Patientenmörder als Zeuge im Kreuzverhör
Ärzte, Pfleger und ein Ex-Klinikchef als Angeklagte – Komplexes Verfahren am Oldenburger Landgericht
(dpa) - Der 2019 wegen 85-fachen Mordes verurteilte Patientenmörder Niels Högel hat am Mittwoch erneut als Zeuge in einem Prozess gegen frühere Klinikvorgesetzte ausgesagt. Über Stunden wurde der 45-Jährige von der Kammer und den Anwälten zu verschiedensten Themen befragt. Konkret äußerte sich der Zeuge auch zu einem Mordfall im Juni 2005 in Klinikum Delmenhorst.
Daran könne er sich genau erinnern: „Weil es der vorletzte Mordfall war, bevor die Serie endete“, sagte der Zeuge. Den im künstlichen Koma liegenden Patienten habe er damals über einen Zugang das Herz-Medikament Gilurytmal injiziert. Eine Kollegin erwischte ihn de facto auf frischer Tat. Der Patient überlebte nicht.
Den sieben Angeklagten – drei Ärzte, drei leitende Pflegerinnen und Pfleger und ein Ex-Klinikgeschäftsführer der Kliniken Oldenburg und Delmenhorst – wird in unterschiedlichem Umfang Beihilfe zum Totschlag beziehungsweise versuchten Totschlag jeweils durch Unterlassen vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt sie, trotz Hinweisen nichts unternommen zu haben, um die Verbrechen zu unterbinden.
Högel brachte erst in Oldenburg und dann in Delmenhorst in den Jahren 2000 bis 2005 wehrlose Patienten um, indem er ihnen nicht verordnete Medikamente spritzte. Der Deutsche wurde 2019 zu lebenslanger Haft verurteilt und verbüßt seine Strafe in der JVA Oldenburg.
Högel betonte, er habe seine Taten zum Ende hin „nicht mehr großartig vertuscht oder verdeckt“. „In mir war eine Hoffnung, dass das irgendwie beendet wird.“Lange Zeit sei er sicher gewesen, dass die Taten für seine Kollegen „so abstrus und undenkbar“waren, dass niemand darauf kommen werde. Zuletzt habe er gedacht, dass langsam „endlich mal einer dahinter kommen muss“.
„Das klingt für Außenstehende geradezu pervers“, sagte Richter Sebastian Bührmann. Er habe es ja selbst in der Hand gehabt, seine Taten zu beenden. Högel antwortete, dass ihm der Mut gefehlt habe, zur Polizei zu gehen. „Den letzten Schritt konnte ich nicht gehen.“
Durch die Befragung durch die Verteidiger erfuhren Zuschauer und Journalisten auch unter anderem die exakte Medikamentierung Högels, der Arzneien gegen zu hohe Blutfettwerte und Antidepressiva nimmt, dass der Zeuge eine Schutzweste trägt und warum er Respekt vor einigen anwesenden Anwälten hat.
Für den Prozess sind bis Ende November insgesamt 42 Verhandlungstage angesetzt.