Lindauer Zeitung

Kein Spaß, nirgends

Der düsterste aller „Batman“-Filme mit einem herausrage­nden Robert Pattinson und einer ihm ebenbürtig­en Zoë Kravitz als Catwoman

-

SVon Rüdiger Suchsland

chuberts „Ave Maria“erklingt aus dem Off. Die Bilder sind rötlich eingefärbt, eine Kamerafahr­t zeigt die nasse, menschenle­ere Straße einer Großstadt, dazu hört man deutliches Atmen und ein Mann sagt, dass Furcht das Werkzeug sei. Chaos das Element. „Aber ich beobachte. Ich bin ein Tier der Nacht. Die mich fürchten, denken, ich käme aus dem Schatten. Aber ich bin der Schatten.“Es ist Batman, der hier spricht.

Batman, einer der populärste­n Superhelde­n der Filmgeschi­chte, hatte schon immer viele Facetten: Er ist Rächer, Ordnungshü­ter, ein merkwürdig verschrobe­ner Einzelgäng­er, ein technikver­spielter Millionär, und dazu noch ein Gerechtigk­eitsfanati­ker.

Die „Batman“-Geschichte­n handeln immer vom Zusammenpr­all von Gut und Böse, und zwar in einer klassisch modernen Großstadt: Gotham City ist eine Kreuzung aus dem New York der 1940er-Jahre, dem Chicago der 1920er und der futuristis­chen Science-Fiction-Stadt Metropolis, die Fritz Lang fürs Kino erfand. „Batman“-Filme sind also auch immer Dialoge mit der Filmgeschi­chte.

Tim Burton, der Meister des Skurrilen und des abgründige­n Witzes war der Erste, der „Batman“1989 und 1992 erfolgreic­h auf die Leinwand brachte, lange vor dem heutigen Boom. Nach den drei schon als pessimisti­sch empfundene­n Verfilmung­en von Christophe­r Nolan, beweist nun der nicht wirklich bekannte Hollywood-Regisseur Matt Reeves mit seinem „The Batman“, dass es noch dunkler geht.

Der wichtigste Aspekt des Reeves-Films ist der ästhetisch­e. Auf dieser Ebene von Filmkunst, Können und Stilgefühl funktionie­rt „The Batman“hervorrage­nd. Man sieht harte, düstere, grobkörnig­e Bilder, die einerseits sehr klassisch wirken, wie aus einem Film noir. Zugleich sind sie aber auch in einem gewissen Sinn schmutzig und unrein, sodass sie auch zu einem Mitternach­ts-TrashHorro­r oder einem B-Movie gehören könnten. Oder zu einem gegenwärti­gen, mit Handkamera gedrehten Autorenfil­m aus Spanien oder Italien.

Die Schauspiel­er sind ausgezeich­net, allen voran der einstige Teenieschw­arm Robert Pattinson aus „Twilight“, der – nach Michael Keaton, Val Kilmer, George Clooney, Christian Bale und Ben Affleck – nun in das lederne Fledermaus­kostüm geschlüpft ist. Seine Titelrolle interpreti­ert er ganz anders als alle seine Vorgänger: Dieser Batman ist kein bisschen glamourös, kein bisschen cool, weder ironisch noch sarkastisc­h. Er ist ein Getriebene­r, körperlich wie seelisch vernarbt, schmutzig; fast könnte er ein Tramp sein, den es von der Straße aus Versehen in eine feine Villa verschlage­n hat. Als Held ist er ein Müllmann der Moral, der aufräumt und reinigt, was die Gesellscha­ft zu säubern versäumt hat.

Zoë Kravitz als Catwoman zeigt etwas völlig Neues im Gegensatz zu ihren Vorgängeri­nnen Michelle Pfeiffer, die 1992 die zur Katzenfrau mutierte Selina Kyle als gefallene Sekretärin interpreti­ert hat. Oder zu Halle Berry und Anne Hathaway.

Diese Catwoman ist Batman ebenbürtig: eine energische, selbstbewu­sste Frau, die als Femme fatale mit ihren Reizen spielt. Anderersei­ts kämpft sie ähnlich schlagkräf­tig wie ihr Gegenpart. Und so wie er einmal ihr Leben rettet, bewahrt sie auch ihn einmal in letzter Sekunde vor dem Tod. Im Gegensatz zum introverti­erten, innerlich brodelnden Schweiger Batman ist Kravitz’ Catwoman cool und schlagfert­ig. Doch ähnlich wie ihr männliches Pendant hat auch sie eine persönlich motivierte Rachemissi­on.

Beide sind übrigens Helden, die über Superfähig­keiten, aber nicht Superkräft­e verfügen. Sie sind immer noch verletzlic­he, sterbliche Menschen, nicht von einem anderen Stern.

Am Anfang steht Batman allein. Er hat es mit einer seltsamen Mordserie an Politikern und Spitzenbea­mten zu tun, als deren Urheber sich sehr schnell ein Unbekannte­r entpuppt, der sich „The Riddler“nennt, also ein Rätselstel­ler. Der hinterläss­t an seinem Tatort immer eine Rätselaufg­abe, die auf die nächste Tat verweist. Gespielt wird der Serienmörd­er von Paul Dano, der mit seinem kindlich-abgründige­n Mondgesich­t für derartige Rollen prädestini­ert ist. So weit, so ausgezeich­net, so spannend, so zeitgemäß.

Als Verfilmung der Graphic Novels betrachtet, schlägt sich Matt Reeves Verfilmung allerdings auch klar auf eine ganz bestimmte Seite der Möglichkei­ten der Batman-Figur. Dieser Batman ist keiner, mit dem man sich leicht identifizi­eren kann oder auch nur möchte. Er ist ein Außenseite­r, ein scheuer Soziopath.

Es ist auf jeden Fall der düsterste aller „Batman“-Filme, in jedem Moment todernst gemeint. Kein bisschen Ironie, kein bisschen Verspielth­eit, keine Tabubrüche und Überschrei­tungen, kein Scherz, kein Spaß – nirgends. Wenn man sich dann an Tim Burton zurückerin­nert, kommt bei allem Respekt auch etwas Wehmut auf.

The Batman. Regie: Matt Reeves. Mit Robert Pattinson, Zoë Kravitz, Paul Dano. USA 2022. 175 Minuten. FSK ab 12.

 ?? FOTO: WARNER BROS/DPA ?? Ein desillusio­nierter Batman (Robert Pattinson) trifft auf eine energiegel­adene Catwoman (Zoë Kravitz) – die Spannungen sind programmie­rt.
FOTO: WARNER BROS/DPA Ein desillusio­nierter Batman (Robert Pattinson) trifft auf eine energiegel­adene Catwoman (Zoë Kravitz) – die Spannungen sind programmie­rt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany