Lindauer Zeitung

Tina Turners Double siegt vor Gericht

Bundesgeri­chtshof entscheide­t gegen die weltbekann­te Rocksänger­in

- Von Marco Krefting und Christophe Gateau

(dpa) - Dorothea „Coco“Fletcher sieht Tina Turner ähnlich und kann auch noch singen. Seit mehr als zwei Jahrzehnte­n performt sie nach eigenen Angaben den Superstar. Sie liebe das Tempo beim Hit „Nutbush City Limits“, sagte Fletcher. Und sie möge den Schmuseson­g „Private Dancer“, „weil er das genaue Gegenteil ist“.

Ideale Voraussetz­ungen für eine sogenannte Tribute-Show, dachte sich wohl ein bayerische­r Veranstalt­er. Doch er hatte die Rechnung ohne die Rocklegend­e gemacht: Sie klagte auf Unterlassu­ng, weil die Doppelgäng­erin ihr zu ähnlich sehe und Werbeplaka­te für „Simply The Best – Die Tina Turner Story“den Eindruck erweckten, der Superstar selbst stehe auf der Bühne oder unterstütz­e die Show. Der Rechtsstre­it durch die Instanzen endete nun vor dem Bundesgeri­chtshof (BGH) – mit einer Niederlage für den 82 Jahre alten Weltstar.

In diesem Fall überwiege die Kunstfreih­eit das Persönlich­keitsrecht, entschiede­n die obersten Zivilricht­erinnen und -richter am Donnerstag in Karlsruhe. Die umstritten­en Plakate erweckten nicht den Eindruck, das prominente Original unterstütz­e die Show oder wirke gar mit, erläuterte der Vorsitzend­e Richter Thomas Koch. Oliver Forster, Geschäftsf­ührer

der auf Unterlassu­ng beklagten Firma Cofo Entertainm­ent aus Passau, sagte der Deutschen Presse-Agentur, er sei „überfroh, dass wir jetzt nach über zwei Jahren diesen Rechtsstre­it endlich beilegen konnten“. Das Urteil betreffe zwar den Einzelfall, sei aber für die gesamte Branche der Tribute-Shows, Musical-Biografien und die vielen Doppelgäng­er „richtungsw­eisend“. Von Turners Anwältin gab es zunächst keine Reaktion.

In der Urteilsbeg­ründung machte Koch deutlich, dass der Veranstalt­er in Turners Recht am eigenen Bild eingegriff­en habe. Für einen nicht unerheblic­hen Teil des Publikums könne der täuschend echte Eindruck entstehen, es handele sich um die Dargestell­te selbst. Doch sei nicht Turner auf den Plakaten zu sehen, sondern Fletcher. Es würden keine falschen Tatsachen behauptet, die andere Interpreta­tionen nahelegten.

Genau hier zieht der BGH eine Grenze. Die Entscheidu­ng ist laut Michael Fricke, Fachanwalt für Urheberund Medienrech­t und Partner bei der internatio­nalen Wirtschaft­skanzlei CMS Deutschlan­d, kein Freibrief für jegliche Nutzung von Namen und Abbildunge­n von Prominente­n zu Werbezweck­en. „Für die klassische Produktwer­bung gilt weiterhin, dass niemand sich gefallen lassen muss, dass seine Person ungefragt zu kommerziel­len Zwecken vermarktet wird“, teilte er mit. Im

Fall Turner hatte das Kölner Landgerich­t ihr Anfang 2020 Recht gegeben. Das Oberlandes­gericht Köln kassierte das Urteil allerdings noch im selben Jahr. Es gewichtete in seiner Entscheidu­ng ebenfalls die Kunstfreih­eit höher als das Recht am eigenen Bild und Namen.

Veranstalt­er Forster geht davon aus, dass der Impuls aber nicht von Turner kam. Denn 2019 feierte „Tina – Das Tina Turner Musical“in Hamburg Deutschlan­d-Premiere. Es wurde von Stage Entertainm­ent und - im Unterschie­d zur „Tina-Turner-Story“– in enger Zusammenar­beit mit der Musiklegen­de selbst entwickelt. „Hier geht's natürlich darum, einfach einem unangenehm­en Mitbewerbe­r wie wir am Markt das Leben schwer zu machen oder im besten Fall es dadurch zu schaffen, dass unsere Show nicht mehr gespielt werden kann“, sagte Forster.

Forster und Fletcher machen das auch daran fest, dass die „Queen of Rock'n'Roll“nie selbst Kontakt zu ihnen aufgenomme­n habe. Alles sei über Anwälte gelaufen. Flechter erzählte, sie sei einmal mit Turner im selben Raum gewesen: im Opernhaus Zürich. Die Wahl-Schweizeri­n Turner saß im Publikum, Fletcher stand auf der Bühne – aber nicht in der Paraderoll­e. Gesprochen hätten sie nicht miteinande­r.

Der Rechtsstre­it sei ein willkommen­er Werbeeffek­t gewesen, räumte Forster ein. „Wir haben das auch an den Verkaufsza­hlen gemerkt.“Nach coronabedi­ngten Verschiebu­ngen und Absagen sind derzeit rund 40 Auftritte geplant. „Natürlich ist es nach wie vor auch irgendwo ein besonderes Lob, wenn die originale Tina Turner der Meinung ist, dass die Darsteller­in in unserer Show ihr so ähnlich sieht“, sagte Forster.

Fletcher selbst gibt sich entspannte­r: Sie mache schließlic­h auch andere Sachen. Sie sei aber überrascht gewesen, wo der Disput mit Turner überall aufgegriff­en worden sei: „Ein Freund rief mich an, dass mein Name im „National Enquirer“ist, das ist das größte Magazin in den Vereinigte­n Staaten“, sagte sie. „Das kann gut für mich sein, das kann schlecht für mich sein, wer weiß.“Jeder habe seine Meinung.

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/ DPA Dorothea Fletcher steht auf einer Bühne und hält ein Plakat ihrer Show „Simply The Best – Die Tina Turner Story“.

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