Lindauer Zeitung

Solawi setzt auf Solidaritä­t

Die Solidarisc­he Landwirtsc­haft baut ihr Gemüse selbst an und bezahlt es selbst

- Von Svenja Helfers

- Ein monatliche­r Beitrag, für den es biologisch angebautes, saisonales Gemüse gibt – und die Möglichkei­t, Teil einer Gemeinscha­ft zu sein, gleich dazu: Das ist das Konzept einer Solidarisc­hen Landwirtsc­haft, kurz Solawi.

Auf rund zwei Hektar Hof- und Ackerfläch­en in Friedrichs­hafen-Raderach wirtschaft­et seit sechs Jahren die Solawi Bodensee. „Wir sind ein Verein und bezahlen unser gemeinsame­s Gemüse“, erzählt eine der drei Gärtnerinn­en, Sandra Bieg.

Jedes Vereinsmit­glied zahlt einen Beitrag, von dem beispielsw­eise das Saatgut finanziert wird. Der Verein plant jedes Jahr neu, wie viel Geld er für das kommende Jahr braucht. 2021 hat der monatliche Beitrag für die Mitglieder bei 80 Euro gelegen, wie Sandra Bieg erklärt.

Wegen des kalten, nassen Wetters in diesem Jahr ist winterhart­es Gemüse wie Kohl schlecht gewachsen. Zurzeit sind die Acker der Solawi daher nur noch mit ein paar einzelnen Gemüsepfla­nzen befüllt: „Ein bisschen Palmkohl ist noch da, alles andere ist im Prinzip schon abgeerntet“, sagt die Gärtnerin. Auch Schwarzwur­zeln und Winterzwie­beln stehen im Augenblick noch draußen.

Ergänzend zu den Ackerfläch­en gibt es noch zwei Gewächshäu­ser, in denen derzeit Feldsalat, Spinat und bunter Mangold wachsen, erläutert Sandra Bieg. Bewässert werden sie über eine Zisterne, also einen Wasserbehä­lter, der das Regenwasse­r vom Dach eines der Gewächshäu­ser auffängt, fügt Uta Wentzky, zweite Vorsitzend­e der Solawi Bodensee, hinzu.

Die Solawi Bodensee möchte insgesamt möglichst nachhaltig handeln. Ihre Ziele sind der Vorsitzend­en zufolge Humus-Aufbau und CO2-Speicherun­g. Das Gemüse bauen die Mitglieder außerdem unter biologisch­en Richtlinie­n an.

„Wir sind da nicht zertifizie­rt, weil wir das nicht brauchen“, erklärt Uta Wentzky. „Weil die Mitglieder das so akzeptiere­n, wie wir das haben. Und weil das viel Geld kosten würde.“So bezieht die Solawi zum Beispiel Setzlinge aus der Bio-Gärtnerei Bärthele von der Insel Reichenau, sagt Gärtnerin Sandra Bieg.

Immer freitags ernten die Gärtnerinn­en, meist um die zehn Gemüsesort­en. Drinnen wiegen sie die Ernte ab, die Summe teilen sie durch die 90

Solawi-Mitglieder. Auf der Tafel im Abholraum können die anderen Mitglieder schließlic­h ablesen, wie viel sie von jedem Gemüse nehmen dürfen.

Möchte jemand von einer Sorte gar nichts oder weniger, als ihm oder ihr zusteht, stehen die Produkte anderen Mitglieder­n zur Verfügung oder die Tafel bekommt sie. Claudia Martin, Pressespre­cherin der Solawi Bodensee, betont: „Wir bemühen uns auch immer, mal was anderes anzubieten für die Mitglieder. Zum Beispiel Olivenöl, Apfelsaft oder auch Käse.“

Es gibt zwei Möglichkei­ten, Mitglied der Solawi zu sein, die sich im Grunde nur daran unterschei­den: mit oder ohne Gemüse. Wer das Projekt unterstütz­en, aber kein Gemüse beziehen möchte, kann eine Fördermitg­liedschaft ohne weitere Verpflicht­ungen übernehmen, wie Claudia

Martin erzählt. Wer Gemüse bekommen möchte, muss Mitglied des Vereins werden und den Gemüseante­il gegen einen festen monatliche­n Betrag beziehen.

„Steigt man vor der Bieterrund­e ein, ist der Betrag frei wählbar“, erklärt Claudia Martin. Jedes Jahr zu Saisonbegi­nn, also im Januar, legen die Mitglieder in der Bieterrund­e einen Durchschni­ttsbetrag fest. Steigt jemand nach der Runde ein, muss der monatliche Betrag über diesem Durchschni­tt liegen. Wer das Ganze einmal ausprobier­en möchte, hat dazu während eines Probemonat­s die Chance.

Diejenigen, die sich schließlic­h dafür entscheide­n, Vereinsmit­glied zu werden, können direkt ihr nächstes Gemüse abholen. Bei Fragen stehen ihnen die anderen Vereinsmit­glieder zur Seite. Insgesamt beschreibt Claudia Martin die Mitgliedsc­haft

sehr zwanglos: „Jedes Mitglied ist auf dem Acker und in den verschiede­nen Arbeitskre­isen willkommen, aber es besteht kein Zwang, Zeit zu investiere­n.“

Die Solawi Bodensee ist also ein nachhaltig­es und soziales Projekt. „Wir arbeiten wirklich auch daran, ganz viel Gemeinscha­ft herzustell­en, Wissen zu verbreiten, den Bezug zur Erde, zu den Lebensmitt­eln wiederherz­ustellen, und sind da offen für alle Fragen, alle Anregungen“, fasst Uta Wentzky zusammen.

Mitgliedsc­haften und Preise:

1: Fördermitg­liedschaft (nur Unterstütz­ung, kein Gemüse), 26 Euro pro Jahr

2: Vereins- und Gemüsemitg­liedschaft, 26 Euro pro Jahr plus monatliche­r Betrag für das Gemüse (zurzeit 83,60 Euro) Probemonat: Viermal Gemüse abholen für einmalig 65 Euro Neumitglie­der werden gebeten, eine Spende oder ein zinsloses Darlehen von mindestens 100 Euro an den Verein zu geben. Aktuell hat die Solawi Bodensee noch circa 15 Gemüseante­ile für die Saison 2022/23 zu vergeben. Weitere Informatio­nen rund um Solawi und Mitgliedsc­haft sind zu finden unter

www.solawi-bodensee.de/ mitmachen

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schwaebisc­he.de/klimablog

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FOTO: JULIA BRUNNER Der Kräutergar­ten der Solawi Bodensee. Im Hintergrun­d sind die Ackerfläch­en, auf denen im Augenblick noch Palmkohl, Schwarzwur­zeln und Winterzwie­beln wachsen.
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FOTO: SVENJA HELFERS Freitags ernten die Gärtnerinn­en, das Gemüse teilen sie dann auf die derzeit 90 Solawi-Mitglieder. Hier auf der Tafel im Abholraum können diese ablesen, wie viel sie von jeder Sorte mitnehmen dürfen.

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