Seit 75 Jahren gehört die Zeppelin-Stiftung der Stadt
Historischer Glücksfall für die Kommune – Erhebliche Finanzspielräume – Juristischer Streit
- Auch wenn es nicht jeder auf den ersten Blick sieht: Die Stadt Friedrichshafen ist reich. Richtig reich. Sie hat finanzielle Spielräume und wirtschaftliche Möglichkeiten wie keine zweite Stadt mit gut 60 000 Einwohnern in Deutschland. Hauptgrund dafür: die kommunale Zeppelin-Stiftung, der unter anderem die Weltkonzerne ZF und Zeppelin gehören. Am 1. März jährt sich der Übergang der Stiftung an die Stadt zu 75. Mal.
Wenn der Friedrichshafener Gemeinderat den Jahreshaushalt beschließt, dann stimmen die Räte nicht nur über die geplanten Einnahmen und Ausgaben der Stadt ab. Sie billigen auch den Haushalt der Zeppelin-Stiftung. Im laufenden Jahr umfasst dieser 108 Millionen Euro. Gespeist wird dieses kommunale Sondervermögen im Wesentlichen aus den Gewinnen des Autozulieferers ZF Friedrichshafen AG (Jahresumsatz 2020: 32,6 Milliarden Euro) und des Baumaschinenhändlers Zeppelin GmbH (3,3 Milliarden Euro), die beide der Stiftung gehören. 18 Prozent des Ergebnisses nach Steuern führen beide Unternehmen ab, die Einnahmen der Stiftung sind also auch konjunkturabhängig. Im vergangenen Jahr schrieb ZF coronabedingt rote Zahlen und überwies folglich keine Dividende. Dann helfen der Rotstift und die Rücklagen der Stiftung, die Ende 2020 rund 222 Millionen Euro betrugen. Zudem wurde vor einigen Jahren die Ferdinand gGmbh gegründet, in der Überschüsse der Stiftung dauerhaft angelegt werden können – im Moment rund 160 Millionen Euro.
Wofür das viele Geld verwendet wird, regelt eine Satzung. Sie wurde im Laufe der Geschichte mehrfach
TRAUERANZEIGEN geändert, unter anderem aus steuerrechtlichen Gründen, zuletzt 1957 und 2007, jeweils in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium. Mit dem Geld aus diesem Sondervermögen bezahlt Friedrichshafen zum Beispiel sein gesamtes Kindergartenwesen, Familien- und Jugendtreffs und die daraus resultierenden Zuschüsse, Personal- und Sachkosten, die im Jahr 2021 allein bei den laufenden Aufwendungen mit 28 Millionen Euro
zu Buche schlugen.
Weitere laufende Aufwendungen laut Haushaltsplan 2021: 5,2 Millionen Euro fürs Graf-Zeppelin-Haus, 2,8 Millionen für Zeppelin- und Schulmuseum, 3,1 Millionen fürs Kulturbüro. Die private ZeppelinUniversität war mit 8,4 Millionen Euro eingeplant, beim Klinikum waren im vergangenen Jahr sechs Millionen Euro allein an Betriebskostenzuschüssen veranschlagt. Den Sport sollte die Stiftung 2021 mit rund sechs Millionen Euro fördern, davon 3,4 Millionen für das Sportbad. Für mildtätige Zwecke war eine gute Million eingeplant.
All das Geld gibt der Gemeinderat frei, der das Entscheidungsorgan der Stiftung ist. Dieses Geld und diese Themen tauchen im regulären Haushalt der Stadt nicht auf, der somit an anderer Stelle mehr Spielraum hat. Verantwortlich für diesen Geldsegen ist vor allem Ferdinand Graf von Zeppelin, der in Friedrichshafen seine Vision vom Luftschiff mit dem Aufstieg von LZ 1 am 2. Juli 1900 Wirklichkeit werden ließ. Als 1908 ein Unwetter LZ 4 zerstörte, stand Graf Zeppelin vor dem Ruin. Doch eine Welle der Solidarität schwappte durch Deutschland, Bürger und Wirtschaft spendeten einen Millionenbetrag zur Weiterführung der Luftschifffahrt. Mit diesem Geld gründete der Graf die Luftschiffbau Zeppelin GmbH und die ZeppelinStiftung.
Friedrichshafen wurde Industrieund Technikstandort, später Zentrum der Rüstungsindustrie, schließlich im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört. Der ursprüngliche Zweck der Zeppelin-Stiftung – Bau von Luftschiffen, Förderung der Luftschifffahrt sowie Beteiligung an Unternehmen, die den Bau oder den Verkauf von Luftfahrzeugen zum Gegenstand
haben – schien in den Wirren der Nachkriegsjahre erledigt. Zum Glück für die Stadt Friedrichshafen hatte Graf Zeppelin selbst in der Stiftungssatzung festgelegt, dass das Vermögen der Stiftung an die Stadt Friedrichshafen falle, sollte der ursprüngliche Stiftungszweck eines Tages nicht mehr erfüllt werden können. Zu wohltätigen Zwecken, so der Wortlaut.
Lange wurde um den richtigen Weg für die Stiftung und ihre Unternehmen (neben dem Luftschiffbau und der Zahnradfabrik vor allem der Maybach-Motorenbau, der heute Rolls-Royce Power Systems heißt) gerungen. Starke Kräfte innerhalb der französischen Besatzungsmacht wollten den Konzern ganz zerschlagen, politische und private Interessen in Stadt und Region wollten die Oberhand behalten. Schließlich entschied das Direktorium des Landes Württemberg-Hohenzollern per Rechtsanordnung vom 28. Januar 1947, dass die Zeppelin-Stiftung als rechtlich selbstständige Stiftung ausgelöst und zum 1. März 1947 an die Stadt Friedrichshafen übertragen werde. Für Friedrichshafen zweifellos ein segensreicher Beschluss, der nicht gegen den Willen der Franzosen gefallen sein kann.
Die starken Männer der alten, selbstständigen Stiftung, vor allem
Luftschiffbau-Chef Hugo Eckener und Motorenbau-Chef Karl Maybach, stemmten sich gegen die Kommunalisierung der ZeppelinStiftung, juristisch und publizistisch. Erst Anfang der 50er-Jahre wurde der Streit beigelegt, unter anderem dadurch, dass der Motorenbau aus dem Zeppelin-Konzern herausgelöst und die Familien Eckener, Maybach und Brandenstein-Zeppelin an dem Unternehmen beteiligt wurden.
Während die Eckeners und Maybachs längst ihren Frieden mit Friedrichshafen gemacht haben, kämpft Albrecht von Brandenstein-Zeppelin, ein Urenkel des Grafen, seit Jahren mit harten Bandagen gegen die Kommune. Obwohl seine Familie und er persönlich vor Jahren auf alle Ansprüche an der Stiftung verzichtet haben, versucht er, auf juristischem Wege die Zeppelin-Stiftung in ihrer alten Form wiederaufleben zu lassen, mit ihm und seiner Familie an den entscheidenden Stellen. Sein Hauptargument: Die Übertragung der Stiftung an die Stadt im Jahre 1947 sei rechtswidrig gewesen und habe gegen den Willen seines Urgroßvaters verstoßen. Bisher hat er alle Prozesse in der Angelegenheit verloren. Das Hauptverfahren liegt beim Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württtemberg in Mannheim. Einen Verhandlungstermin gibt es noch nicht.