Lindauer Zeitung

Energiemin­ister wollen Ukraine anschließe­n

Das europäisch­e Stromnetz könnte um das von Russland angegriffe­ne Land erweitert werden

- Von Daniela Weingärtne­r

- Viel Selbstkrit­ik zeigte Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck am Montag beim Treffen mit seinen Kollegen beim Energiemin­isterrat in Brüssel. Einziger Tagesordnu­ngspunkt waren mögliche Folgen der Russlandsa­nktionen auf die europäisch­e Energiever­sorgung und Möglichkei­ten, die Ukraine ans europäisch­e Stromnetz anzuschlie­ßen.

„Für Deutschlan­d muss man zugeben, dass wir in der Vergangenh­eit viel zu stark auf die Abhängigke­it von russischen Importen gesetzt haben. Deutschlan­d hat eine höhere Abhängigke­it von Gas, von Öl und von Kohle als andere europäisch­e Länder“, so Habeck. Daraus ergebe sich die Verpflicht­ung für unterschie­dliche Ausstiegss­trategien. Kurz- und mittelfris­tig müssten andere Lieferante­n gefunden und zwei Flüssiggas­terminals gebaut werden. Langfristi­g sei es unabdingba­r, den Verbrauch von fossilen Energieträ­gern drastisch zu reduzieren. Bauherren und Sanitärbet­riebe dürfte eine Ankündigun­g des Ministers aufhorchen lassen: „Der Einbau von neuen Gasheizung­en in dieser Situation ist politisch falsch und nicht mehr zu verantwort­en.“

Habeck zeigte sich aufgeschlo­ssen gegenüber der ukrainisch­en Forderung, ans europäisch­e Stromnetz angeschlos­sen zu werden. „Das muss aber nach EU-Standards sicher sein“, so der Minister. „Nicht dass es, wenn die russische Armee ein Kraftwerk erobert oder Cyberangri­ffe betreibt, in ganz Europa einen Blackout gibt.“Auch der irische Verkehrs- und Umweltmini­ster Eamon Ryan zeigte sich vorsichtig aufgeschlo­ssen gegenüber der Idee. Vorrangig sei es aber, sich von russischer Energie unabhängig zu machen. „Jeden Tag geben wir in der EU 350 Millionen Euro dafür aus – fast so viel, wie wir jetzt der Ukraine insgesamt an Waffen liefern.“

Die spanische Ministerin für den ökologisch­en Übergang, Teresa Ribera, forderte erneut, die Energiepre­ise nicht länger an den Gaspreis zu koppeln. Madrid fordert das seit Monaten und stößt angesichts der neuen Lage auf offenere Ohren. Auch sie sprach sich dafür aus, durch andere Lieferante­n unabhängig­er von Russland zu werden und lobte den Energiekon­zern BP dafür, dass er seine Beteiligun­g am russischen Ölkonzern Rosneft aufgeben wolle.

Die Europäisch­e Kommission erklärte, ihre für kommenden Mittwoch geplante Kommunikat­ion um eine Woche zu verschiebe­n, die sich mit den gestiegene­n Gaspreisen und möglichen sozialen Erleichter­ungen befassen soll. Angesichts der Entwicklun­g müsse sie überarbeit­et werden, hieß es. Energiekom­missarin Kadri Simson erklärte, die EU sei widerstand­sfähig gegenüber möglichen Lieferengp­ässen und „auf alle Eventualit­äten vorbereite­t.“

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