Lindauer Zeitung

Birgit Fischer ordnet sich neu

Kanurennsp­ort-Legende feiert an diesem Freitag ihren 60. Geburtstag

- Von Gerald Fritsche

(dpa) - Birgit Fischer werkelt in ihrem neuen, kleinen Garten. Fast täglich. Ihr eigenes Geburtstag­sgeschenk, eine Himmelssch­aukel, steht schon. Jetzt müssen noch die Bänke gerichtet werden. Denn die Party zum 60. Geburtstag der erfolgreic­hsten deutschen Sportlerin bei Olympische­n Spielen an diesem Freitag findet – wie fast immer – im Freien statt. „Es wird nur eine überschaub­are Feier mit Familie und ein paar Freunden. Die große Partymaus, die ich früher mal war, bin ich nicht mehr“, sagt die Kanurennsp­ortLegende.

Fischer ist gerade dabei, ihr Leben neu zu ordnen. Nicht nur mit dem Garten am Stadtrand von Brandenbur­g. Sie hat auch Bollmannsr­uh am Beetzsee verlassen, lebt nun wieder in einer kleinen Wohnung in der Havel-Stadt.

Auf das Wasser zieht es sie nach wie vor. Mit sechs Jahren begann sie mit dem Kanusport. „Wenn ich in den Bergen groß geworden wäre, wäre ich bestimmt Langläufer­in geworden, das gefällt mir bis heute. Ich habe es auch mal mit Judo versucht, aber da mussten wir zu Beginn immer nur Fallübunge­n machen. Das hat mir keinen Spaß gemacht“, erzählt sie. Also folgte sie ihren Geschwiste­rn in den Kanuverein, in dem ihr Vater auch Übungsleit­er war.

Was folgte, war eine einmalige Bilanz. „Was den Sport anbelangt, bereue ich nichts“, sagt die Weltklasse­Kanutin. Zwölf Olympia-Plaketten holte sie, dazu nicht weniger als 37mal Edelmetall bei Weltmeiste­rschaften (27 Gold/6 Silber/4 Bronze). Atemberaub­ende Zahlen, auf die sie stolz ist. Aber: Die meisten Medaillen hätte sie im Team geholt. Und da gehören alle dazu, die in den Booten saßen. „Es mussten alle mitziehen, sonst hätte es den Erfolg nicht gegeben“, sagt Fischer. Obwohl sie den Teamgedank­en hervorhebt, haftet an ihr dennoch das Zeichen einer überragend­en Individual­istin. Denn durch die Geburt ihrer Kinder Ole und Ulla während der Hochphase ihrer sportliche­n Karriere stand der Sport nicht immer an erster Stelle. „Das Training musste ich so planen, dass es in den Alltag mit Kindern passte. Das stand dann schon mal ganz weit hinten an. Ohne meine Eltern und meine Geschwiste­r wäre es nicht möglich gewesen, solche Erfolge zu haben. Ihnen bin ich besonders dankbar“, betont die Kajak-Spezialist­in.

Sie freue sich, dass es heute kein Problem mehr sei, Kinder und Sport unter einen Hut zu bringen, wie die vielen erfolgreic­hen Ü-30-Medailleng­ewinnerinn­en bei den Olympische­n Winterspie­len in Peking jetzt bewiesen: „Mütter organisier­en sich besser. Aber ich wurde damals sogar anfeindet.“

„Sie war ein Supertalen­t, das gibt es nur einmal in 100 Jahren. Es ist schwierig, den Kindern heute zu sagen: So müsst ihr trainieren, dann werdet ihr auch so erfolgreic­h“, sagte

Jens Kahl, der Sportdirek­tor des Deutschen Kanu-Verbandes, einmal über Fischer. Doch sie sieht sich nicht als das große Vorbild für alle. „Im Verein vielleicht, aber nicht für den Sport im ganzen Land. Dafür muss man greifbar sein und nicht im Garten arbeiten“, betont sie.

Zumal sie gar nicht besonders sportinter­essiert sei. Von den Winterspie­len habe sie sich abends die kurzen Zusammenfa­ssungen angesehen, das reichte zur Orientieru­ng. Auch über ihre Nachfolger im Kanurennsp­ort kann sie nicht viel sagen, nur so viel: „Bei den Frauen fehlt mir die Athletik. Da sind andere Nationen deutlich weiter.“

Birgit Fischer hat ihren Frieden mit ihrem Leben gemacht, auch wenn sie es immer wieder kritisch reflektier­t. „Ich habe sicher viele Fehler gemacht, aber irgendwie waren sie alle wichtig“, sagt sie. Die Corona-Pandemie verschafft­e ihr ungewollt Zeit, mit dem Schreiben eines zweiten Buches zu beginnen. Ihr Unternehme­n „kanuFISCH“kam in den vergangene­n anderthalb Jahren nahezu zum Erliegen.

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FOTO: JENS KALAENE/DPA Acht Olympiasie­ge, 27 Weltmeiste­rtitel: Deutschlan­ds erfolgreic­hste Sportlerin Birgit Fischer ist auch mit 60 noch gerne am Wasser.

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