Ravensburg will Innenstadt nach Corona wiederbeleben
Rat legt Programm für Altstadt auf: Mehr Blumen, mehr Feste, mehr Platz für Gastronomie
- Um Handel und Gastronomie nach der Corona-Pandemie wieder auf die Beine zu helfen, will die Stadt Ravensburg für gut 400 000 Euro ein Maßnahmenpaket auflegen, damit die Innenstadt nicht weiter verödet. Zudem will die Stadt nach Ausspruch des Alkoholverbots am Veitsburghang Jugendlichen an der Oberschwabenhalle ein alternatives Gelände zum Feiern anbieten. Letzteres ist aber hochumstritten, sodass der Gemeinderat am Montagabend nur einen Prüfauftrag dafür erteilte. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Wie ist die Ausgangssituation? Während der Lockdowns sowie wegen den strengen Einlassbeschränkungen für Ungeimpfte haben Geschäftsleute und Gastronomen starke Umsatzeinbußen verkraften müssen. In manchen Straßen, etwa in der Unterstadt, ist die Zahl der Leerstände deutlich gestiegen. Bereits im vergangenen Jahr legte die Stadt einen Zwölf-Punkte-Plan zur Stärkung der Altstadt vor, musste vieles davon wegen des erneuten Aufbrandens der Pandemie im Herbst aber wieder auf Eis legen. Nun hofft die Verwaltung, dass ab 20. März tatsächlich die meisten Beschränkungen fallen – und zwar dauerhaft.
Welche Ziele verfolgt die Stadtverwaltung?
1.) Die Aufenthaltsqualität steigern: Nach dem Gespinstmarkt wird der Spielplatz am Katzenlieseles-turm neu gestaltet, 2023 folgt der Holzmarkt, 2025 der südliche Marienplatz. Pop-up-Kunstprojekte und mehr Pflanzenkübel sollen für Wohlfühlatmosphäre sorgen. 2.) Die Erreichbarkeit fördern: Der Stadtbus wird an drei verkaufsoffenen Sonntagen und an den Adventswochenenden kostenlos sein, mit einer neuen App namens „Gugg“können Händler ihren Kunden Rabatte auf Parkgebühren geben – ähnlich wie früher beim Einkaufschip „Ravensburg macht Sinn“. Nach Kritik aus dem Gemeinderat soll dieser Rabatt auch für den ÖPNV gelten, ebenfalls wie früher beim Einkaufschip. 3.) Frequenzen erhöhen: Dazu wird es neben drei verkaufsoffenen Sonntagen wieder ein Lichterfest des Kreativzentrums
TRAUERANZEIGEN
geben, eine lange Tafel „Ravensburg tischt auf“von Gastronomen (wie schon einmal 2019) und eine Vielzahl an Open-Air-Konzerten in der Innenstadt. 4.) Branchenmix und Angebotsvielfalt sichern: Neben einem aktiven Leerstandsund Ansiedlungsmanagement sei es wichtig, in den Genehmigungsprozessen auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Das deutet darauf hin, dass die Stadt künftig Rechtsgrundlagen großzügiger (für die Betroffenen) auslegen will, zum Beispiel bei Stellplatzablösen. 5.) Das Miteinander stärken: Um Trink-exzesse wie im vergangenen Jahr am Veitsburghang zu verhindern, wird dort ein Alkoholverbot erlassen. Stattdessen sollen den Jugendlichen Ausweichquartiere angeboten werden. Als einzige Idee kam dabei bisher das Oberschwabenhallengelände auf.
Wie soll Gastronomen und Händlern noch geholfen werden?
Wie bereits im Sommer 2021 sollen Händler vorerst keine Sondernutzungsgebühren für Werbeaufsteller und Außenständer mehr zahlen müssen, Gastronomen dürfen sich weiter auf den Plätzen ausbreiten, auch um die Tische zu entzerren. Groß angelegte Anzeigenkampagnen sollen zusätzlich Menschen nach Ravensburg locken.
Was hat es mit der Partymeile am Stadtrand auf sich? Oberbürgermeister Daniel Rapp bat darum, das Projekt an der Oberschwabenhalle nicht „Partymeile“zu nennen, sondern lieber „StadtrandStadtstrand“. Ihm schwebt eine Art Beachbar vor, die von einem Gastronomen betrieben wird, wo Jugendliche aber auch selbst mitgebrachte Getränke verzehren können – was das Projekt für einen kommerziellen Anbieter allerdings wieder wenig lukrativ erscheinen lässt. Zunächst bekam die Stadtverwaltung nur den Auftrag, Gespräche mit Anbietern aufzunehmen, wie so etwas in der Zukunft wohl aussehen könnte.
Wie finden das die Jugendlichen?
Schülerratssprecher Finn Briel findet das Projekt „optimal“und warb um Zustimmung dafür. Ähnlich wie der Veitsburghang sei das Gelände gut erreichbar, betonte er. Otti ReckStrehle (Grüne), die selbst zwei Söhne hat, bezweifelt aber, dass sich Jugendliche dort aufhalten möchten, wo es die Erwachsenen gern hätten. Und auch Rolf Engler (CDU) sei am Wochenende von Jugendlichen auf die Partymeile angesprochen worden. „Die fragten: Was soll das? Warum sollen wir an den Stadtrand gedrängt werden?“, so Engler.
Was sagen andere Kritiker?
Auf Begeisterung ist die Idee im Gemeinderat nicht gerade gestoßen. Viele Kommunalpolitiker befürchten eine Verdrängung der Lärm- und Müllprobleme vom Veitsburghang in die Nordstadt, wo schließlich auch Menschen wohnen. Zudem wisse man von sommerlichen Open-AirVeranstaltungen auf dem Oberschwabenhallengelände wie früher dem „Holi-Festival“, dass es eine Lärmbrücke hin zum Elisabethenkrankenhaus gebe.
Auch andere Einzelpunkte aus dem Maßnahmenkatalog stießen auf Ablehnung, vor allem bei Grünen und CDU, die zudem den plötzlichen Zeitdruck nicht nachvollziehen konnten. Ulrich Höflacher (Bürger für Ravensburg) warb gar für ein völliges Umdenken. Schließlich sei die Innenstadt einem permanenten Wandel durch die Jahrzehnte und Jahrhunderte unterlegen, wenn man etwa bedenke, dass es früher mal zahlreiche Handwerker und 50 Lebensmitteleinzelhändler in der Stadt gegeben habe. Es brauche vielleicht künftig weniger Büro- und Handelsflächen, dafür aber mehr Wohnraum in der Innenstadt, findet er. Rudi Hämmerle (CDU) beklagte, dass bei den ganzen zusätzlichen Events niemand an das Ruhebedürfnis der Altstadtbewohner denke.
Wie geht’s jetzt weiter?
Da aber letztlich nur Michael LopezDiaz (Bürger für Ravensburg) komplett gegen das Programm „Zukunft Altstadt“stimmte, werden die einzelnen Punkte umgesetzt oder weiterverfolgt. Über die Partymeile wird allerdings erneut in einer Sondersitzung des Ausschusses für Kultur, Tourismus und Stadtmarketing beraten, sobald das Angebot eines Gastronomen vorliegt, wie der „Strand“denn bewirtschaftet werden könnte.