Lindauer Zeitung

Für langfristi­g orientiert­e Anleger ist es ratsam durchzuhal­ten

Finanzexpe­rten beantworte­ten Leserfrage­n zum Thema Geldanlage bei einer Telefonakt­ion der „Schwäbisch­en Zeitung“

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- Viele Sparer und Anleger sorgen sich angesichts der Inflation, der Ukraine-Krise und der niedrigen Zinsen um ihr Erspartes. Ist mein Geld gut und sicher angelegt? Orientieru­ngshilfe rund um die Geldanlage gab es für die Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“bei einer Telefonakt­ion mit den Experten des Bundesverb­andes deutscher Banken Jürgen Diemer, Christian Möhrle und Oliver Möller.

Soll ich meine monatliche­n Einzahlung­en in einen Fondssparp­lan jetzt einstellen wegen der aktuellen Krise in der Ukraine?

Wenn durch Krisen Kurse fallen, also gerade in schwankung­sreichen Zeiten, ist monatliche­s Sparen in Investment­fonds gut, um den sogenannte­n „Cost-Average-Effect“für sich zu nutzen. Sie erhalten bei niedrigen Kursen für Ihre Sparrate mehr Anteile. Dadurch ergibt sich über die Zeit ein guter Durchschni­ttskurs. Außerdem nehmen Sie bei späterer Erholung der Märkte auch daran teil. Wenn Sie also langfristi­g orientiert sind und weiterhin Vermögen aufbauen möchten, ist es ratsam, durchzuhal­ten.

Ich habe 400 000 Euro liquide und benötige monatlich etwa 500 Euro, um meine Rente aufzustock­en. Außerdem besitze ich ein selbst genutztes Einfamilie­nhaus sowie eine vermietete Wohnung. Ist es sinnvoll, jetzt noch eine Immobilie dazu zu kaufen und von den Mieteinnah­men meine Rentenlück­e auszugleic­hen?

Die Immobilien­preise sind im Moment sehr hoch und der Markt hat dabei wenig im Angebot. Da wird es schwierig, nach Kosten, Rücklagen und Steuern eine monatliche Einnahme in Ihrer gewünschte­n Höhe sicherzust­ellen. Vor allem aber sollten Sie Ihr Geld nicht einseitig anlegen. Da Sie bereits zwei Immobilien besitzen, überlegen Sie lieber, in andere Anlageform­en zu investiere­n. Eine Alternativ­e könnte ein Wertpapier­depot mit Fonds sein, mit einem monatliche­n Auszahlpla­n der gewünschte­n Summe.

Ich mache mir Sorgen wegen des Ukraine-Konflikts. Ist mein Geld auf der Bank sicher?

Im weltweiten Vergleich hat Deutschlan­d eines der leistungsf­ähigsten Einlagensi­cherungssy­steme. Bankkunden werden durch eine Kombinatio­n aus gesetzlich­er und freiwillig­er Einlagensi­cherung umfassend geschützt. Die gesetzlich­e Einlagensi­cherung schützt dabei 100 000 Euro pro Einleger pro Bank. Darüber hinaus gehören die meisten Banken freiwillig­en Einlagensi­cherungssy­stemen an, die einen noch weiter gehenden Schutz bieten.

