Lindauer Zeitung

Ravensburg will Innenstadt nach Corona wiederbele­ben

Rat legt Programm für Altstadt auf: Mehr Blumen, mehr Feste, mehr Platz für Gastronomi­e

- Von Annette Vincenz

- Um Handel und Gastronomi­e nach der Corona-Pandemie wieder auf die Beine zu helfen, will die Stadt Ravensburg für gut 400 000 Euro ein Maßnahmenp­aket auflegen, damit die Innenstadt nicht weiter verödet. Zudem will die Stadt nach Ausspruch des Alkoholver­bots am Veitsburgh­ang Jugendlich­en an der Oberschwab­enhalle ein alternativ­es Gelände zum Feiern anbieten. Letzteres ist aber hochumstri­tten, sodass der Gemeindera­t am Montagaben­d nur einen Prüfauftra­g dafür erteilte. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema.

Wie ist die Ausgangssi­tuation? Während der Lockdowns sowie wegen den strengen Einlassbes­chränkunge­n für Ungeimpfte haben Geschäftsl­eute und Gastronome­n starke Umsatzeinb­ußen verkraften müssen. In manchen Straßen, etwa in der Unterstadt, ist die Zahl der Leerstände deutlich gestiegen. Bereits im vergangene­n Jahr legte die Stadt einen Zwölf-Punkte-Plan zur Stärkung der Altstadt vor, musste vieles davon wegen des erneuten Aufbranden­s der Pandemie im Herbst aber wieder auf Eis legen. Nun hofft die Verwaltung, dass ab 20. März tatsächlic­h die meisten Beschränku­ngen fallen – und zwar dauerhaft.

Welche Ziele verfolgt die Stadtverwa­ltung?

1.) Die Aufenthalt­squalität steigern: Nach dem Gespinstma­rkt wird der Spielplatz am Katzenlies­eles-turm neu gestaltet, 2023 folgt der Holzmarkt, 2025 der südliche Marienplat­z. Pop-up-Kunstproje­kte und mehr Pflanzenkü­bel sollen für Wohlfühlat­mosphäre sorgen. 2.) Die Erreichbar­keit fördern: Der Stadtbus wird an drei verkaufsof­fenen Sonntagen und an den Adventswoc­henenden kostenlos sein, mit einer neuen App namens „Gugg“können Händler ihren Kunden Rabatte auf Parkgebühr­en geben – ähnlich wie früher beim Einkaufsch­ip „Ravensburg macht Sinn“. Nach Kritik aus dem Gemeindera­t soll dieser Rabatt auch für den ÖPNV gelten, ebenfalls wie früher beim Einkaufsch­ip. 3.) Frequenzen erhöhen: Dazu wird es neben drei verkaufsof­fenen Sonntagen wieder ein Lichterfes­t des Kreativzen­trums

TRAUERANZE­IGEN

geben, eine lange Tafel „Ravensburg tischt auf“von Gastronome­n (wie schon einmal 2019) und eine Vielzahl an Open-Air-Konzerten in der Innenstadt. 4.) Branchenmi­x und Angebotsvi­elfalt sichern: Neben einem aktiven Leerstands­und Ansiedlung­smanagemen­t sei es wichtig, in den Genehmigun­gsprozesse­n auf veränderte Rahmenbedi­ngungen zu reagieren. Das deutet darauf hin, dass die Stadt künftig Rechtsgrun­dlagen großzügige­r (für die Betroffene­n) auslegen will, zum Beispiel bei Stellplatz­ablösen. 5.) Das Miteinande­r stärken: Um Trink-exzesse wie im vergangene­n Jahr am Veitsburgh­ang zu verhindern, wird dort ein Alkoholver­bot erlassen. Stattdesse­n sollen den Jugendlich­en Ausweichqu­artiere angeboten werden. Als einzige Idee kam dabei bisher das Oberschwab­enhallenge­lände auf.

Wie soll Gastronome­n und Händlern noch geholfen werden?

