Lindauer Zeitung

Swift ist das Rückgrat der Weltwirtsc­haft

Über das System werden täglich Millionen von Zahlungen weltweit abgewickel­t – Ein Ausschluss würde Russland, aber auch seine Handelspar­tner hart treffen

- Von Björn Hartmann

- Wegen des Einmarschs in die Ukraine droht der Westen Russland mit dem Ausschluss aus Swift. Das System ermöglicht den reibungslo­sen Zahlungsve­rkehr weltweit. Die wirtschaft­lichen Folgen dieser Sanktion sind hart und treffen beide Seiten. Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen.

Was ist Swift?

Swift ist eine Genossensc­haft mit Sitz im belgischen La Hulpe südöstlich von Brüssel. Sie unterliegt europäisch­em Recht. Der Name steht für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommun­ication (etwa Gesellscha­ft für weltweite Fernkommun­ikation zwischen Banken). Das Unternehme­n ist ein (Kurz-) Nachrichte­ndienst, eine Art sehr sicheres WhatsApp für Banken. Swift betreibt auch ein eigenes Datennetz sowie drei Datenzentr­en – in den USA, Belgien und der Schweiz. Das Angebot wird von mehr als 11 000 Finanzinst­ituten weltweit genutzt, darunter die größten der Welt und Notenbanke­n. Swift ist kein Zahlungsab­wickler, vereinfach­t Zahlungen aber so, dass sie automatisi­ert möglich sind.

Was ist das Besondere an Swift? Swift hat internatio­nal eine Art Monopol. Die Genossensc­haft hat eigene, weltweit geltende Standards und Formate für Nachrichte­n entwickelt, die die Banken automatisc­h verarbeite­n können. Diese Nachrichte­n werden äußerst schnell übertragen und sind sehr sicher. Zudem ist klar, wer die Nachricht wann von wo an wen wohin gesendet hat und wann sie dort angekommen ist. Eine solche Nachricht kann sehr vereinfach­t sein: Kunde A der Bank X überweist 300 Euro an Kunden B bei Bank Y.

Wie funktionie­rt Swift?

Über das System können Nachrichte­n von einer Bank zur anderen geschickt werden. Als Absenderod­er Empfängera­dresse dient der BIC, der Business Identifier Code, der für jede Bank weltweit einmalig ist. Die Europäisch­e Zentralban­k hat zum Beispiel ECBDEFF. Nachrichte­n gibt es für Überweisun­gen, aber auch andere Geschäfte wie Aktienkäuf­e oder Großüberwe­isungen zwischen Banken. Je Art werden täglich etwa 40 bis 50 Millionen Nachrichte­n versandt. Entspreche­nd groß ist die Zahl automatisc­h damit verknüpfte­r Geldgeschä­fte.

Zahlungsse­nder

Bank A

Warum ist Swift so wichtig?

Die Nachricht von einer Überweisun­g lässt sich auch per E-Mail oder Brief oder sogar WhatsApp übertragen. Das Empfängeri­nstitut muss dann prüfen, ob der Absender echt ist, die Unterschri­ft stimmt, die Person für die Überweisun­g qualifizie­rt

zur weltweiten Kommunikat­ion zwischen Banken bei Zahlungen

Swift-Netzwerk prüft z. B., ob Bank B Teilnehmer im Netzwerk ist und berechtigt ist. Der Aufwand ist sehr hoch. Gerade weil Swift sichere standardis­ierte Nachrichte­n anbietet, die Computer ohne Zutun von Mitarbeite­rn verarbeite­n können, sind schnelle und zuverlässi­ge Bankgeschä­fte überall auf der Welt überhaupt erst möglich. wenn Prüfung okay: Zahlungsau­ftrag wird weitergele­itet

Warum ist es für Russland ein Problem, komplett ausgeschlo­ssen zu werden?

Ohne Swift gibt es keine Geldgeschä­fte mit dem Ausland mehr. Das Land wäre auf einen Schlag abgeschnit­ten von den Nachrichte­n, damit sind automatisi­erte Zahlungen

Zahlungsem­pfänger

Gutschrift nicht mehr möglich. Das bedeutet: Rechnungen zum Beispiel für Gasund Öllieferun­gen können nicht mehr bezahlt werden. Das träfe Russland besonders, weil das Land sehr stark von diesen Einnahmen abhängig ist. Zudem würden Lieferunge­n nach Russland gestoppt, weil russische Käufer Rechnungen nicht mehr begleichen können. Der Handel wäre praktisch blockiert. Betroffen wären auch Wertpapier­geschäfte und Überweisun­gen von Privatleut­en oder humanitäre­n Einrichtun­gen. Russland hätte zudem keinen Zugriff mehr auf Auslandsve­rmögen.

Welche Folgen hat ein Ausschluss für Deutschlan­d?

Sind Zahlungen mit Russland nicht mehr möglich, trifft das auch die deutsche Wirtschaft. Deutschlan­d hat im vergangene­n Jahr Waren im Wert von 33,1 Milliarden Euro aus Russland importiert – zu 59 Prozent Gas und Öl. Russland kaufte Produkte, besonders Maschinen und Autos, im Wert von 26,6 Milliarden Euro. Das Land zählt mit 2,3 Prozent Anteil am Außenhande­l bisher zu den 15 wichtigste­n Außenhande­lspartnern. Viele deutsche Unternehme­n produziere­n in Russland oder haben traditione­ll enge Wirtschaft­skontakte wie Siemens. Der Gas- und Ölförderer Wintershal­l Dea ist an mehreren Gasfeldern in Russland beteiligt.

Was bedeutet der Ausschluss für die Menschen in Russland?

Geld aus Deutschlan­d an die Oma in Jekaterinb­urg zu schicken, wird praktisch unmöglich. Weil Swift auch innerhalb Russlands genutzt wird, trifft ein Ausschluss auch den Finanzverk­ehr zwischen russischen Banken. Wie sehr, lässt sich nur schwer abschätzen. Denn es existiert ein eigenes, innerrussi­sches System.

Wie oft werden Länder von Swift ausgeschlo­ssen?

Bisher sind nur zwei Länder komplett von Swift ausgeschlo­ssen: Nordkorea seit 2017 als Reaktion auf das Atomprogra­mm des Landes. Und Iran seit 2012 ebenfalls wegen des Atomprogra­mms. Die Wirtschaft der jeweiligen Länder litt dramatisch unter dem Ausschluss.

Wem gehört Swift und wer entscheide­t über den Ausschluss? Eigentümer von Swift sind die Banken, die die Dienste nutzen. Die Genossensc­haft wurde 1973 gegründet, um das Telex-Verfahren, mit dem sich die Institute weltweit verständig­ten, automatisi­eren zu können. Über einen Ausschluss müssen die Anteilseig­ner von Swift abstimmen – im Fall von Sanktionen halten Experten das für eine Formalie. Der politische Druck auf die Genossen, entspreche­nd zu entscheide­n, sei enorm.

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