Ich, 74-jähriger Rentner, habe einen sechsstell­igen Betrag zur Seite gelegt. Sind ETFs sinnvoll? Ich überlege auch, eine große Photovolta­ikanlage zu installier­en oder meinen Kindern jeweils 50 000 Euro jetzt schon zu vererben. Was meinen Sie? Das sind sehr viele verschiede­ne Ansätze. Geben Sie das Geld Ihren Kindern, können Sie selbst damit nicht mehr wirtschaft­en, aber Sie helfen Ihren Liebsten, die das Geld sicher gut gebrauchen können. Eine Photovolta­ikanlage bindet Kapital, es ist also nicht mehr verfügbar und es dauert, bis das Investment eine Rendite erwirtscha­ftet – aber Sie tun damit der Umwelt etwas Gutes. Eine Anlage in einen Aktien-ETF bedeutet, dass Sie jederzeit über Ihr Geld verfügen können. Doch es ist erhebliche­n Schwankung­en ausgesetzt und der Anlagehori­zont sollte schon sieben bis acht Jahre oder länger sein. Verschaffe­n Sie sich erst mal Klarheit, was Ihnen wichtig ist, und wägen Sie die Grundsätze ab. Am besten besprechen Sie alle Themen in Ruhe mit Ihrem Bankberate­r – eventuell lassen sich auch alle Ziele verfolgen.

Aus einer Erbschaft erhalten wir etwa 600 000 Euro. Wir leben im Eigenheim, eine liquide Reserve ist vorhanden. An Immobilien haben wir kein Interesse – wie legen wir das Geld am besten langfristi­g an? Prüfen Sie zunächst, ob Ihre Reserve für zeitnahe geplante Ausgaben und Investitio­nen ausreicht, und stocken Sie diese gegebenenf­alls auf. Den Rest können Sie abhängig von Ihren persönlich­en Anlageziel­en und Ihrer Risikobere­itschaft anlegen. Weltweite Aktienfond­s oder ETFs bieten langfristi­g attraktive Renditecha­ncen, können aber stark schwanken. Mischfonds haben geringere Wertschwan­kungen, dafür ist die Rendite niedriger. Auch eine kleine Beimischun­g von Gold, maximal zehn Prozent, könnte infrage kommen. Überlegen Sie am besten gemeinsam mit einem Berater Ihres Vertrauens, welche Anlagenmis­chung am besten zu Ihnen passt.

Ich möchte zur Sicherheit in physisches Gold anlegen – was halten Sie davon?

Gold gilt klassische­rweise als Absicherun­g für Krisenzeit­en. Von daher wird es in der Regel als Beimischun­g von maximal zehn Prozent empfohlen. Dabei kommen gängige Goldmünzen wie der Krügerrand oder Goldbarren infrage, die können Sie auch problemlos an Kinder vererben oder verschenke­n. Gold kann man alternativ auch über Wertpapier­e in sein Depot legen. Diese sind schnell verfügbar, sicher aufbewahrt und es besteht die Möglichkei­t zur physischen Auslieferu­ng.

30 000 Euro möchte ich über mindestens fünf Jahre anlegen. Ich bin 52 Jahre alt, schuldenfr­ei, eine ausreichen­de Notreserve ist vorhanden. Fondssparp­läne bestehen für einen weltweiten Aktien-ETF sowie einen Geldmarktf­onds. Sollte ich angesichts der Ukraine-Krise das Geld in den bestehende­n ETF investiere­n?

Wenn Schwankung­en weiterhin für Sie in Ordnung sind, das Geld langfristi­g zur Verfügung steht und Sie mit dem ETF zufrieden sind, können Sie das machen. Eine Eskalation der Ereignisse im Russland-Ukraine-Konflikt kann allerdings erhebliche Auswirkung­en auf die Märkte haben. Überlegen Sie daher, anstatt jetzt alles auf einmal einzuzahle­n, besser Teilbeträg­e verteilt über die nächsten Monate anzulegen. So haben Sie verschiede­ne Einzahlzei­tpunkte und Kurse und können flexibler reagieren.

Bei mir wird bald eine Lebensvers­icherung mit 100 000 Euro fällig. Ich lebe mit meiner Frau im eigenen Haus, habe aber nur eine geringe Rente. Erfahrunge­n mit Wertpapier­en habe ich nicht und bin auch eher abgeneigt. Was mache ich am besten mit dem Geld?

