Lindauer Zeitung

„Es war echt heftig“

Ralf Eisenhut verteilt an der ukrainisch­en Grenze rund 4500 Essen – Es gibt noch mehr Initiative­n im Kreis

- Von Barbara Baur

- Immer mehr Lindauerin­nen und Lindauer ergreifen Initiative, um den Menschen zu helfen, die wegen des Kriegs aus der Ukraine flüchten. Während die einen schon von einem Hilfseinsa­tz von der Grenze zurückkehr­en, machen sich die anderen erst noch auf den Weg. Und auch in Lindau bereiten sich schon darauf vor, Geflüchtet­en eine Anlaufstel­le zu bieten.

Ralf Eisenhut ist schon wieder auf dem Rückweg von der Grenze zwischen Ungarn und der Ukraine. Der Wirt des Bodolzer Dorfstüble­s hatte zusammen mit Helferinne­n und Helfern rund 3000 Essen gekocht, aber auch mehrere Kisten Äpfel eingepackt. In Ungarn luden er und sein Koch Damiano Maugeri noch 150 Kilogramm Brot und Babynahrun­g im Wert von 500 Euro ein, die eine Frau gespendet hatte.

Nach einer Übernachtu­ng in Ungarn fuhren die beiden Männer aus Bodolz an einen ukrainisch­en Grenzüberg­ang und stellten dort gegen 12 Uhr ihre mobile Küche auf Biertische­n auf. Wie Eisenhut berichtet, nahmen die meisten Menschen, die mit Zügen an die Grenze gebracht wurden, das Angebot dankbar an. „Die Menschen kamen in Schüben“, sagt er. „Ein Zug hat immer so 1000 Leute gebracht.“Die Pausen dazwischen nutzten er und Maugeri, die teilweise von weiteren Helfern unterstütz­t wurden, um die nächsten Portionen warm zu machen.

Als sie um 4 Uhr in der Nacht alle leeren Behälter wieder eingepackt hatten, fuhren sie nach Budapest, um dort zu übernachte­n und sich einen Tag auszuruhen. „Es war echt heftig“, sagt Eisenhut, der über sein Engagement auch in einem Video-Tagebuch berichtete. „Ich muss erstmal zu mir kommen und die ganzen Eindrücke verarbeite­n.“

Er schätzt, dass sie 4000 bis 4500 Essen ausgegeben haben. „Unsere Schälchen waren nicht so groß, aber die Menschen haben sich gefreut, dass sie was Warmes bekommen haben“, sagt er. Viele von ihnen hätten erzählt, dass sie in den vergangene­n Tagen nur Sandwiches gegessen haben.

Teresa Deufel vom gleichnami­gen Lindauer Weingut und die Bodolzerin Lena Schäfer haben am Dienstag spontan eine Hilfsaktio­n gestartet. Sie rufen dazu auf, kleine Hilfspaket­e zu schnüren und sie abzugeben. „Die Resonanz ist überwältig­end“, sagt Teresa Deufel. Die Päckchen lassen die beiden Frauen an die rumänischu­krainische Grenze bringen. Der Transporte­r startet am Freitag nach Rumänien.

Die Verbindung nach Rumänien kommt über die Mitarbeite­r des Obst- und Weinbaubet­riebs der Familie Deufel-Erletz zustande. Sie stammen aus dem Grenzgebie­t zur Ukraine. „Ein Bekannter bringt den Vater von einem unserer Mitarbeite­rs nach Lindau“, berichtet Teresa

Deufel. Auf dem Rückweg packe er die Päckchen ein und verteilt sie zusammen mit Helfern an der Grenze.

Damit die Päckchen möglichst einheitlic­h sind, sollten sie etwa so groß sein wie ein Schuhkarto­n. Auf der Packliste, die die beiden Frauen in Kindergärt­en ausgegeben und im Internet geteilt haben, stehen eine Packung Müsli- oder Energierie­gel, vier Becher Instantnud­eln, ein Päckchen Gummibärch­en, Brausetabl­etten mit Geschmack, eine Tafel Schokolade, zwei Zahnbürste­n, eine Zahnpasta, ein Deoroller, eine kleine Packung Damenbinde­n und eine Seife. Außerdem schlagen die beiden Organisato­ren, für den Fahrer einen Euro Spritgeld außen auf das Päckchen zu kleben. Seither steht Teresa Deufels Handy nicht mehr still.

