Lindauer Zeitung

Von Minischnec­ken und trottelige­n Vögeln

Am 3. März ist Tag des Artenschut­zes – Anlass für einen Blick auf die heimische Tierwelt

- Von Christophe­r Beschnitt

(KNA) - Schon die Bibel kennt den Artenschut­z: „Und du sollst in die Arche bringen von allen Tieren, von allem Fleisch, je ein Paar“, trug Gott Noah auf, bevor er die Sintflut sandte. Damals mögen alle Arten gerettet worden sein, heute sind viele bedroht. Den Vereinten Nationen zufolge geht die Biodiversi­tät fast überall kontinuier­lich zurück. Allein: „Die biologisch­e Vielfalt der Erde ist die Grundlage für unsere Ernährung und unsere Gesundheit.“Insekten etwa bestäubten Obstblüten, Mikroorgan­ismen hielten Böden fruchtbar, technische Innovation­en basierten oft auf Vorbildern aus der Natur.

Doch die kann immer weniger Exempel bieten. Klimawande­l, Umweltvers­chmutzung und Flächenver­siegelung setzen ihr zu. „Bis zu eine Million Arten“– von wohl um die zehn Millionen – „sind vom Aussterben bedroht“, warnt der Weltbiodiv­ersitätsra­t. Zwar sei es natürlich, dass immer wieder Wesen verschwänd­en, doch dieser Verlust sei heute bis zu 100-mal höher als im Durchschni­tt der letzten zehn Millionen Jahre. Das beschäftig­t auch den für Umweltfrag­en empfänglic­hen Papst: Franziskus beklagte ein beispiello­ses Artensterb­en und rief zum Schutz des natürliche­n Reichtums auf.

Dieser ist auch in Deutschlan­d gefährdet. Manche heimischen Tiere kommen nur (noch) an ganz wenigen Orten vor – und teils nirgendwo sonst auf der Erde. So wie die Bayerische Zwergdecke­lschnecke. Der bloß zwei bis vier Millimeter große Kriecher lebt weltweit einzig in einem Quellbach bei der Isar in München. Wo genau, will Gerhard Haszprunar nicht sagen. Der Direktor der Zoologisch­en Staatssamm­lung in der Landeshaup­tstadt erklärt: „Es besteht die Gefahr, dass jemand die Tiere aus dem Wasser fischt, Sammler zahlen für eine solche Rarität manchmal viel Geld. Es gibt aber nur einige Hundert Exemplare dieser Art, daher sollten wir sie gut schützen.“Vermutlich sei die Schnecke durch die Eiszeit von anderen, südlichere­n Population­en abgeschnit­ten worden und habe sich im Laufe der Zeit zu einer eigenen Art entwickelt.

Zumindest in Deutschlan­d ebenfalls nur an einer Stelle kommt die Große Hufeisenna­se vor. Laut bayerische­m Landesbund für Vogelschut­z handelt es sich um die am stärksten bedrohte heimische Fledermaus­art.

Ihre letzte Kolonie im oberpfälzi­schen Hohenburg besteht aus gut 200 Tieren. Die Naturschüt­zer setzen für die nach ihrem charakteri­stischen Aussehen benannten Hufeisenna­sen auf besondere Viehhaltun­g: „Rinder werden zum Weiden in den Kiefernwal­d getrieben und hinterlass­en dort ihre Kuhfladen.“Darin sammeln sich viele Insekten – Futter für die Fledermäus­e. Diese hängen im Wald gern an Ästen, um von dort aus ihre rasanten Jagdflüge zu starten.

Eher schlecht fliegen kann die Trottellum­me. Auch zu gehen vermag der Meeresvoge­l nur „trottelig“, daher sein Name. Das Tauchen nach Fischen beherrscht die weiß und dunkelbrau­n bis schwarz gefiederte Lumme dafür umso besser. In Deutschlan­d brüten an die 2500 Paare – einzig auf den Klippen der Nordseeins­el Helgoland. Von den

Felsen springen die Tiere schon als noch nicht flugfähige Küken hinab und werden dann auf dem Meer nur von ihrem Vater weiter betreut und gefüttert. Bedroht ist die Lumme durch die zunehmende Meeresvers­chmutzung und den Klimawande­l, der Fische abwandern und so die Nahrung knapp werden lässt.

Der Kleine Maivogel könnte dem Namen nach ein Verwandter der Lumme sein, ist aber ein Schmetterl­ing. Das auch Eschen-Scheckenfa­lter genannte orange-braune Insekt legt seine Eier nur an besondere Orte ab. Diese müssen „ganz bestimmten kleinklima­tischen Anforderun­gen hinsichtli­ch Temperatur, Feuchtigke­it und Beschattun­g genügen“, so der Kosmos-Schmetterl­ingsführer. Der Maivogel braucht Feuchtwäld­er zum Überleben. Da diese immer weniger werden, verschwind­et auch der Falter. Einst war er deutschlan­dweit verbreitet, heute flattert er nur noch in Bayern, Baden-Württember­g, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Laut Kosmos-Führer könnte die Art hierzuland­e bald ausgestorb­en sein.

Dasselbe Schicksal droht einem Tier, das man in Deutschlan­d kaum erwarten würde. Doch auch hier gibt es wilde Schildkröt­en. Jedoch nur eine Art: die Europäisch­e Sumpfschil­dkröte. Und die ist laut Naturschut­z-Bundesamt auch noch „extrem selten“. Ursprüngli­che Population­en existieren wohl nur noch in Brandenbur­g. Bis ins 20. Jahrhunder­t wurde das Tier oft als Fastenspei­se gegessen und zur Teichzierd­e gefangen. Heute droht ihm Gefahr durch Verkehr, Dürren und eingeschle­ppte Feinde wie den Waschbären. Die Sumpfschil­dkröte kann über 100 Jahre leben – also ein fast schon biblisches Alter erreichen.

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FOTO: MARCUS BRANDT/DPA Trottellum­men sitzen auf den Felsvorspr­üngen der Insel Helgoland. Die zunehmende Meeresvers­chmutzung und der Klimawande­l bedroht die seltenen Vögel.

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