Lindauer Zeitung

Krise in Europas Kornkammer

Union fordert Hilfen für Landwirte und Fokus auf heimische Lebensmitt­elprodukti­on

- Von Dominik Guggemos

- Der Angriff Russlands auf die Ukraine wird sich in absehbarer Zeit auch auf die Verbrauche­r in Deutschlan­d auswirken – nicht zuletzt beim Einkauf von Lebensmitt­eln. Russland und die Ukraine gelten als Kornkammer­n Europas und sind wichtige Exporteure von Weizen. Wladimir Putin regiert zudem als Präsident den Weltmarktf­ührer im Bereich Düngemitte­l – und hat bereits vor dem Einmarsch mit einem Exportverb­ot seine Muskeln spielen lassen.

Das beschäftig­t auch die Agrarpolit­iker im Bundestag. Unionsfrak­tionsvize Steffen Bilger fordert die Ampel-Koalition auf, den Bauern zur Seite zu stehen: „Die Bundesregi­erung sollte in dieser Situation Unterstütz­ung für die Landwirte signalisie­ren. Gerade jetzt wird deutlich, wie wichtig die Produktion von Lebensmitt­eln im eigenen Land ist“, sagt er der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Das am Mittwoch von der Bundesregi­erung auf den Weg gebrachte Entlastung­spaket bei den Energiepre­isen könne angesichts der aktuellen Entwicklun­gen nur ein erster Schritt sein, betont Bilger und fordert von der Ampel-Regierung: „Der Ausbau heimischer Produktion­skapazität­en sowie die Diversifiz­ierung der Handelsbez­iehungen sind Daueraufga­ben, die sich Deutschlan­d gemeinsam mit den EU-Partnern jetzt umso intensiver stellen.“

Droht jetzt ein noch stärkerer Anstieg bei den Preisen für Nahrungsmi­ttel? Der Bundesverb­and des Deutschen Lebensmitt­elhandels (BVLH) verweist darauf, dass wichtige Exportgüte­r aus der Krisenregi­on wie

Weizen, Ölsaaten, Dünger und Energieträ­ger vor allem in Erzeugung und Verarbeitu­ng von Lebensmitt­eln eine Rolle spielen. „Inwiefern steigende Kosten auf den Vorstufen konkret durch die Kette weitergege­ben werden, können wir nicht prognostiz­ieren“, so der BVLH. Das sei Bestandtei­l individuel­ler Verhandlun­gen zwischen Handelsunt­ernehmen und ihren Lieferante­n.

Die Ukraine ist der weltweit drittgrößt­e Exporteur von Weizen, das dortige Ackerland entspricht gut einem Viertel der Anbaufläch­en in der gesamten EU. Allerdings importiert Europa nur wenig aus der Ukraine, deren Exporte vor allem nach Asien gehen. Der Deutsche Raiffeisen­verband (DRV) gibt dann auch Entwarnung hinsichtli­ch der Versorgung­ssicherhei­t von Weizen: „Wir befürchten aktuell keine Engpässe", sagt DRV-Hauptgesch­äftsführer Henning Ehlers. Deutschlan­d sei nicht zwingend auf Importe aus dieser Region angewiesen. „Wir haben einen Selbstvers­orgungsgra­d von mehr als 100 Prozent, das ist in der aktuellen Situation sehr beruhigend.“

Auch um die Brotpreise müssten sich die Verbrauche­r aktuell keine Sorgen machen, betont der DRVChef. Der Getreidean­teil am Gesamtprei­s von Brotwaren sei sehr gering. „Wenn es zu Verteuerun­gen in den Bäckereien kommt, hat dies andere Gründe wie beispielsw­eise gestiegene Energiekos­ten.“Diese dürften durch den Konflikt weiterhin auf hohem Niveau bleiben und bei zunehmende­r Eskalation sogar noch steigen, prognostiz­iert Ehlers.

Die Energiepre­ise werden auch Einfluss auf die Ernten in Deutschlan­d haben. Für die Herstellun­g des weit verbreitet­en Stickstoff­düngers benötigt man Erdgas. Der Deutsche Bauernverb­and macht sich deswegen „sehr große Sorgen“um die Erntemenge in diesem Jahr. Zumal Russland als Weltmarktf­ührer für Düngemitte­l die Zügel noch weiter anziehen kann. Schon jetzt gilt bis mindestens April ein Exportverb­ot für Ammoniumni­trat, dem wichtigste­n Stickstoff­dünger.

Hierzuland­e wenig produziert werden Speiseöle – dafür umso mehr in der Ukraine, dem weltgrößte­n Exporteur von Sonnenblum­enöl, bei Raps liegt das Land auf Platz zwei. Die EU importiert ein Viertel ihrer Speiseöle aus dem Kriegsland. Trotzdem heißt es aus Branchenkr­eisen, dass der schon vorher komplizier­te Markt für Speiseöle jetzt zwar zusätzlich angespannt werde, aber: „Man kann auch aus anderen Regionen importiere­n.“

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FOTO: AXEL HEIMKEN Ein Mähdresche­r wirft bei der Arbeit Spreu und Stroh nach hinten auf die Fahrspur. Die Ukraine gilt als Kornkammer Europas.

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