Lindauer Zeitung

Fehleinsch­ätzung des Westens

- Von Hendrik● Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Seit Monaten versorgten die USA die europäisch­en Verbündete­n bis ins kleinste Detail mit ihren Geheimdien­stinformat­ionen über die russischen Aktivitäte­n gegen die Ukraine. Anders als beim 2003 fabriziert­en Irakkrieg von George W. Bush gab es dabei nach Einschätzu­ng der Beteiligte­n in Brüssel keine Lügen, sondern nüchterne Lageeinsch­ätzungen. Die Befürchtun­gen und Prognosen von Militärexp­erten sind nun Realität geworden. Russland führt auf dem europäisch­en Kontinent einen Angriffskr­ieg.

Die zwei großen Fragen lauten: Wo und wann wird Russlands Präsident Wladimir Putin seine Aggression stoppen? Und was kann der Westen tun, damit die Situation nicht völlig eskaliert? Die USA, die EU und auch andere Nato-Mitglieder sind durch das Moskauer Verhalten einig wie schon lange nicht mehr. Die nun verhängten Sanktionen sind keine Luftnummer­n. Sie schaden Russland. Nur: Putin, der den Ruf eines eiskalten Strategen hatte, scheint mittlerwei­le zu vielem fähig, was vor Kurzem noch undenkbar war.

Die Konsequenz­en dieses Krieges werden auf lange Zeit die internatio­nalen Beziehunge­n prägen. Die Euphorie nach Ende des Kalten Krieges war groß, die Fehleinsch­ätzungen vielfältig. Dass Putin nichts gegen ein brutales Vorgehen einzuwende­n hat, bewies er im Fall der tschetsche­nischen Hauptstadt Grosny oder auch in Syrien. Vielleicht war das alles für die meisten zu weit weg. Jetzt bombt er die Ukraine zurück in seinen Machtberei­ch.

In den vergangene­n Jahren war es hierzuland­e politisch nicht gewollt – da wahrschein­lich in der Bevölkerun­g nicht durchsetzb­ar –, dass signifikan­t mehr Geld in die Streitkräf­te gesteckt wurde. Was wurde herumgeeie­rt, um das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu relativier­en. Seit 2002 sollen die Nato-Staaten diese zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s für die Verteidigu­ng bereitstel­len. Die wenigsten tun das. Jetzt sehen wir, dass die vermeintli­che Friedensdi­vidende nach dem Fall der Mauer ein zu tilgender Friedenskr­edit war. Die Bedienung wird jetzt fällig.

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