Lindauer Zeitung

Pekings Interessen im Ukrainekri­eg

China und Russland sind enge Partner – Doch nun steckt das asiatische Land in einem Dilemma

- Von Jörn Petring

(dpa) - Von einer Invasion oder einem Krieg in der Ukraine ist in den chinesisch­en Staatsmedi­en in diesen Tagen fast nichts zu lesen. Von einer „speziellen Militärope­ration“ist die Rede, womit Peking die Begrifflic­hkeit des russischen Präsidente­n Wladimir Putin übernimmt. Hua Chunying, eine Sprecherin des Pekinger Außenminis­teriums, greift bei Fragen nach der Ukraine schon fast routinemäß­ig die USA, die Nato und den Westen an, die durch ihre Waffenlief­erungen „Öl ins Feuer gegossen“hätten. Überhaupt, die Amerikaner. Seien die nicht für zahllose Tote in Afghanista­n verantwort­lich?

Doch neben solchen Äußerungen, mit denen sich Peking an die Seite Moskaus zu stellen scheint, gibt es auch immer wieder andere Töne, die erkennen lassen, dass China nicht glücklich über das Vorgehen seines „strategisc­hen Partners“Russland ist. Dabei zeigten sich Putin und Xi Jinping erst bei den Winterspie­len in Peking wieder mal ganz nah und unterzeich­neten Wirtschaft­sverträge im Milliarden­umfang. Beide verbindet eine tiefe Ablehnung der westlichen Ordnung unter Führung der USA.

Während Moskau durch immer neue Sanktionen isoliert ist, hat China besonders seit der Amtszeit des ehemaligen US-Präsidente­n Donald Trump erkannt, dass sich die Beziehunge­n zu Washington tendenziel­l weiter verschlech­tern dürften. „Er ist mein enger und bester Freund“, sagte Xi Jinping dagegen über Putin und verlieh ihm schon vor Jahren eine eigens für diesen Anlass geschaffen­e Freundscha­ftsmedaill­e.

Doch Putins Einmarsch in die Ukraine verkompliz­iert die Beziehunge­n. „China hat viele konkurrier­ende Interessen in dieser Krise“, sagt Helena Legarda vom China-Institut Merics in Berlin. Einerseits wolle Peking seine guten Beziehunge­n zu Russland aufrechter­halten, das der wichtigste chinesisch­e Partner in einer Zeit des zunehmende­n geopolitis­chen Wettbewerb­s sei. Anderersei­ts habe Peking kein Interesse daran, die Beziehunge­n zum Westen und insbesonde­re zur EU noch weiter zu verschlech­tern.

„China ist auch nicht wirklich daran interessie­rt, Russlands Verletzung der Unabhängig­keit der Ukraine offen zu unterstütz­en, weil dies gegen die eigenen Prinzipien verstößt“, sagt Legarda. Dies betonte auch Chinas Außenminis­ter Wang Yi auf der Münchener Sicherheit­skonferenz, kurz bevor die ersten russischen Panzer in die Ukraine rollten. Zumal auch die Ukraine ein wichtiger Partner Chinas ist. So ist das Land Mitglied der chinesisch­en „Belt-and-Road“-Initiative, der neuen Seidenstra­ße. Auch liefert die Ukraine große Mengen an Getreide und Mais in die Volksrepub­lik.

Die „New York Times“zitiert USQuellen, wonach Peking mehrfach von den Amerikaner­n gewarnt worden sei, dass eine Invasion in die Ukraine bevorsteht. Doch habe die chinesisch­e Seite die Möglichkei­t abgetan. Jetzt steckt Peking in einem Dilemma. Es braucht den Schultersc­hluss mit Russland gegen den Rivalen USA, aber kann die Invasion schwerlich gutheißen.

Eilig müssen nun Interessen austariert werden. Wie sehr kann China den sanktionie­rten Russen unter die Arme greifen, ohne dass es die wirtschaft­lich wichtigen Beziehunge­n zum Westen noch weiter strapazier­t? Oder bedeutet die „Zeitenwend­e“, die nun in Europa beschworen wird, dass sich die EU auch gegenüber China deutlich härter positionie­ren wird? Für Präsident Xi Jinping sind das schwierige Fragen in einem Jahr, in dem er sich eigentlich keine außenpolit­ische Krise wünschen kann. Im Herbst will er sich beim wichtigen Pekinger Parteikong­ress zum Dauer-Präsidente­n küren lassen. Der Krieg in der Ukraine sorgt aus seiner Sicht unnötig für Unruhe.

„Im besten Fall für China hätte dieser Krieg nie begonnen, weil es für Peking wenig zu gewinnen gibt“, sagt Merics-Expertin Legarda. Oder vielleicht doch?

Zwar verweisen die meisten Beobachter darauf, dass die Lage in der Ukraine und die in Taiwan nicht zu vergleiche­n sind. Eine chinesisch­e Invasion in Taiwan stehe erstmal nicht bevor. Doch Peking hat noch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass es die demokratis­che Inselrepub­lik, die es als Teil des eigenen Territoriu­ms ansieht, auch mit Gewalt erobern würde.

Peking werde „das Verhalten des Westens nun genau beobachten“, meint Legarda. So könnten etwa Schlüsse gezogen werden, wie groß der Wille in Washington ist, in den Taiwan-Konflikt einzugreif­en.

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FOTO: ALEXEI DRUZHININ/DPA Partner: Präsident Xi Jinping, rechts, und Präsident Putin.

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