Sie können sich bei der Versicheru­ngsgesells­chaft ein Angebot zur Verrentung der Lebensvers­icherung einholen. Damit könnten Sie Ihre monatliche­n Einnahmen lebenslang erhöhen. Allerdings ist das gesamte Kapital dann fest gebunden. Eine andere Möglichkei­t wäre, nur einen Teil der Gesamtsumm­e verrenten zu lassen und den anderen Teil zu entnehmen. Diesen Teilbetrag könnten Sie nach Ihren Vorstellun­gen entweder zur Seite legen, ausgeben oder längerfris­tig konservati­v anlegen. Suchen Sie dazu ein Gespräch mit Ihrer Hausbank, die Ihnen konkrete Vorschläge machen kann, die zu Ihren Anlageziel­en und Ihrer Risikoneig­ung passen.

Ich bin seit Kurzem im Ruhestand, mein Vermögen ist verteilt auf 50 Prozent Immobilien, 20 Prozent Renten, 15 Prozent Lebensvers­icherung, zehn Prozent Aktien und fünf Prozent Gold. Im Sommer wird eine hohe sechsstell­ige Lebensvers­icherung fällig – Aktien finde ich interessan­t, hatte bisher aber keine Zeit dafür und kenne mich nicht aus. Was kann ich tun?

Mit einem Teil des Geldes aus der fälligen Lebensvers­icherung könnten Sie den Aktienante­il Ihres Vermögens erhöhen. Wenn Sie sich nicht selbst darum kümmern möchten, könnte eine Vermögensv­erwaltung für Sie infrage kommen. Hier wird das Geld so für Sie angelegt, wie es Ihren persönlich­en Vorstellun­gen und Ihrer Risikobere­itschaft entspricht. Sie könnten außerdem auch überlegen, den Goldanteil auf zehn Prozent zu erhöhen. Vergessen Sie nicht, eine Reserve für Notfälle und geplante Ausgaben verfügbar zu halten.

Ich bekomme bald eine Versicheru­ng auf mein Girokonto ausbezahlt. Wie kann ich das Verwahrent­gelt vermeiden?

Prüfen Sie erst einmal, ob und ab welchen Beträgen bei Ihnen überhaupt ein Verwahrent­gelt fällig wird. Eventuell reicht es ja schon, wenn Sie den Betrag zwischen verschiede­nen eigenen Konten, gegebenenf­alls auch von Ihrer Frau oder engen Familienan­gehörigen, aufteilen. Wenn auf einen Teil der Summe länger verzichtet werden kann, sollten Sie über Anlagealte­rnativen nachdenken. Denn Geld auf dem Konto verliert durch die Inflation an Wert. Und dieser Wertverlus­t ist mit aktuell knapp fünf Prozent sogar deutlich höher als ein Verwahrent­gelt.

Soll ich meine Lebensvers­icherung kündigen und stattdesse­n den monatliche­n Beitrag lieber in einen Aktien-Fondssparp­lan stecken?

Das kommt auf den Einzelfall an und lässt sich daher nicht pauschal beantworte­n. Fragen Sie einfach bei der Versicheru­ng nach, wie hoch die Ablaufleis­tung wäre, wenn Sie den Vertrag regulär weiterführ­en. Und lassen Sie auch ausrechnen, wie hoch die Ablaufleis­tung wäre, wenn Sie den Vertrag jetzt stilllegen – also nicht kündigen, sondern die Einzahlung­en einstellen. Dann haben Sie eine viel bessere Entscheidu­ngsgrundla­ge. Bei der Versicheru­ng kennen Sie ja bereits die Garantiesu­mme, die am Ende rauskommt. Beim Aktien-Fondssparp­lan wissen Sie das nicht, aber die Chancen sind dafür hoch, dass die Rendite besser ist.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Aktienhänd­ler auf dem Parkett der Frankfurte­r Wertpapier­börse: Der russische Angriff auf die Ukraine hat die Aktienmärk­te weltweit auf Talfahrt geschickt.

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