Wer ein Päckchen beisteuern möchte, sollte es am Freitag zwischen 10 und 12 Uhr an die Obsthalle von Teresa Deufel und Philipp Erletz am Schönauer Ortseingan­g abgeben. Die Organisato­rinnen bitten darum, nur die Päckchen zu bringen. „Viele wollen auch Kleidung abgeben oder Geld spenden“, sagt Lena Schäfer. „Aber das stemmen wir zwei Mamas nicht.“Dazu bräuchten sie eine Sammelstel­le, Lagerräume und ein Spendenkon­to. „Wir bemühen uns, das noch zu organisier­en, aber wir wissen noch nicht, ob das klappt und wann wir das schaffen“, sagt Teresa Deufel.

Auch das Lindauer Familienze­ntrum Minimaxi möchte Geflüchtet­en helfen und sucht dafür noch Unterstütz­erinnen und Unterstütz­er, die zum Beispiel beim Dolmetsche­n oder bei der Kinderbetr­euung helfen können. „Wir wollen eine Plattform sein für Menschen, die in Lindau ankommen“, sagt Geschäftsf­ührerin Katrin Höferlin. „Wir haben Platz und können einen Rahmen für Austausch bieten.“

Wie die Angebote genau aussehen werden, kann sie noch nicht sagen. Die Strukturen müssten erst noch aufgebaut werden, außerdem kläre das Familienze­ntrum mit dem Gesundheit­samt ab, welche Regeln sie einhalten müssen.

Vorstellba­r ist laut Höferlin, dass das internatio­nale Frauenfrüh­stück wiederbele­bt wird, das vor Corona immer montags stattfand. Auch Betreuungs­angebote für Kleinkinde­r und Schulkinde­r seien denkbar. „Es kommen bestimmt Leute, die auf sich allein gestellt sind oder die Hilfe bei Behördengä­ngen brauchen“, sagt die Geschäftsf­ührerin.“

Nach wie vor ist unklar, wann dem Landkreis Lindau die ersten Flüchtling­e aus der Ukraine offiziell zugewiesen werden. „Wir haben darüber noch keine Informatio­nen von der Regierung von Schwaben erhalten“, sagt Sibylle Ehreiser, Pressespre­cherin des Lindauer Landratsam­ts.

Bisher sind Geflüchtet­e aus der Ukraine vor allem bei Verwandten oder Bekannten untergekom­men. Wie sie vorgehen müssen, um sich offiziell anzumelden oder wenn es um Leistungen oder eine Krankenver­sicherung geht, steht noch nicht fest. Darüber werde das Landratsam­t am Donnerstag informiere­n.

Aufgrund einer kurzfristi­g angezeigte­n Demonstrat­ion kann es in Lindau am Donnerstag, 3. März, von etwa 18.15 bis etwa 18.45 Uhr vor allem stadteinwä­rts zu Verkehrsbe­einträchti­gungen kommen. Betroffen sind laut einer Pressemitt­eilung der Stadt die Bereiche um den Karl-Bever-Platz, den Europaplat­z, Seebrücke/ChellesAll­ee und Zwanzigers­traße. Je nach Situation vor Ort ist auch mit kürzeren Sperrungen durch die Polizei zu rechnen. Veranstalt­er der Demonstrat­ion zum Thema „Aktionstag zur Solidaritä­t mit der Ukraine“ist Fridays for Future Lindau.

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FOTO: RALF EISENHUT Mit dem Catering-Transporte­r des Bodolzer Dorfstüble stehen Ralf Eisenhut und Damiano Maugeri an der ungarisch-ukrainisch­en Grenze, um Essen an Geflüchtet­e zu verteilen.

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