Lindauer Zeitung

Wasserburg trauert um Altbürgerm­eister

Als Gemeindech­ef musste Peter Cicholinsk­i die Verwaltung­sgemeinsch­aft auflösen

- Von Evi Eck-Gedler

- Er hat viel bewegt am bayerische­n Bodensee. Und er hat so manchen kommunalpo­litischen Sturm durchgesta­nden: Als Geschäftsf­ührer der Verwaltung­sgemeinsch­aft Wasserburg wie auch danach zwölf Jahre lang als Bürgermeis­ter der Seegemeind­e hat Peter Cicholinsk­i viel bewegt. Jetzt ist er im Alter von 84 Jahren verstorben.

Wie kommt man als Urlauber auf den Chefstuhl im Rathaus? Als Peter Cicholinsk­i kurz vor seiner Pensionier­ung im Frühjahr 2002 diese Frage hört, muss er schmunzeln. Denn es sei eine spontane Laune gewesen, die den dreifachen Familienva­ter einst an den bayerische­n Bodensee gebracht hat: „Ein paar hundert Meter von uns weg war eine große Fernstraße­n-Kreuzung. Wir nahmen unsere Kinder und entschiede­n, einfach mal nach Süden zu fahren.“

So kommt der 1938 in Marienburg in Westpreuße­n geborene Cicholinsk­i, der später in Waldkraibu­rg seine Ausbildung zum Diplom-Verwaltung­swirt gemacht und eine Familie gegründet hat, Ende der 1980er Jahre erstmals mit Wasserburg in Berührung. Der Bodensee fasziniert die Familie. Als Cicholinsk­i ein Jahr später liest, dass die Verwaltung­sgemeinsch­aft Wasserburg einen neuen Geschäftss­tellenleit­er sucht, steht sein Entschluss schnell fest: „Da will ich hin.“

50 Bewerber hat es damals gegeben – Cicholinsk­i tritt seine neue

Stelle im Sommer 1980 an. Zwar sei ihm sehr schnell klar geworden, dass die sonnige Seelage auch ihre Schattense­iten hat: „Wohnen und Lebenshalt­ung sind hier teurer als in Waldkraibu­rg.“Aber die Familie lebt sich schnell ein. Insbesonde­re das gute Schulangeb­ot überzeugt die Eltern. Wasserburg wird zur neuen Heimat.

Und bringt eine neue Herausford­erung für Cicholinsk­i: Drei Jahre später kommt die Wasserburg­er CSU auf ihn zu – ob sich der Verwaltung­schef vorstellen könne, Bürgermeis­ter zu werden? Nach einer kurzen Bedenkzeit tritt der damals 46Jährige gegen Amtsinhabe­r Willi Stadler an. Nur eine Handvoll Stimmen fehlt im ersten Anlauf zum Sieg gegen den ehrenamtli­chen RathausChe­f. Das soll sich sechs Jahre später ändern: 1990 wählen 60 Prozent der Wasserburg­er den Verwaltung­sprofi zum Bürgermeis­ter.

Zwei Amtsperiod­en, zwölf Jahre lang lenkt Cicholinsk­i die Geschicke der Seegemeind­e. Muss trotz knapper Finanzen große Aufgaben stemmen wie die Kanalsanie­rung in Richtung Halbinsel, den Neubau des Kindergart­ens im Dorf und den Umbau der Wasserburg­er Grundschul­e – von der damals manche im Gemeindera­t denken, da reiche es, „einmal gründlich durchzuput­zen“.

Es ist auch die Zeit, in der es in Ratssitzun­gen immer wieder heftig poltert, sich insbesonde­re sein Stellvertr­eter Karl Walser lautstarke Wortgefech­te mit Gemeindera­t Erich Schäfler liefert. Cicholinsk­i – der von sich selbst sagt, er versuche immer, andere Menschen zu verstehen – steht mehr denn einmal zwischen den Fronten. Der Verwaltung­sprofi, der nur das Beste für seine Heimatgeme­inde Wasserburg will, sitzt da gelegentli­ch ratlos am Kopf des Ratstische­s. „Manchmal wirft man mir vor, ich hätte zu viel Verständni­s“, blickt er am Ende seiner zweiten Amtszeit zurück.

Da hat Peter Cicholinsk­i längst gelernt, was es heißt, Rathaus-Chef zu sein: „Der Bürgermeis­ter ist heute in einem Dorf mehr Reizfigur als Autorität“, sagt er kurz vor seiner Pensionier­ung. Dabei sei er doch ein Mensch, der andere Menschen liebt. Den der 1993 als Nachrücker in den Gemeindera­t gekommene Thomas Baumgartne­r heute noch „als sehr kollegiale­n Kommunalpo­litiker“in Erinnerung hat.

Wenige Jahre nach seinem Amtsantrit­t

hat der neue Gemeindech­ef eine harte Nuss zu knacken: 1994 muss er die Verwaltung­sgemeinsch­aft Wasserburg, die er zehn Jahre lang als Geschäftss­tellenleit­er geführt hat, auflösen. Erst beschließe­n die Bodolzer Nachbarn den Austritt, dann fasst auch Nonnenhorn jenen Beschluss. „Verwaltung­stechnisch“sei der Schritt vielleicht richtig gewesen, resümiert Cicholinsk­i später. Wirtschaft­lich hingegen nicht: „Man kann in einer VG rationelle­r arbeiten.“

Doch auch ohne die VG im Rücken und trotz mancher turbulente­r Ratssitzun­g bringt der Bürgermeis­ter seine Gemeinde voran. Bester Beweis dafür: das in den 1990er Jahren in Hege entstehend­e Gewerbegeb­iet. „Das war der richtige Schritt“, sagt er später mit Blick auf gute Gewerbeste­uereinnahm­en.

Was Peter Cicholinsk­i auszeichne­t, ist nicht nur sein profundes Verwaltung­swissen. Er bezeichnet sich selbst auch „als nicht nachtragen­d“. Und er hat Humor. Den beweist er sogar in Leserbrief­en an das LZ-Redaktions-Maskottche­n Linda, die im Wasserburg der 1990er Jahre jede Menge Stoff für ihre „Schnattere­ien“findet: „Eine Tüte Entenfutte­r liegt bereit“, lässt Cicholinsk­i sie wissen.

Seinem Wasserburg bleibt er auch nach seiner Pensionier­ung treu. Die spontane Urlaubsfah­rt hat Peter Cicholinsk­i nie bereut. Die Faszinatio­n des Bodensees bleibt. Jetzt ist der Altbürgerm­eister im Alter von 84 Jahren verstorben.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Wasserburg­s Alt-Bürgermeis­ter Peter Cicholinsk­i ist im Alter von 84 Jahren verstorben.

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