„Die Leute wissen, dass wir geschlossen stehen“
Achim Dietrich und Franz-Josef Müller von der IG Metall in Friedrichshafen wollen an der Spitze des ZF-Betriebsrats bleiben
- So eine Betriebsratswahl hat es bei ZF bisher noch nicht gegeben: Wegen Corona arbeiten viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach wie vor von zu Hause aus. Obwohl die Briefwahl möglich ist, erschwert die Pandemie die Mobilisierung der Belegschaft ungemein. Achim Dietrich und Franz-Josef Müller von der IG Metall (IGM), die bei der Wahl vor vier Jahren als Sieger hervorgingen, hoffen trotzdem auf eine hohe Wahlbeteiligung. Im Gespräch mit Florian Peking erzählen sie, was der Betriebsrat aus ihrer Sicht in den vergangenen Jahren erreicht hat, wie es weitergehen soll und wo es im Betrieb knirscht – nicht nur wegen Corona.
Herr Dietrich, Herr Müller, wir stehen vor der ersten ZF-Betriebsratswahl, die während der Pandemie stattfindet. Gesamtgesellschaftlich ist die Stimmung wegen Corona sehr aufgeheizt. Bei Ihnen im Betrieb auch?
Dietrich: Vereinzelt, ja. Die Verkürzung des Genesenen-Status hat zum Beispiel zuletzt für Unruhe gesorgt. Wir haben immer versucht, allen Beschäftigten gerecht zu werden. Wir haben zum Beispiel ein eigenes Test- und Impfzentrum organisiert. Wir haben einerseits darauf geachtet, dass die gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden, auf der anderen Seite aber haben wir nicht zusätzlich die Hürden für den Zugang zum Betrieb erhöht. Wir sind nicht die Politik, sondern ein Betrieb, der wirtschaftlich funktionieren muss. Und da brauchen wir alle Belegschaft schäftigten an Bord. Das Thema Corona wird hoffentlich irgendwann vorbei sein – und dann hilft es nicht, aus dieser Phase zerstritten hervorzugehen. Müller: Diskussionen über Impfgegner und „Spaziergänger“hatten wir hier im Betrieb auch. Es war immer unser Ziel, den Betriebsfrieden auf keinen Fall zu stören, indem wir uns in eine Richtung positionieren. Sondern wir wollten für alle die Arbeitsplätze so gestalten, dass das Risiko einer Ansteckung möglichst gering ist.
Ist Corona auch ein Thema im Wahlkampf?
Müller: Bisher nicht. Und ich hoffe auch, dass das so bleibt. Gerade, weil wir als Betriebsrat versucht haben, allen Beschäftigten gerecht zu werden. Dietrich: Ich glaube, der Belegschaft ist auch klar, dass wir jenseits von Corona andere Themen haben. Wir hatten wirtschaftliche Probleme, wir hatten Kurzarbeit, wir hatten Entgeltverluste. Dank einer flexiblen Belegschaft haben wir diese Zeit gemeinsam gemeistert und im vergangenen Jahr die Trendwende geschafft. Jetzt geht es darum, wie die Beschäftigten am Erfolg beteiligt werden.
Was hat der Betriebsrat in den vergangenen vier Jahren erreicht? Müller: Für mich war das die Sicherheit der Mitarbeiter in der Pandemie. Das war die größte Herausforderung – auch, dass die Produktion aufrechterhalten werden konnte und es keine Hotspots im Betrieb gab. Außerdem war im Betrieb Z mobiles Arbeiten ein großes Thema. Wo früher die Büroflächen fehlten, wollen inzwischen viele aus der Be
– das hat auch eine Umfrage gezeigt – auch nach der Pandemie von zu Hause arbeiten können. Dietrich: Eine weitere große Herausforderung im Zusammenhang mit Corona war auch die Kurzarbeit. Innerhalb kurzer Zeit ist es uns gelungen, deutschlandweit sehr gute Aufzahlungsregelungen zu vereinbaren, sodass die Entgeltverluste für die Beschäftigten gemindert wurden. Ein großes Thema waren außerdem die Rentenumstellungen. Wir haben 4000 Menschen den Zugang zu einer Betriebsrente ermöglicht, die bisher bei Ex-TRW unversorgt waren. Auch Neubeschäftigte, die – nachdem ZF die Betriebsrente zum 31. Dezember 2018 gekündigt hatte – ohne Versorgung waren, konnten wir in ein attraktives Altersvorsorgesystem bringen. Das war ein Riesenkraftakt.
