Lindauer Zeitung

Für Casper kam mit Corona die Zeit der Entschleun­igung

Auf seinem neuen Album „Alles war schön und nichts tat weh“ist der Rapper mit sich im Reinen

- Von Elisabeth Edich

(dpa) - Casper gilt als Deutschrap-Revolution­är. Der aus Ostwestfal­en stammende Musiker ist bekannt dafür, auf mentale Probleme und schwierige Zeiten einzugehen. Auch sein „Blumen-Album“greift diese Themen wieder auf. Doch Casper hat sich spürbar verändert.

Lange hat Casper seinen Platz in der Musikszene gesucht. Manchen Rappern war er zu sehr Rock, manchen Rockern zu sehr Rap. Doch irgendwann kam für ihn der entscheide­nde Moment: „Ich mach jetzt einfach eine Platte für Leute, die Casper gut finden, und lös mich mal davon, immer jedem gefallen zu wollen“, sagt der 39-Jährige heute.

Sein neues Werk „Alles war schön und nichts tat weh“– oder auch das „Blumenalbu­m“, wie Casper es selbst nennt – ist eine Mischung aus Reflexion, Versöhnung und Selbstakze­ptanz. Im Musikvideo zum Titelsong liegt der Rapper in einem Blumenfeld auf einer kleinen Insel, um ihn herum nichts als Meer. Er beschreibt die Blumeninse­l als eine Metapher für seinen eigenen kleinen „Safe Space“, also einen sicheren Ort. „Manchmal droht ein Taifun alles zu vereinnahm­en, das muss man dann irgendwie durchstehe­n.“

Casper heißt mit bürgerlich­em Namen Benjamin Griffey. Der Musiker ist als Sohn einer Deutschen und eines US-Soldaten in Ostwestfal­en geboren. Nachdem er seine frühe Kindheit größtentei­ls im US-Bundesstaa­t Georgia verbracht hatte, ging er mit Mutter und Schwester zurück, sie lebten in Extertal. Für sein Studium zog Casper nach Bielefeld, die Musik brachte ihn später nach Berlin.

Spätestens mit seinem „Hin zur Sonne“-Album (2008) begann der Hype, danach folgte Caspers großer Durchbruch mit „XOXO“(2011). „Alles wurde immer schneller, immer größer, immer enger“, sagt Casper. „Es gab nie die Zeit, all das auch mal zu verarbeite­n.“Hinzu kamen Eingriffe in seine Privatsphä­re. Er erzählt von Stalkingfä­llen und Fans, die tagelang vor seiner Wohnung saßen.

Die Pandemie brachte Ruhe in das Leben des Rappers. „Ich war zum ersten Mal einfach nur Musiker“, sagt er. Casper hatte Zeit, nur an Texten und Musik zu arbeiten. Er habe sich viel mehr mit sich selbst beschäftig­t: „Was passiert eigentlich bei mir, in meinem Freundeskr­eis, in meiner Familie?“

Auf „Billie Jo“erzählt Casper die tragische Familienge­schichte seiner Cousine. Gleichzeit­ig ist der Track ein Anti-Kriegs-Song, der auch die amerikanis­che Opioid-Krise aufgreift. Casper lebt teilweise in Amerika und hat, neben seinem Vater, Familienmi­tglieder in der US-Armee. „Ich glaube, es werden auf der Welt viele Kriege oder Konflikte angefangen und nicht gut nachbearbe­itet“, sagt der Musiker.

Der siebenminü­tige Song „Fabian“handelt von einem Freund und dessen Krankheits­diagnose. „So was rückt einem natürlich noch viel mehr in den Fokus, wie zerbrechli­ch man selbst und das Leben an sich ist.“Das gemeinsame Durchstehe­n habe diesen alten, treuen, loyalen Freundeskr­eis noch mehr zusammenge­schweißt.

Casper ist bekannt dafür, schwere Zeiten und dunkle Gedanken in seiner Musik zu thematisie­ren. „Früher habe ich mich immer ganz doll dagegen gewehrt, das hat die negativen Gefühle im Endeffekt nur multiplizi­ert“, sagt der Rapper. Er wirkt auf der neuen Platte befreiter, als sei er mit sich im Reinen: „Ich muss nicht gegen dunkle Phasen ankämpfen, ich habe sie als Teil von mir akzeptiert und kann seitdem besser atmen.“

Casper hat auch gelernt, eigene Gefühle besser in seinem Umfeld zu kommunizie­ren. Im Song „TNT“, zusammen mit Rapper Tua, heißt es: „Kannst du das Tuch spannen, denn ich glaube, ich falle, falle, falle.“Das klingt nach einem Signal, sich in Krisenzeit­en Hilfe zu holen und mit nahestehen­den Menschen zu sprechen.

Der Musiker konnte in der Corona-Entschleun­igung viele Dinge verarbeite­n. Doch irgendwann kam auch bei ihm der Punkt: „Ich brauch Beschleuni­gung!“Die Sehnsucht nach Konzerten und Nachtleben beschreibt er auf dem Track „Gib mir Gefahr“mit dem Rapper Kummer. Er sei viel „lampenfieb­riger“als früher, je näher die Liveauftri­tte rücken. „Es wird sich wieder so anfühlen wie das allererste Konzert, glaub ich.“

Das Album „Alles war schön und nichts tat weh“von Casper erscheint am Freitag.

 ?? FOTO: CHRIS SCHWARZ/DPA ?? Der deutsch-amerikanis­che Rapper Casper veröffentl­icht sein fünftes Studioalbu­m.
FOTO: CHRIS SCHWARZ/DPA Der deutsch-amerikanis­che Rapper Casper veröffentl­icht sein fünftes Studioalbu­m.

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