Erste Priorität Versorgungssicherheit
Erdgas, Kohle, Öl – Bundesregierung ergreift Maßnahmen, um Energieengpässe in Folge des Ukrainekrieges zu verhindern
(dpa/AFP/sz) - Als Reaktion auf den Ukrainekrieg und die damit verbundenen Sorgen um steigende Preise und eine bröckelnde Energieversorgung, hat die Bundesregierung am Mittwoch mehrere Schritte eingeleitet. Zur Beruhigung des Ölmarktes hat die Regierung einen Teil der nationalen Ölreserve freigegeben. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte: „Wir leisten damit einen Beitrag im internationalen Konzert. In Zeiten wie diesen ist es wichtig, geschlossen zu handeln.“
Der international abgestimmte Schritt diene zur Stabilisierung der Preise, die in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stark gestiegen waren. Experten werteten die Preisanstiege als Anzeichen erster Lieferstörungen, so das Ministerium. Derzeit gebe es in Deutschland aber keine Einschränkung der Versorgung mit Öl.
Die Internationale Energieagentur (IEA) hatte am Dienstag in Paris mitgeteilt, insgesamt würden die 31 Mitgliedsländer der Agentur 60 Millionen Barrel Rohöl freigeben. Dadurch sollten infolge des Krieges von
Russland gegen die Ukraine Angebotsengpässe abgemildert werden. Deutschland ist Mitglied der IEA.
Am Mittwoch markierten die als besonders wichtig geltenden Ölsorten Brent und West Texas Intermediate (WTI) mehrjährige Höchststände. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete knapp 114 US-Dollar und damit so viel wie zuletzt im Jahr 2014. Ein Fass der USSorte WTI wurde mit mehr als 112 Dollar gehandelt. Das ist der höchste Stand seit dem Jahr 2011.
Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine will die Bundesregierung außerdem für 1,5 Milliarden Euro Flüssiggas kaufen. Diese Summe sei dem Gashändler Trading Hub Europe zur Verfügung gestellt worden, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums am Mittwoch in Berlin. Der Kauf werde „kurzfristig“getätigt. Wo genau das Gas eingekauft werde, entscheide die Firma. Trading Hub Europe managt als sogenannter Marktgebietsverantwortlicher das deutsche Gasnetz.
Bundeswirtschaftsminister Habeck hält des Weiteren für die Energieversorgung eine längere Laufzeit auch für Kohlekraftwerke für denkbar. „Kurzfristig kann es sein, dass wir vorsichtshalber, um vorbereitet zu sein für das Schlimmste, Kohlekraftwerke in der Reserve halten müssen, vielleicht sogar laufen lassen müssen“, sagte Habeck am Mittwoch im Deutschlandfunk. Habeck betonte aber auch die Bedeutung erneuerbarer Energien für eine bessere Versorgungssicherheit.
„Je stärker wir uns auf eigene Energiequellen stützen und je stärker diese eigenen Energiequellen nicht durch Importe abhängig sind, umso souveräner agieren wir auch außenpolitisch“, sagte Habeck weiter. Klar sei, dass eine unabhängige Energiepolitik und eine klimaneutrale Energieproduktion gleichbedeutend seien. Erste Priorität sei jedoch die Versorgungssicherheit. Da müsse „der Pragmatismus jede politische Festlegung schlagen“, sagte der Wirtschaftsminister.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte hingegen, dass man zur Sicherung der Energieversorgung in Deutschland eher auf Kernenergie statt Kohlekraftwerke setzen solle. Ein längerer Betrieb der verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland könne für einen „kurz begrenzten“Zeitraum „sehr helfen“, sagte Söder am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung in München. Das sei eine Möglichkeit, „Sicherheit und Klimaschutz zu verbinden“. „Wir sind keine Anhänger der Kernenergie mehr, wie wir es vor vielen Jahren waren“, sagte Söder. „Wir sehen die Herausforderungen.“Es sei ihm aber lieber, die Laufzeit von Atomkraftwerken für drei bis fünf Jahre zu verlängern als die von Kohlekraftwerken, betonte Söder. Er halte auch eine Verlängerung der Laufzeit für das Atomkraftwerk Isar 2 im niederbayerischen Essenbach für möglich.