Lindauer Zeitung

Moritz räumt im Wald auf

Im Oberallgäu­er Fischen transporti­eren Pferde die Stämme aus dem „Eichhörnch­enwald“

- Von Luke Maguire

- Moritz bahnt sich den Weg durch die Baumreihen. Trotz seiner 800 Kilogramm wirkt das Süddeutsch­e Kaltblut leichtfüßi­g, fast schon grazil. Von hinten erhält er Anweisunge­n. „Hü“, „Hott“und „Hofele“bekommt Moritz zugerufen. Bei jedem Kommando passt er seine Bewegungen an: mal nach rechts, mal mehr nach links und dann wieder langsam. Er zieht Baumstämme hinter sich her. Moritz ist ein Rückepferd. Er bringt gefällte Bäume von Punkt A nach Punkt B.

Diesmal ist er im „Eichhörnch­enwald“in Fischen (Kreis Oberallgäu) im Einsatz. Um den Waldbestan­d langfristi­g zu stabilisie­ren und damit den Lebensraum der Eichhörnch­en zu erhalten, steht dort eine Durchforst­ung an. Dabei wird eine größere Anzahl an Bäumen entnommen, damit die anderen besser wachsen.

Mit dabei ist Bernhard Hage. Der Rettenberg­er ist Pferderück­er und gibt Moritz die Kommandos. Schon seit dem Kindesalte­r macht er diese spezielle Arbeit und ist damit einer von nur sehr wenigen im Allgäu. „Von uns gibt es nicht mehr viele“, sagt Bernhard Hage. „Doch so langsam wird das Pferderück­en wieder entdeckt.“Normalerwe­ise werde das Holz mit Maschinen aus dem

Wald gebracht. Die Arbeit ist schneller erledigt und es können auch schwere Stämme verladen werden. Ein Pferd hingegen kann maximal sein eigenes Körpergewi­cht ziehen und auch nur auf kurze Distanz, erläutert Hage. Zudem brauchen die Tiere regelmäßig Pausen.

Dennoch kann das Pferderück­en sinnvoll sein, wenn Bäume verladen werden. „Bei klein strukturie­rten Wäldern, wie wir sie im Allgäu sehr häufig finden, lohnt es sich nicht, mit großen Maschinen zu arbeiten“, sagt Hage. Hier sei das Pferd die beste Lösung.

Das findet auch Andreas Fisel, Leiter des Forstrevie­rs Hörnergrup­pe: „Die Pferderück­ung ist viel umweltscho­nender.“

Die Pferderück­ung ist die älteste Methode, um Holz aus dem Wald zu transporti­eren. Rückepferd­e verursache­n keine Bodenschäd­en, sind auch in unwegsamem Gelände einsetzbar und benötigen weniger Rückegasse­n, wo die Baumstämme verladen werden. Für die Rückearbei­t werden überwiegen­d Kaltblut-Pferderass­en mit einem Gewicht über 700 Kilogramm eingesetzt. Die Vor allem der sensible Boden werde durch den Einsatz von Pferden nicht beschädigt. „Der Boden ist von zentraler Bedeutung. Beim Einsatz von schweren Maschinen verdichtet er sich zunehmend, was schlecht für das Wurzelwach­stum der Bäume ist“, erläutert Fisel. Darum solle man sich im Vorfeld überlegen, welche Methode für das Waldgebiet in Frage komme. „Das stellt man sich am besten wie einen Werkzeugko­ffer vor: Für manche Arbeiten brauche ich einen Akkubohrer, für andere reicht ein Schraubenz­ieher.“

Im „Eichhörnch­enwald“haben sich die Besitzer für die Pferderück­en entschiede­n, sagt Pirmin Enzensberg­er,

Pferde sollten einen möglichst ruhigen Charakter haben. Ab den 1960er-Jahren wurde die Pferderück­ung durch Traktoren und Forstschle­pper zunehmend verdrängt. Maschinen sind deutlich leistungss­tärker und effiziente­r. In Steilhänge­n, auf stark vernässten Standorten oder anderen schwierige­n Lagen wird oft eine Seilbahn zum Holztransp­ort eingesetzt. (sz)

Vorstand der Wald- und Weidegenos­senschaft Fischen. „Der Einsatz von Maschinen wäre für uns lukrativer gewesen, doch wir wollten den Boden schonen und die Arbeit mit den Pferden passt perfekt in das Naherholun­gsgebiet.“Denn viele Naturliebh­aber spazieren durch den „Eichhörnch­enwald“. „Das ist für jeden etwas Besonderes, die Pferde bei der Arbeit zu sehen“, sagt Enzensberg­er. Er und Fisel hoffen, dass die Pferderück­ung wieder mehr Wertschätz­ung erfahre. „Sie kann Maschinen nicht ersetzen, ist aber eine tolle Ergänzung.“

An diesem Tag sind nicht nur Bernhard Hage und Moritz fleißig. Auch Christof Seidel und Gipsy transporti­eren Holz aus dem Wald. Der Fischinger und sein Pferd sind noch in der Ausbildung. Diese dauere laut Hage zwischen drei und vier Jahren. Zuerst müsse sich das Pferd ans Geschirr gewöhnen. Beim Fahren mit der Kutsche lerne es dann die Kommandos, ehe es im Forst zum Einsatz komme.

Wir sind sehr froh, dass es noch Leute gibt, die diese Arbeit mit den Pferden machen und das Wissen über Generation­en hinweg weitergebe­n“, sagt Fisel. Aber nur mit Pferd sei die Arbeit dann doch nicht möglich: „Zum Stapeln und Verladen brauchen wir einen Traktor.“

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Andreas Fisel
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P. Enzensberg­er

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