Wofür wollen Sie sich in den nächsten Jahren einsetzen? Dietrich: Die zentrale Frage bleibt, wo die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen – in Deutschland oder in anderen Ländern? Also das Thema Standortvorteile Deutschland gegenüber Verlagerung in „Best-CostCountries“. Das gibt es im Übrigen nicht mehr nur in der Produktion, sondern in allen Sparten. Auf der anderen Seite haben wir auch den Fachkräftemangel und den Kampf um die Talente. Da suchen wir mittlerweile nicht mehr nur die AppProgrammierer und System-ITler, sondern ganz normale Facharbeiter. Wir brauchen also attraktive Jobs, attraktive Arbeitsumgebungen, Karriereund Fortbildungschancen. Und wir brauchen natürlich eine sehr gute Entlohnung. In der Industrie wurden teilweise schon Entgelte verdoppelt, weil sie sonst gar niemanden mehr kriegen. Das wird also spannend.
Müller: Was Erfolgsbeteiligung und Treueprämie angeht, wollen wir erreichen, dass wir nicht jedes Jahr mit dem Arbeitgeber verhandeln müssen. Es soll eine transparente und nachvollziehbare Regelung geben, in der die Höhe der Erfolgsbeteiligung anhand gewisser Kennzahlen ermittelt werden kann. Jedes Jahr diese Auseinandersetzung – das ist nicht nur schlecht für die Mitarbeiter, sondern auch fürs Unternehmen. Bei anderen Firmen ist das üblich – Bosch hat eine solche Regelung zum Beispiel schon lange.
Ein Thema im Wahlkampf wird sicherlich auch die Transformation in der Automobilbranche – und die Arbeitsplätze, die dadurch auf der Kippe stehen.
Dietrich: Klar ist: Durch die Elektrifizierung im Antriebsstrang wird die Automobilbranche massiv an Beschäftigung verlieren. Wir haben etliche Standorte, die Produkte für den Antriebsstrang herstellen. Die spannende Frage wird also sein: Wie fangen wir diesen Wertschöpfungsverlust auf? Der möglicherweise noch größere Umbruch ist aber die Digitalisierung. Das trifft dann alle. Wir müssen schauen, wie wir die Mitarbeiter mitnehmen. Der Vorstand spricht da vom größten Qualifizierungsvorhaben jemals. Wir sind mit einer Initiative jetzt in der Pilotphase und konnten bisher 19 Leute in fünf Monaten qualifizieren. Das wird natürlich nicht reichen.
Müller: Die Idee an sich ist ja gut: Mitarbeiter aus der alten Technologie für die neue zu qualifizieren. Das ist bei uns im Betrieb Z in der Forschung und Entwicklung auch ein wichtiges Thema. Wir haben dort noch einige Produkte der alten Technologie, die wir entwickeln – zum Beispiel Automatikgetriebe. Diese Mitarbeiter müssen wir alle für die Elektromobilität qualifizieren. Diese neuen Chancen zu einem Gewinn für die Beschäftigten umzumünzen, ist die große Aufgabe der Zukunft.
Ihre Liste, die IG Metall, ist nicht die einzige, die zur Wahl antritt. Warum sollten die ZFler gerade Sie wählen?
Müller: Ich hoffe, dass die Belegschaft in den vergangenen vier Jahren gemerkt hat, welche Betriebsräte von welcher Liste aktiv sind und etwas zuwege bringen. Ich hoffe außerdem, dass die Belegschaft die Art und Weise, wie wir unsere Liste erstellt haben, honoriert. Wir hatten dafür eine Urwahl. Es hat also die komplette Belegschaft die Reihenfolge der Kandidaten auf der IGMetall-Liste gewählt – quasi als Persönlichkeitswahl.
Dietrich: Meine Erfahrung ist auch, dass es ohne eine starke Organisation im Rücken nicht funktioniert. Sonst wird man zum Bittsteller. Und ich würde sagen, eine Liste, die mit der IG Metall die größte Einzelgewerkschaft der Welt im Rücken hat, hat Vorteile. Wir haben Know-how und Kontakte in alle Großbetriebe. Und wir brauchen uns nicht verstecken: Wir haben die vergangenen vier Jahre keine Kündigungen gehabt. Wir haben die Azubis übernommen. Wir haben Befristete im Betrieb unbefristet übernommen. Da haben wir ein Zeichen gesetzt – auch gegen die Arbeitgeber. Ich bin überzeugt: Die Leute wissen, dass wir geschlossen stehen und uns durchsetzen, wenn es hart auf hart kommt.