„Es war echt heftig“
Ralf Eisenhut verteilt an der ukrainischen Grenze rund 4500 Essen – Es gibt noch mehr Initiativen im Kreis
- Immer mehr Lindauerinnen und Lindauer ergreifen Initiative, um den Menschen zu helfen, die wegen des Kriegs aus der Ukraine flüchten. Während die einen schon von einem Hilfseinsatz von der Grenze zurückkehren, machen sich die anderen erst noch auf den Weg. Und auch in Lindau bereiten sich schon darauf vor, Geflüchteten eine Anlaufstelle zu bieten.
Ralf Eisenhut ist schon wieder auf dem Rückweg von der Grenze zwischen Ungarn und der Ukraine. Der Wirt des Bodolzer Dorfstübles hatte zusammen mit Helferinnen und Helfern rund 3000 Essen gekocht, aber auch mehrere Kisten Äpfel eingepackt. In Ungarn luden er und sein Koch Damiano Maugeri noch 150 Kilogramm Brot und Babynahrung im Wert von 500 Euro ein, die eine Frau gespendet hatte.
Nach einer Übernachtung in Ungarn fuhren die beiden Männer aus Bodolz an einen ukrainischen Grenzübergang und stellten dort gegen 12 Uhr ihre mobile Küche auf Biertischen auf. Wie Eisenhut berichtet, nahmen die meisten Menschen, die mit Zügen an die Grenze gebracht wurden, das Angebot dankbar an. „Die Menschen kamen in Schüben“, sagt er. „Ein Zug hat immer so 1000 Leute gebracht.“Die Pausen dazwischen nutzten er und Maugeri, die teilweise von weiteren Helfern unterstützt wurden, um die nächsten Portionen warm zu machen.
Als sie um 4 Uhr in der Nacht alle leeren Behälter wieder eingepackt hatten, fuhren sie nach Budapest, um dort zu übernachten und sich einen Tag auszuruhen. „Es war echt heftig“, sagt Eisenhut, der über sein Engagement auch in einem Video-Tagebuch berichtete. „Ich muss erstmal zu mir kommen und die ganzen Eindrücke verarbeiten.“
Er schätzt, dass sie 4000 bis 4500 Essen ausgegeben haben. „Unsere Schälchen waren nicht so groß, aber die Menschen haben sich gefreut, dass sie was Warmes bekommen haben“, sagt er. Viele von ihnen hätten erzählt, dass sie in den vergangenen Tagen nur Sandwiches gegessen haben.
Teresa Deufel vom gleichnamigen Lindauer Weingut und die Bodolzerin Lena Schäfer haben am Dienstag spontan eine Hilfsaktion gestartet. Sie rufen dazu auf, kleine Hilfspakete zu schnüren und sie abzugeben. „Die Resonanz ist überwältigend“, sagt Teresa Deufel. Die Päckchen lassen die beiden Frauen an die rumänischukrainische Grenze bringen. Der Transporter startet am Freitag nach Rumänien.
Die Verbindung nach Rumänien kommt über die Mitarbeiter des Obst- und Weinbaubetriebs der Familie Deufel-Erletz zustande. Sie stammen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine. „Ein Bekannter bringt den Vater von einem unserer Mitarbeiters nach Lindau“, berichtet Teresa
Deufel. Auf dem Rückweg packe er die Päckchen ein und verteilt sie zusammen mit Helfern an der Grenze.
Damit die Päckchen möglichst einheitlich sind, sollten sie etwa so groß sein wie ein Schuhkarton. Auf der Packliste, die die beiden Frauen in Kindergärten ausgegeben und im Internet geteilt haben, stehen eine Packung Müsli- oder Energieriegel, vier Becher Instantnudeln, ein Päckchen Gummibärchen, Brausetabletten mit Geschmack, eine Tafel Schokolade, zwei Zahnbürsten, eine Zahnpasta, ein Deoroller, eine kleine Packung Damenbinden und eine Seife. Außerdem schlagen die beiden Organisatoren, für den Fahrer einen Euro Spritgeld außen auf das Päckchen zu kleben. Seither steht Teresa Deufels Handy nicht mehr still.
Wer ein Päckchen beisteuern möchte, sollte es am Freitag zwischen 10 und 12 Uhr an die Obsthalle von Teresa Deufel und Philipp Erletz am Schönauer Ortseingang abgeben. Die Organisatorinnen bitten darum, nur die Päckchen zu bringen. „Viele wollen auch Kleidung abgeben oder Geld spenden“, sagt Lena Schäfer. „Aber das stemmen wir zwei Mamas nicht.“Dazu bräuchten sie eine Sammelstelle, Lagerräume und ein Spendenkonto. „Wir bemühen uns, das noch zu organisieren, aber wir wissen noch nicht, ob das klappt und wann wir das schaffen“, sagt Teresa Deufel.
Auch das Lindauer Familienzentrum Minimaxi möchte Geflüchteten helfen und sucht dafür noch Unterstützerinnen und Unterstützer, die zum Beispiel beim Dolmetschen oder bei der Kinderbetreuung helfen können. „Wir wollen eine Plattform sein für Menschen, die in Lindau ankommen“, sagt Geschäftsführerin Katrin Höferlin. „Wir haben Platz und können einen Rahmen für Austausch bieten.“
Wie die Angebote genau aussehen werden, kann sie noch nicht sagen. Die Strukturen müssten erst noch aufgebaut werden, außerdem kläre das Familienzentrum mit dem Gesundheitsamt ab, welche Regeln sie einhalten müssen.
Vorstellbar ist laut Höferlin, dass das internationale Frauenfrühstück wiederbelebt wird, das vor Corona immer montags stattfand. Auch Betreuungsangebote für Kleinkinder und Schulkinder seien denkbar. „Es kommen bestimmt Leute, die auf sich allein gestellt sind oder die Hilfe bei Behördengängen brauchen“, sagt die Geschäftsführerin.“
Nach wie vor ist unklar, wann dem Landkreis Lindau die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine offiziell zugewiesen werden. „Wir haben darüber noch keine Informationen von der Regierung von Schwaben erhalten“, sagt Sibylle Ehreiser, Pressesprecherin des Lindauer Landratsamts.
Bisher sind Geflüchtete aus der Ukraine vor allem bei Verwandten oder Bekannten untergekommen. Wie sie vorgehen müssen, um sich offiziell anzumelden oder wenn es um Leistungen oder eine Krankenversicherung geht, steht noch nicht fest. Darüber werde das Landratsamt am Donnerstag informieren.
Aufgrund einer kurzfristig angezeigten Demonstration kann es in Lindau am Donnerstag, 3. März, von etwa 18.15 bis etwa 18.45 Uhr vor allem stadteinwärts zu Verkehrsbeeinträchtigungen kommen. Betroffen sind laut einer Pressemitteilung der Stadt die Bereiche um den Karl-Bever-Platz, den Europaplatz, Seebrücke/ChellesAllee und Zwanzigerstraße. Je nach Situation vor Ort ist auch mit kürzeren Sperrungen durch die Polizei zu rechnen. Veranstalter der Demonstration zum Thema „Aktionstag zur Solidarität mit der Ukraine“ist Fridays for Future Lindau.