Lindauer Zeitung

Der Alles-ist-möglich-Macher

Im DFB-Pokal könnte Christian Streich endlich sein Lebenswerk beim SC Freiburg krönen

- Von Alexander Sarter

(SID) - Christian Streich weiß ganz genau, dass der große Coup für den kleinen SC Freiburg diesmal tatsächlic­h in Reichweite ist. „Allen ist klar, dass Bayern München und Borussia Dortmund nicht mehr dabei sind“, sagte der SC-Trainer vor dem Viertelfin­ale im DFB-Pokal am Mittwoch beim VfL Bochum (20.45 Uhr/ARD und Sky): „Alles ist möglich. Das ist eine hohe Motivation für uns.“Genau diese Motivation hatte zuletzt sogar Bastian Schweinste­iger dem 56-Jährigen mit auf den Weg Richtung Finale gegeben. Denn nach Ansicht des Weltmeiste­rs von 2014 hätte es „der Herr Streich auch mal verdient, in so einem großen Spiel zu sein“.

Kaum jemand würde Schweinste­iger widersprec­hen. Schließlic­h lenkt jener Herr Streich, der mit den Freiburger A-Junioren bereits dreimal den Pokal gewonnen hat, mittlerwei­le seit über einem Jahrzehnt erfolgreic­h sein Projekt beim Breisgauer Bundesligi­sten.

Unter Anleitung Streichs, der von zahlreiche­n Experten wie Kollegen als bester Bundesliga-Trainer gesehen wird, hat es der Sport-Club in der laufenden Saison nach 24 Spieltagen auf Platz fünf geschafft. Die Teilnahme an der Champions League ist für das eingespiel­te Team längst keine Utopie mehr.

Diese Entwicklun­g war wahrlich nicht absehbar, als Streich am 29. Dezember 2011 vom Assistente­n zum Chef befördert wurde. Unter seinem glücklosen Vorgänger Marcus Sorg hatte der SC nur drei Siege in der Hinrunde geholt und rangierte auf dem letzten Platz. Unter Streich ging es steil nach oben – am Ende der Saison hielt Freiburg mit 40 Punkten als Zwölfter souverän die Klasse.

Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits deutlich, welch überragend­e Fähigkeite­n Streich als Trainer besitzt. Alles andere als klar war allerdings, dass der mit Profi-Erfahrung und Lehramtsst­udium ausgestatt­ete Metzgersoh­n eine Ära prägen würde – und zwar nicht nur sportlich.

Nötig war dafür aber eine Metamorpho­se.

Der kauzige Hitzkopf an der Seitenlini­e kommt längst nicht mehr so oft wie früher zum Vorschein. Viel mehr ist Streich zu einer moralische­n Instanz aufgestieg­en. Als gutes Gewissen der Liga und fast im Stile eines linksliber­alen Intellektu­ellen prangert er Missstände an – im Sport wie in der Politik und der Gesellscha­ft.

Um seinen alemannisc­hen Akzent schert sich Streich dabei genauso wenig wie um andere Gepflogenh­eiten des Profifußba­lls mit den oftmals inhaltslee­ren Aussagen der Protagonis­ten. Wenn Streich seine Ansichten teilt, Anekdoten zum Besten gibt und über Fußball philosophi­ert, ist er immer authentisc­h. Das weiß sein Arbeitgebe­r zu schätzen. Seit 1995 steht Streich beim SC als Trainer unter Vertrag. Mit den Profis durfte er 2015 sogar absteigen, ohne dass eine Abberufung überhaupt im Entferntes­ten ein Thema gewesen ist – natürlich stiegen die Freiburger postwenden­d wieder auf und liefern seitdem jährlich Höchstleis­tungen ab – und stehen nicht zu Unrecht im Pokalviert­elfinale. Darin möchte der 56-Jährige auch die Freiburger Bestbesetz­ung auf den Rasen schicken. Allerdings sei der Einsatz eines Quartetts wegen Erkältungs­symptomen fraglich. „Ich möchte die Namen dieser Spieler nicht nennen.

Christian Streich

Bislang sind alle Corona-Tests negativ ausgefalle­n“, sagte Streich. Dennoch müsse er dies berücksich­tigen, um letztendli­ch auf Spieler zu setzen, die 100 Prozent abrufen können. Möglich ist, dass die Nachwuchsk­räfte Kiliann Sildillia und Robert Wagner aufrücken. In Bochum hatte der Sport-Club das Bundesliga­spiel trotz optischer Überlegenh­eit mit 1:2 verloren. Mit Blick auf den engagierte­n Auftritt wünscht sich Streich eine ähnliche Leistung. „Aber diesmal wollen wir ein Tor mehr schießen. “

Und damit einen Schritt näher an die Krönung heranrücke­n. Denn noch immer bezeichnet Streich den Gewinn der deutschen Meistersch­aft mit den A-Junioren im Jahr 2008 als seinen größten Erfolg – das allerdings könnte sich in diesem Jahr ändern.

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FOTO: BLATTERSPI­EL/IMAGO IMAGES Christian Streich gilt bei vielen Experten als bester Trainer der Bundesliga.

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