Der Alles-ist-möglich-Macher
Im DFB-Pokal könnte Christian Streich endlich sein Lebenswerk beim SC Freiburg krönen
(SID) - Christian Streich weiß ganz genau, dass der große Coup für den kleinen SC Freiburg diesmal tatsächlich in Reichweite ist. „Allen ist klar, dass Bayern München und Borussia Dortmund nicht mehr dabei sind“, sagte der SC-Trainer vor dem Viertelfinale im DFB-Pokal am Mittwoch beim VfL Bochum (20.45 Uhr/ARD und Sky): „Alles ist möglich. Das ist eine hohe Motivation für uns.“Genau diese Motivation hatte zuletzt sogar Bastian Schweinsteiger dem 56-Jährigen mit auf den Weg Richtung Finale gegeben. Denn nach Ansicht des Weltmeisters von 2014 hätte es „der Herr Streich auch mal verdient, in so einem großen Spiel zu sein“.
Kaum jemand würde Schweinsteiger widersprechen. Schließlich lenkt jener Herr Streich, der mit den Freiburger A-Junioren bereits dreimal den Pokal gewonnen hat, mittlerweile seit über einem Jahrzehnt erfolgreich sein Projekt beim Breisgauer Bundesligisten.
Unter Anleitung Streichs, der von zahlreichen Experten wie Kollegen als bester Bundesliga-Trainer gesehen wird, hat es der Sport-Club in der laufenden Saison nach 24 Spieltagen auf Platz fünf geschafft. Die Teilnahme an der Champions League ist für das eingespielte Team längst keine Utopie mehr.
Diese Entwicklung war wahrlich nicht absehbar, als Streich am 29. Dezember 2011 vom Assistenten zum Chef befördert wurde. Unter seinem glücklosen Vorgänger Marcus Sorg hatte der SC nur drei Siege in der Hinrunde geholt und rangierte auf dem letzten Platz. Unter Streich ging es steil nach oben – am Ende der Saison hielt Freiburg mit 40 Punkten als Zwölfter souverän die Klasse.
Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits deutlich, welch überragende Fähigkeiten Streich als Trainer besitzt. Alles andere als klar war allerdings, dass der mit Profi-Erfahrung und Lehramtsstudium ausgestattete Metzgersohn eine Ära prägen würde – und zwar nicht nur sportlich.
Nötig war dafür aber eine Metamorphose.
Der kauzige Hitzkopf an der Seitenlinie kommt längst nicht mehr so oft wie früher zum Vorschein. Viel mehr ist Streich zu einer moralischen Instanz aufgestiegen. Als gutes Gewissen der Liga und fast im Stile eines linksliberalen Intellektuellen prangert er Missstände an – im Sport wie in der Politik und der Gesellschaft.
Um seinen alemannischen Akzent schert sich Streich dabei genauso wenig wie um andere Gepflogenheiten des Profifußballs mit den oftmals inhaltsleeren Aussagen der Protagonisten. Wenn Streich seine Ansichten teilt, Anekdoten zum Besten gibt und über Fußball philosophiert, ist er immer authentisch. Das weiß sein Arbeitgeber zu schätzen. Seit 1995 steht Streich beim SC als Trainer unter Vertrag. Mit den Profis durfte er 2015 sogar absteigen, ohne dass eine Abberufung überhaupt im Entferntesten ein Thema gewesen ist – natürlich stiegen die Freiburger postwendend wieder auf und liefern seitdem jährlich Höchstleistungen ab – und stehen nicht zu Unrecht im Pokalviertelfinale. Darin möchte der 56-Jährige auch die Freiburger Bestbesetzung auf den Rasen schicken. Allerdings sei der Einsatz eines Quartetts wegen Erkältungssymptomen fraglich. „Ich möchte die Namen dieser Spieler nicht nennen.
Christian Streich
Bislang sind alle Corona-Tests negativ ausgefallen“, sagte Streich. Dennoch müsse er dies berücksichtigen, um letztendlich auf Spieler zu setzen, die 100 Prozent abrufen können. Möglich ist, dass die Nachwuchskräfte Kiliann Sildillia und Robert Wagner aufrücken. In Bochum hatte der Sport-Club das Bundesligaspiel trotz optischer Überlegenheit mit 1:2 verloren. Mit Blick auf den engagierten Auftritt wünscht sich Streich eine ähnliche Leistung. „Aber diesmal wollen wir ein Tor mehr schießen. “
Und damit einen Schritt näher an die Krönung heranrücken. Denn noch immer bezeichnet Streich den Gewinn der deutschen Meisterschaft mit den A-Junioren im Jahr 2008 als seinen größten Erfolg – das allerdings könnte sich in diesem Jahr ändern.