Unvergesslicher Faschingsball endet mit Wettfahrt
Rudolf Bast erinnert sich ans Hoyerbergschlösschen – Vespa und Lambretta: Wer ist schneller?
(lz) - Dass es nicht viel braucht, um glücklich zu sein, hat der Lindauer Rudolf Bast in seinem Buch „Das reiche Leben armer Leute“gezeigt. Jetzt will der 87-Jährige mit den Lesern der Lindauer Zeitung noch eine weitere schöne Erinnerung teilen – an einen Faschingsball im Hoyerbergschlössle und die dort entstandene „Schnapsidee“.
Als gemeinsame stolze Besitzer eines Lambretta-Rollers traten mein Zwillingsbruder Fred und ich 1952 dem neu gegründeten Verein „Lindauer Vespa und Lambretta Club“bei. Dort bekamen wir auch gleich im Vergnügungsausschuss einen Posten verpasst. Äußeres Erkennungszeichen: blaue Krawatte mit der Aufschrift „Die flotten Fünf“.
Der Allerflotteste war der Haug Karle. Er rückte auch gleich mit dem Vorschlag heraus, hier im Schlössle einen Faschingsball zu organisieren. Weil die Pächterfamilie Schmid begeistert zustimmte, delegierte Karle gleich die Aufgaben. Fred und ich sollten eine Binsenmatte, zwei mal vier Meter groß, beschaffen und diese im Lokal unter die Decke hängen. Mit einem geliehenen Leiterwagen gingen wir zum Schilfgürtel am See und säbelten einen Haufen Binsen ab. Auf dem Boden nebeneinander gelegt, hielten wir genau die Maßvorgabe ein. Jetzt begann die Hauptarbeit: Mit einer Papierschnur (eine andere wäre uns zu teuer gewesen) knoteten wir die Binsen Stück für Stück aneinander. Eingerollt, Schnur herum, rein in den Leiterwagen – und rauf auf den Hoyerberg.
„Fleißig, fleißig“, lobte uns der Karle, kratzte sich aber hinterm Ohr und meinte: „Mit der Papierschnur, ob uns die Matte nicht gleich wieder von der Decke fällt?“Mit ein paar geliehenen Kälberstricken vom Nachbarbauern wurde diese Gefahr gebannt. Wir hängten Äpfel, Selbstgebackenes, übrig gebliebene Lebkuchen von Weihnachten, alles, was man in dieser hungrigen Zeit entbehren konnte, unter die Matte. Seitlich hingen einige Girlanden herunter, uns hat’s gefallen.
Eine Zwei-Mann Kapelle war für eine Brotzeit, Freibier und gute Worte problemlos zu bekommen. Endlich war es soweit: Alle Tische waren von der Familie Schmid schön eingedeckt, und aus der Küche duftete es nach dem höchsten unserer Gefühle: Brathähnchen! Uns lief das Wasser im Munde zusammen.
Die Gäste standen vor der Tür, doch niemand kam herein! Wir spitzten die Ohren, was da draußen so wichtiges palavert wurde. „Mein Gott, schaut euch diese einmalig schöne Aussicht an: links unten die Lindauer Insel voll im Abendrot, genau gegenüber die Rheinmündung mit Blick bis Lustenau und darüber die gesamte Alpenkette noch voll in der Sonne!“Ich weiß, das ist der schönste Blick vom Bodensee, aber ich hatte einen Granaten-Hunger von der Schufterei, dazu noch den Duft von den Brathähnchen in der Nase, kaum zum Aushalten!
Fast jeden mussten wir herein bitten. Als dann endlich alle saßen, fielen dann schon auch anerkennende Worte an uns. Es wurde dunkel, der Saal rappelvoll, die Musik spielte wie vereinbart, „Südliche Nächte, unter südlichen Sternen, ist das große Erlebnis, das man nie vergessen kann …“, viele summten mit. Jeder hatte sein Getränk, das Essen war lecker, Herr Schmid als Pächter und Koch hatte mit seiner fleißigen Frau alles im Griff. Ihre kleine Tochter saß im Blickfeld der Mutter bei den Hausaufgaben, so richtig familiär gemütlich. Bis spät in die Nacht wurde gefachsimpelt, getanzt und gelacht, wir alle fühlten uns so richtig wohl im Hoyerbergschlössle.
So kurz vor dem allgemeinen Aufbruch konnten sich einige Clubmitglieder nicht einigen, welcher Roller, Vespa oder Lambretta, der Schnellere sei. Am Ende setzte sich folgende „Schnapsidee“durch: Start am kommenden Sonntag, 10 Uhr, unten am Schönbühl, Ziel oben am heutigen Kreisel. Fred und ich sollten mit unserer Lambretta gegen eine Vespa an den Start gehen.
Weil wir ungern verlieren wollten, dazu noch das Gefühl hatten, die Vespa wäre eher die Schnellere, suchten wir uns Rat bei Richard Egger. Er war Maschinenschlosser bei der Bahn und ehemaliger Freund unseres gefallenen Vaters. Er hat sich die Rennstrecke genau angesehen und gab uns folgenden Rat: „Normalerweise habt ihr gegen die Vespa keine Chance, aber beim Start geht ihr gleich vom ersten in den zweiten Gang und den lasst ihr drinnen bis zum Ziel. Lasst euch vom VespaGegner nicht irritieren, er wird wahrscheinlich gleich bis zum dritten Gang hochschalten und euch schon vor der Steigung überholen, dann muss er auf den zweiten Gang zurückschalten. Jetzt kommt ihr von hinten mit dem zweiten Gang in voller Drehzahl und fahrt an der Vespa vorbei ins Ziel.“
Was soll ich sagen, genau so war’s! Die Lambretta-Schar jubelte, die Vespa-Anhänger kamen mit langen Gesichtern auf uns zugestürmt, fast im Chor riefen sie: „Welches Benzin habt ihr getankt?“
Wir haben nur vielsagend vor uns hingeguckt, nichts verraten und die wohltuenden Gratulationen der Lambretta-Fahrer genossen. Etwas abseits stand schmunzelnd ein Mann, den niemand beachtete. Der eigentliche Sieger, Richard Egger, bei dem wir uns besonders bedankten.
Mehr Erinnerungen von Rudolf Bast gibt es in dem Buch „Das reiche Leben armer Leute“. Es ist für 14,80 Euro in allen Lindauer Buchhandlungen erhältlich.