Lindauer Zeitung

Teurere Lebensmitt­el wegen Ukrainekri­eg

Bundesland­wirtschaft­sminister Özdemir sieht Versorgung in der EU aber gesichert

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(dpa) - Verschiede­ne Hilfsorgan­isationen und Verbände warnen vor den Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine für die Lebensmitt­elprodukti­on. Während für die EU derzeit vor allem steigende Kosten erwartet werden, könnten die Auswirkung­en für Länder südlich der Union weitaus dramatisch­er werden. Denn mehr als die Hälfte der Nahrungsmi­ttel, die das Welternähr­ungsprogra­mm der Vereinten Nationen (WFP) in Krisenregi­onen verteilt, stammt eigenen Angaben zufolge aus der Ukraine.

„Putins Krieg überzieht nicht nur die Ukraine mit unermessli­chem Leid. Die Auswirkung­en werden weit über die Grenzen der Region zu spüren sein“, sagte der Direktor des WFP in Deutschlan­d, Martin Frick. Das WFP ist in mehr als 80 Ländern aktiv. Schon jetzt seien knapp 280 Millionen Menschen von akutem Hunger betroffen. Die Welt könne sich keinen weiteren Konflikt leisten.

Auch für die Europäisch­e Union ist die Ukraine ein wichtiger Partner im Agrarhande­l. „Die Ukraine ist der viertgrößt­e externe Lebensmitt­ellieferan­t der EU und beliefert die EU mit einem Viertel ihrer Getreide- und Pflanzenöl­importe“, teilte der europäisch­e Bauernverb­and Copa Cogeca mit. In wenigen Tagen beginne die Frühjahrsa­ussaat, überschatt­et von den Militärakt­ionen auf ukrainisch­em Gebiet. Dies werde sich stark auf die Ernte im Sommer auswirken.

Das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um teilte in einer ersten Einschätzu­ng der wirtschaft­lichen Lage mit, dass „eine weitere Verteuerun­g von Lebensmitt­eln sowie eine Steigerung der Inflations­rate nicht auszuschli­eßen“sei. Das Ministeriu­m behalte die Auswirkung­en auf die

Agrarmärkt­e genau im Blick, sagte Minister Cem Özdemir (Grüne) am Mittwoch.

„Weltweit ist nicht zuletzt wegen der stark gestiegene­n Energiekos­ten mit Preissteig­erungen bei Agrarrohst­offen und bei Düngemitte­ln zu rechnen“, sagte Özdemir. „In der Konsequenz können wir auch nicht ausschließ­en, dass das bei den Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn an der Supermarkt­kasse ankommt.“

Schon jetzt sei Stickstoff­dünger sehr teuer und knapp, teilte der Deutsche Bauernverb­and kürzlich mit. Der für Landwirte wichtige Stickstoff­dünger wird aus Erdgas hergestell­t – sollten also die Gaspreise durch die Eskalation noch weiter steigen, würde das auch die Kosten für Bäuerinnen und Bauern in die Höhe treiben.

Die Versorgung in der EU sei aber nicht gefährdet, sagte Özdemir. Dem stimmt auch Martin Banse, Agrarexper­te und Chef des Thünen-Instituts für Marktanaly­se, zu: „Aus der gegenwärti­gen furchtbare­n Situation der Kriegshand­lungen in der Ukraine eine unmittelba­re Versorgung­skrise abzuleiten, würde viel zu weit übers Ziel hinausschi­eßen.“

Das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um teilt die Auffassung, dass vor allem Länder in Nordafrika und Asien sowie die Türkei als Hauptimpor­teure betroffen sein könnten. Ministeriu­msangaben zufolge erzeugt Russland etwa zehn Prozent des Weizens weltweit, aus der Ukraine kommen vier Prozent.

Für Länder in Afrika, Nordafrika und Westasien hat der Weizenimpo­rt eine große Bedeutung. So waren die Kosten für Lebensmitt­el etwa ein wichtiger Faktor im sogenannte­n Arabischen Frühling, eine Serie von Massenprot­esten. „Die soziale Stabilität in diesen Ländern hängt vom Brotpreis ab“, sagt Banse.

Ägypten – mit mehr als 100 Millionen Einwohnern das bevölkerun­gsreichste Land der arabischen Welt – importiert einen großen Teil seines Weizens aus Russland und der Ukraine. Gleiches gilt für Tunesien. Dort sind vor allem arme Menschen dringend auf Brot angewiesen. Experten in Tunesien warnen bereits vor heftigen Preissteig­erungen wegen des Krieges. Künftig könnte zwar Getreide etwa aus Argentinie­n oder Rumänien kommen – aber ob das reicht, ist unklar. Andere Staaten in Westasien stehen vor ähnlichen Problemen.

Die Türkei kaufte 2020 rund 65 Prozent ihres Weizens aus Russland. Eine Verschlech­terung der Beziehunge­n zu Moskau könnte die Einfuhren verteuern.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Lebensmitt­eln könnten laut Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir teurer werden.

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