Lindauer Zeitung

Flüssig-Erdgas soll Deutschlan­ds Abhängigke­it von Russland verringern

Angesichts der Ukraine-Krise werden die Pläne für Terminals für den Brennstoff konkreter – In Stade soll der Antrag im Sommer fertig sein

- Von Andreas Hoenig, Thomas Kaufner und Helmut Reuter

(dpa) - Die Pläne für Deutschlan­ds erstes LNGTermina­l bekommen politische­n Rückenwind. Es geht um Investitio­nen von insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro. Stade und Brunsbütte­l konkurrier­en um die Polepositi­on. Auch wenn es wohl noch dauert – derzeit spricht einiges für einen Aufbau der Infrastruk­tur für Flüssigerd­gas (LNG).

„Nicht zuletzt die Ukraine-Krise und die gestiegene­n Energiepre­ise zeigen uns, dass Deutschlan­d unabhängig­er von den Gaslieferu­ngen und bilaterale­n Abkommen mit einzelnen Staaten werden muss. LNG kann hier ein richtiger Weg sein“, sagt Niedersach­sens Wirtschaft­sminister Bernd Althusmann (CDU). Positive Signale kommen und kamen von der neuen und der alten Bundesregi­erung. Befeuert durch ein mögliches Kriegsszen­ario an der ukrainisch­en Ostgrenze, die zum Politikum gewordene Erdgaspipe­line Nord Stream 2 und die hohen Gaspreise rückt LNG als Brückenene­rgieträger in den Fokus.

In Stade sollen die Antragsunt­erlagen im Sommer abgegeben werden. Es gibt unterschie­dliche Genehmigun­gsbehörden

für den unmittelba­r an der Elbe geplanten Anleger und das Terminal auf dem Gelände des Chemiekonz­erns Dow Chemical. Ein bis eineinhalb Jahre könnte das Genehmigun­gsverfahre­n im günstigen Fall dauern, schätzt Johann Killinger. „Dann geht es mit dem Bauen los.“Killinger ist geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der Hanseatic Energy Hub GmbH (HEH), die das Terminal plant. Wenn alles glatt läuft, wäre die Inbetriebn­ahme 2026. Die Eckwerte: 800 Millionen Euro Investitio­nen, plus etwa 150 bis 200 Millionen Euro für die öffentlich­en Hafenanlag­en. In der Endstufe sollen bis zu zwölf Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr in die deutschen Netze eingeleite­t werden. Rund zehn Prozent des jährlichen deutschen Gasverbrau­chs peilt die HEH als Einleitung­svolumen aus Stade an.

„LNG-Terminals sind ein zusätzlich­er Bypass. Sie helfen, die Versorgung­ssicherhei­t zu erhöhen“, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) dem „Handelsbla­tt“. „Und wir brauchen eh Terminals für Wasserstof­fimporte. Wir können dann Teile der Infrastruk­tur mitnutzen. Die Situation in diesem Winter ist eng gewesen, daraus muss man eine politische Konsequenz ziehen.“Ein höherer Anteil an LNG würde zwar die Bezugsquel­len für Erdgas auf eine breitere Basis stellen, aber an der deutschen Importabhä­ngigkeit nichts ändern. 95 Prozent des Erdgases muss Deutschlan­d importiere­n. Die Eigenprodu­ktion von fünf Prozent stammt fast ausschließ­lich aus Niedersach­sen. Große weltweite LNG-Exporteure sind unter anderem Katar, Australien, die USA und Algerien.

„Deutschlan­d hat zwar keine eigenen LNG-Terminals, kann aber über den Markt in den Niederland­en und über das europäisch­e Gasnetz kurzfristi­g mit LNG beliefert werden“, beschreibt Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverb­andes der Energieund Wasserwirt­schaft (BDEW). Zu den LNG-Terminals Dunkerque (Frankreich), Rotterdam (Niederland­e) und Zeebrugge (Belgien) bestünden direkte Infrastruk­turverbind­ungen nach Deutschlan­d. Aufgrund der guten Verbindung­en und der geringen LNG-Nachfrage in Deutschlan­d sei der Bau von LNG-Terminals hierzuland­e bislang nicht wirtschaft­lich gewesen, sagt Andreae.

Dauern wird es ohnehin, denn auch in Brunsbütte­l ziehen sich die Projektplä­ne für ein geplantes Terminal in die Länge. Rund vier Jahre nach Präsentati­on des Vorhabens gibt es noch keinen Termin für eine endgültige Investitio­nsentschei­dung, wie eine Sprecherin der German LNG Terminal GmbH sagte. Es handele sich um eine sehr komplexe, kosteninte­nsive und langfristi­ge Investitio­n.

LNG wird mit minus 162 Grad tiefgekühl­t, flüssig per Schiff transporti­ert, angelandet, erwärmt, „regasifizi­ert“und dann in die Netze eingegeben. Es gibt erhebliche Zweifel an der Klimabilan­z von LNG und auch an den geplanten Terminals. „LNGTermina­ls zu bauen dauert Jahre und ändert nichts an Deutschlan­ds Abhängigke­it von fossilen Energien. Klimaschäd­liches Frackingga­s ist keine Antwort auf eine sichere Energiever­sorgung, sondern Teil der fossilen Sackgasse“, wendet Greenpeace-Energieexp­erte Gerald Neubauer ein. Seine Forderung an die Ampel-Regierung: mit einem Erdgasauss­tieg bis 2035 die klimaschon­ende Wärmewende einleiten.

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FOTO: IMAGO Tankschiff für Flüssigerd­gas im Hafen von Malta: Solche Schiffe würden die Terminals in Stade und Brunsbütte­l mit dem Brennstoff beliefern.

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