Das Leben in einer einsamen neuen Welt
Der Laupheimer Ansgar Thiel schreibt mit „Network“einen Thriller, der im Jahr 2046 spielt
Es sind zwar nur knapp 25 Jahre und doch liegen Welten zwischen heute und 2046. Dies ist das Jahr, in dem der Thriller „Network“von Ansgar Thiel spielt.
Berlin ist eine glitzernde Metropole im Bundesland Deutschland mitten in Europa. Doch der erste Blick trügt. In den Außenbezirken der modernen Großstadt vegetiert das Gros der Bewohner vor sich hin. Diese Menschen dort gehörten einmal zur Mittelschicht, sind aber aufgrund fehlender Jobs im wahrsten Sinne des
Wortes aus dem
Netz gefallen und kämpfen nun in völlig heruntergekommenen Wohnvierteln ums Überleben. Männer und Frauen fristen ein erbärmliches Dasein, das sich im Kern allerdings gar nicht so sehr von dem unterscheidet, das die sogenannten Networker in der Innenstadt führen. Die müssen zwar dank eines für alle gleichen Bürgergelds und virtuellen Jobs nicht hungern und wohnen in ganz anständigen Behausungen. Allerdings fehlen ihnen die sozialen Kontakte.
Die Vereinsamung der Menschen, die sich höchstens in virtuellen Debattierclubs als Avatare regelmäßig treffen, stellt ein großes Problem dar. Für die Networker selbst, aber auch für die Regierenden und Reichen. Ja, die gibt es immer noch, trotz angeblicher Gleichschaltung. Sie sind es, die sich wenigstens ab und zu einen Restaurantbesuch leisten können, zu dem sie selbstverständlich in autonom fahrenden Elektroautos kommen und wo ihnen in der Regel gesundes, vegetarisches Essen serviert wird. Nicht von echten Kellnern, sondern von sogenannten Servanten – Robotern in Menschenform, die als Krankenpfleger, Empfangspersonal, Reinigungskräfte, Arbeitsüberwacher, Diener oder in Schlägertrupps arbeiten.
Dann gibt es noch Menschen wie die Polizisten Babic, Henson und DiMarco, die tatsächlich in der wirklichen Welt wirken dürfen und damit beschäftigt sind, mehrere Morde aufzuklären: Morde an Netzidentitäten und Morde an real existierenden Menschen. Verwirrt? Das spielt keine Rolle.
Ansgar Thiel, gebürtiger Laupheimer, Sportwissenschaftler, Psychologe, Psychogerontologe und Professor an der Universität in Tübingen überfordert seine Leser zwar manchmal mit zu viel virtueller Welt sowie jeder Menge Spezialwissen und Fachausdrücken. So manche Vorgehensweisen der Computerfreaks wird sich nicht jedem erschließen. Das schadet der Spannung des Thrillers aber nicht im Geringsten und mindert den Lesegenuss nur minimal. Wobei Genuss? Nicht so ganz der richtige Begriff angesichts der bedrohlichen Szenarien, die Thiel in einem dystopischen Berlin kreiert. Vor allem, weil sich das alles wie die nur konsequente Weiterentwicklung unserer Welt, so wie sie sich heute darstellt, liest. Nicht schön, aber genau darin liegt der Reiz dieses Buches.
Ansgar Thiel: Network, Gmeiner Verlag, 505 Seiten, 16 Euro.