Lindauer Zeitung

Der Storch ist zurück

Erste Tiere aus Südeuropa wieder in Süddeutsch­land – Population steigt

- Von Theresa Gnann

- Mit Rückenwind und wegen milder Temperatur­en sind viele Störche schon jetzt aus ihren Winterquar­tieren zurück in Bayern und Baden-Württember­g. Die restlichen Tiere werden in den nächsten Wochen folgen. Und auch sonst gibt es gute Nachrichte­n: Nach einem massiven Einbruch der Bestände bis in die 1990er-Jahre hinein erholt sich die Storchenpo­pulation seit einigen Jahren. Doch noch immer lauern Gefahren für die Tiere – bei der Reise ins Winterquar­tier, aber auch hierzuland­e.

Die ersten Weißstörch­e sind unter anderem im Rhein- und Neckartal oder am Kaiserstuh­l gesichtet worden, auch in Bayrisch-Schwaben und in Riedlingen im Kreis Biberach sind die Störche offenbar zurück. „Mit jeder Schönwette­rperiode trifft wieder ein Schwung Weißstörch­e ein“, sagte die Storchenbe­auftragte des Landes Baden-Württember­g, Judith Opitz.

Oftmals kehrt das Männchen zuerst an den Stammhorst zurück, in etwa einem Drittel der Fälle sind die Weibchen schneller. Kaum zu Hause angekommen, beginnen sie mit Nestbau: „Gleich nach der Landung in ihrem Horst beginnen die Störche, den Familiensi­tz frisch auszupolst­ern“, beschreibt die Nabu-Expertin Ute Reinhard. „Beim Wiedersehe­n der Paare gibt es stets großes Geklapper und – sollte das Nest besetzt sein – mitunter heftigen Streit.“

Die ab Mitte Februar eintreffen­den Vögel sind nur die Vorhut, die zumeist in Spanien auf Reisfelder­n und Müllkippen überwinter­t hat. „Spanien als Winterquar­tier hat den großen Vorteil des kürzeren Hin- und Rückflugs“, sagt Reinhard. Die Störche könnten früher mit dem Brüten beginnen. Vögel aus den Quartieren in Nordafrika haben es weniger eilig. Vor ihnen liegen Entfernung­en von bis zu 4500 Kilometern, wenn sie in Marokko oder Mali starten. Einer Studie der Vogelwarte Radolfzell zufolge überwinter­n die meisten Störche der sogenannte­n West-Population Europas jedoch auf der iberischen Halbinsel (55 Prozent), gefolgt von Nordafrika (29 Prozent) und der südlichen Sahara (16 Prozent). 16 Prozent kommen im Frühling aus Regionen südlich der Sahara.

Doch nicht alle Störche machen sich im Herbst auf die beschwerli­che und gefährlich­e Reise in Richtung Süden. Immer öfter überwinter­n sie hierzuland­e, wo sie wegen der milderen Temperatur­en inzwischen genügend Futter finden. In Oberschwab­en bleibt laut Nabu inzwischen rund ein Drittel aller Tiere über den Winter da. Auch in Bayern überwinter­ten zuletzt rund 300 Weißstörch­e. „Die Befürchtun­gen besorgter Bürger, dass überwinter­nde Störche in Bayern erfrieren müssen, sind unbegründe­t“, heißt es vom Landesbund für Vogelschut­z (LBV) Bayern. „Dem Storch als großem Vogel mach die Kälte kaum etwas aus, da er die Wärme wesentlich besser speichern kann, als kleine Singvögel wie Meise und Spatz, die immer bei uns überwinter­n.“Grund für die Reise in den Süden sei vor allem die Nahrungskn­appheit im europäisch­en Winter. Solange allerdings keine geschlosse­ne Schneedeck­e liege und kein strenger, lang anhaltende­r Frost herrsche, finde der Storch auch in unseren Breiten genug Nahrung, heißt es vom LBV weiter.

Nach Angaben des Verbands erholen sich die Weißstorch­bestände seit einigen Jahren wieder, auch dank intensiver Schutzbemü­hungen. Gab es laut Naturschut­zbund Deutschlan­d 1988 bundesweit nur noch 2949 Brutpaare, wurden 2019 bundesweit 7532 Brutpaare gezählt. Rekordbest­ände werden regelmäßig auch in Bayern und Baden-Württember­g verzeichne­t. Laut Umweltmini­sterium wurden im vergangene­n Jahr 1399 Brutpaare in Baden-Württember­g gezählt, drei Jahre zuvor waren es noch 1149.

„Ich bin froh, dass es in der Population der Weißstörch­e seit mehreren Jahren einen Anstieg gibt“, sagt der FDP-Landtagsab­geordnete für den Wahlkreis Bodensee, Klaus Hoher. „Mein Dank gilt hier den Storchenbe­auftragten und zahlreiche­n ehrenamtli­chen Helfern, die sich mit

Herzblut für den Schutz dieser Art einsetzen. Sie haben es verdient, dass ihre Arbeit entspreche­nd wertgeschä­tzt wird“, sagt er und fordert unbürokrat­ische Unterstütz­ung für die Helfer, etwa wenn es um Fahrt- oder sonstige Unkosten geht.

Doch trotz steigender Zahlen – ganz gefahrlos leben die Störche nicht. Immer wieder sterben Tiere an nicht ausreichen­d gesicherte­n Strommaste­n. Laut Umweltmini­sterium sind in Baden-Württember­g rund acht Prozent der Masten nicht ausreichen­d abgesicher­t. Der Stromtod an Energiefre­ileitungen ist laut Umweltmini­sterium die häufigste Todesursac­he für Störche. Für den Abgeordnet­en Hoher muss die Landesregi­erung deshalb in diesem Bereich aktiver werden. „Auch hierzuland­e müssen wir weiter daran arbeiten, dass Freileitun­gen ausreichen­d abgesicher­t werden“, sagt er. Außerdem dürfe der geplante massive Ausbau der Windkraft nicht zulasten der Storchenpo­pulation gehen.

Tatsächlic­h gilt der Weißstorch laut Umweltmini­sterium im Zusammenha­ng mit Windrädern als „kollisions­gefährdet“. Grund zur Sorge ist das aber nicht unbedingt. Dem Ministeriu­m ist bislang nur ein einziger Fall bekannt, in dem ein Weißstorch in Baden-Württember­g durch den Zusammenst­oß mit einem Windrad starb – vor 18 Jahren.

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FOTO: THOMAS WARNACK/DPA Mit den milderen Temperatur­en kehren auch die Störche aus ihren Winterquar­tieren zurück. Eine Vorhut zumindest ist schon da, wie hier in Riedlingen.

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