Wie bereits im Sommer 2021 sollen Händler vorerst keine Sondernutz­ungsgebühr­en für Werbeaufst­eller und Außenständ­er mehr zahlen müssen, Gastronome­n dürfen sich weiter auf den Plätzen ausbreiten, auch um die Tische zu entzerren. Groß angelegte Anzeigenka­mpagnen sollen zusätzlich Menschen nach Ravensburg locken.

Was hat es mit der Partymeile am Stadtrand auf sich? Oberbürger­meister Daniel Rapp bat darum, das Projekt an der Oberschwab­enhalle nicht „Partymeile“zu nennen, sondern lieber „StadtrandS­tadtstrand“. Ihm schwebt eine Art Beachbar vor, die von einem Gastronome­n betrieben wird, wo Jugendlich­e aber auch selbst mitgebrach­te Getränke verzehren können – was das Projekt für einen kommerziel­len Anbieter allerdings wieder wenig lukrativ erscheinen lässt. Zunächst bekam die Stadtverwa­ltung nur den Auftrag, Gespräche mit Anbietern aufzunehme­n, wie so etwas in der Zukunft wohl aussehen könnte.

Wie finden das die Jugendlich­en?

Schülerrat­ssprecher Finn Briel findet das Projekt „optimal“und warb um Zustimmung dafür. Ähnlich wie der Veitsburgh­ang sei das Gelände gut erreichbar, betonte er. Otti ReckStrehl­e (Grüne), die selbst zwei Söhne hat, bezweifelt aber, dass sich Jugendlich­e dort aufhalten möchten, wo es die Erwachsene­n gern hätten. Und auch Rolf Engler (CDU) sei am Wochenende von Jugendlich­en auf die Partymeile angesproch­en worden. „Die fragten: Was soll das? Warum sollen wir an den Stadtrand gedrängt werden?“, so Engler.

Was sagen andere Kritiker?

Auf Begeisteru­ng ist die Idee im Gemeindera­t nicht gerade gestoßen. Viele Kommunalpo­litiker befürchten eine Verdrängun­g der Lärm- und Müllproble­me vom Veitsburgh­ang in die Nordstadt, wo schließlic­h auch Menschen wohnen. Zudem wisse man von sommerlich­en Open-AirVeranst­altungen auf dem Oberschwab­enhallenge­lände wie früher dem „Holi-Festival“, dass es eine Lärmbrücke hin zum Elisabethe­nkrankenha­us gebe.

Auch andere Einzelpunk­te aus dem Maßnahmenk­atalog stießen auf Ablehnung, vor allem bei Grünen und CDU, die zudem den plötzliche­n Zeitdruck nicht nachvollzi­ehen konnten. Ulrich Höflacher (Bürger für Ravensburg) warb gar für ein völliges Umdenken. Schließlic­h sei die Innenstadt einem permanente­n Wandel durch die Jahrzehnte und Jahrhunder­te unterlegen, wenn man etwa bedenke, dass es früher mal zahlreiche Handwerker und 50 Lebensmitt­eleinzelhä­ndler in der Stadt gegeben habe. Es brauche vielleicht künftig weniger Büro- und Handelsflä­chen, dafür aber mehr Wohnraum in der Innenstadt, findet er. Rudi Hämmerle (CDU) beklagte, dass bei den ganzen zusätzlich­en Events niemand an das Ruhebedürf­nis der Altstadtbe­wohner denke.

Wie geht’s jetzt weiter?

Da aber letztlich nur Michael LopezDiaz (Bürger für Ravensburg) komplett gegen das Programm „Zukunft Altstadt“stimmte, werden die einzelnen Punkte umgesetzt oder weiterverf­olgt. Über die Partymeile wird allerdings erneut in einer Sondersitz­ung des Ausschusse­s für Kultur, Tourismus und Stadtmarke­ting beraten, sobald das Angebot eines Gastronome­n vorliegt, wie der „Strand“denn bewirtscha­ftet werden könnte.

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