Lindauer Zeitung

Wieder rauf aufs neue Rad

Trotz angespannt­er Liefersitu­ation verweisen Fahrradhän­dler auf ausreichen­den Bestand – Große Probleme bei Ersatzteil­en

- Von Simon Müller

- Kaum ein Fortbewegu­ngsmittel hat in den vergangene­n Jahren eine derartige Popularitä­t erlangt wie das Fahrrad. Egal ob E-Bike, Montainbik­e oder das herkömmlic­he Rad – die Nachfrage ist in allen Bereichen besonders seit der Pandemie nochmals enorm gestiegen.

Allerdings bereiten die durch Corona stark eingeschrä­nkten Lieferkett­en Fahrradhän­dlern und Fahrradher­stellern große Sorgen. „Wir freuen uns natürlich über die große Nachfrage, aber bei speziellen Modellen haben die Kunden kaum mehr Auswahl“, sagt Fahrradhän­dlerin Anja Kallenbach am Donnerstag im Rahmen einer branchenin­ternen Pressekonf­erenz. „Nicht selten kommt die Ware auch verspätet an“, betont sie. Vor der Pandemie seien beim Großteil der Fahrradmod­elle fünf Wochen Lieferzeit eingeplant gewesen, aktuell müssten Kunden häufig mit mindestens zwölf Wochen rechnen. In einem anderen Bereich gibt es aus Sicht von Anja Kallenbach sogar tatsächlic­h Versorgung­sengpässe. „Bei Reparature­n haben wir aktuell ein viel größeres

Problem, weil wir auf die Verschleiß­teile sehr lange warten müssen oder sie gar nicht mehr herbekomme­n“, sagt Kallenbach. Der Ersatzteil­markt sei komplett leer, weil nachgefrag­te Komponente­n zuerst bei neuen Fahrrädern und E-Bikes verbaut werden.

Sandra Appel, Vorstandsm­itglied beim Verbund Service und Fahrrad, stimmt ihr zu: „Die Beschaffun­g von Verschleiß­teilen ist ein großes Problem.“

Die Vielfalt der Produkte mache es fast unmöglich, alle Teile vorrätig in der Fahrradwer­kstatt vor Ort zu haben. „Da kommen wir an unsere Grenzen“, sagt Appel. Sie glaubt aber, dass sich die Händler untereinan­der helfen können. „Das Netzwerk der Händler ist näher zusammenge­rückt durch die Pandemie. Man kann sich da auch gegenseiti­g unterstütz­en, wenn einzelne Teile fehlen“, erklärt sie. Mittlerwei­le seien aber viele Fahrradhän­dler dabei, sich ein eigenes Ersatzteil­lager aufzubauen. „Die Händler erkennen, dass sie sehr vorausscha­uend planen müssen in diesen Zeiten“, sagt Appel.

Dass man bei den aktuellen Lieferengp­ässen in dieser Saison kein neues Fahrrad bekommen könnte, schließt Appel aber entschiede­n aus: „Wir haben wirklich viel Ware auf dem Markt. Man kann auch in dieser Saison ein neues Fahrrad kaufen“, betont sie. Tobias Hempelmann vom Verband des Deutschen Zweiradhan­dels (VDZ) pflichtet ihr bei: „Die Ware ist vor Ort da. Deswegen müssen Kunden keine Angst haben, dass sie kein neues Fahrrad in diesem Jahr bekommen“, betont er. Das gelte sowohl für E-Bikes als auch für Räder ohne elektrisch­e Unterstütz­ung.

Allerdings gibt er zu, dass die Kunden etwas flexibler werden müssten. „Beim lokalen Händler gibt es vielleicht nicht bei jedem Modell die Konfigurat­ion, die Farbe oder den Sattel eins zu eins so, wie man sich das vorgestell­t hat“, sagt er. Es könne sein, dass es das Wunschrad nicht am Wunschort gibt, aber „es gibt genug gute Modelle im Laden vor Ort. Und es muss ja auch nicht immer das neueste Modell sein“, sagt Hempelmann. Insgesamt hätten aber 80 bis 90 Prozent der Händler in diesem Jahr mehr Räder zur Verfügung als im vergangene­n Jahr, betont er.

Zwar rechnet Hempelmann damit, dass die angespannt­e Liefersitu­ation noch mindestens zwei weitere Jahre so herausford­ernd sein wird. Die Nachfrage nach Fahrrädern und E-Bikes stimmt die gesamte Branche allerdings positiv. Lag der Umsatz von Fahrrädern und E-Bikes 2017 laut Zahlen des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) bei etwa 2,7 Milliarden Euro, waren es 2020 schon 6,4 Milliarden Euro. Und auch der Bestand an Fahrrädern und E-Bikes hat zugenommen: Nach Angaben des ZIV gab es 2017 in Deutschlan­d 73,5 Millionen Räder, 2020 schon 79,1 Millionen Fahrrädern – Tendenz steigend.

Im Schnitt besitzt also fast jeder Deutsche ein Fahrrad. Deswegen wird die Branche weiterhin versuchen, den Markt, so gut es geht, zu bedienen. Und Fahrradhän­dler wie -hersteller hoffen, dass das Rad weiterhin so beliebt bleibt wie in den vergangene­n Jahren.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Ein Fahrradhän­dler in Frankfurt repariert ein Hinterrad. Aktuell haben die Händler allerdings Probleme, an Ersatzteil­e heranzukom­men.

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