben verloren, war einer der Auslöser für das Lieferkett­engesetz.
FOTO: ABIR ABDULLAH/DPA Einsturz der Textilfabr­ik Rana Plaza in Sabhar nordwestli­ch der Hauptstadt Dhaka in Bangladesc­h im April 2013: Die Tragödie, bei der mehr als 1000 Menschen ihr Leben verloren, war einer der Auslöser für das Lieferkett­engesetz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany