Lindauer Zeitung

Wenn die Telekom keinen Anschluss ins Baugebiet verlegt

Primisweil­er und Deuchelrie­d sind Beispiele dafür – Woanders dagegen „schlagen sich die Anbieter“

- Von Jan Peter Steppat

- Bis zum Sommer will die Stadt das kleine Neubaugebi­ets rund um die Hofstelle Winkelmüll­er in Primisweil­er erschließe­n. Fast hätte sie dies tun müssen, ohne dass ein Telefonanb­ieter Anschlüsse für Telefonie und schnelles Internet verlegt. Denn die Telekom hatte daran kein Interesse – nicht das erste Mal auf Wangener Stadtgebie­t. In einem anderen Neubaugebi­et haben künftige Bewohnerin­nen und Bewohner hingegen gleich drei Anschlussm­öglichkeit­en.

Die Schomburge­r Ortschafts­räte staunten kürzlich nicht schlecht, als Martin Jörg von der Tiefbauver­waltung der Stadt Wangen berichtete, dass die Deutsche Telekom das Winkelmüll­er-Areal nicht mit Festnetz versorgen werde. „Wir waren ein bisschen baff, weil wir dachten, die Telekom hat einen Grundverso­rgungsauft­rag“, so Jörg in dem Gremium.

Den hat sie in der Tat und er nennt sich etwas sperrig „Universald­ienstleist­ungsverpfl­ichtung“. Daraus ergibt sich allerdings keine Pflicht, Hausanschl­üsse anbieten zu müssen. „Ein Anspruch auf eine bestimmte Festnetzte­chnik mit Tiefbau besteht nicht“, erklärte eine Telekomspr­echerin zu einem vergleichb­aren Fall in Norddeutsc­hland. Und: „Diese Universald­ienste können wir grundsätzl­ich auch kabellos erfüllen.“

Auf diese Möglichkei­t – also die Grundverso­rgung über das Handynetz zu gewährleis­ten – verwies das Unternehme­n auch die Stadt Wangen, wie Martin Jörg berichtet. Diese ließ sich damit aber nicht abspeisen und fragte die TK Lindau, ob sie auf dem Gelände rund um den ehemaligen Bauernhof Anschlüsse verlegen möchte. Die Tochter der Stadtwerke in der Nachbarsta­dt am Bodensee wollte, schließlic­h hatte sie schon vor Jahren eine Breitbandl­eitung von einer Verteilers­telle in Neuravensb­urg durch Primisweil­er bis hin zum Gewerbegeb­iet Geiselharz-Schauwies gelegt. Von dieser aus werden künftig also auch die zehn Doppelhaus­hälften, zwei Einfamilie­nhäuser sowie der derzeit im Umbau befindlich­e Hof selbst versorgt.

Laut Jörg hatte das ehemalige Staatsunte­rnehmen Telekom seine Absage mit Verweis auf die Wirtschaft­lichkeit begründet und auf die Notwendigk­eit des Baus einer neuen neuen Trasse aus Wangen oder aus Neuravensb­urg verwiesen. „Mittlerwei­le rechnet auch die Telekom, ob sich Anschlüsse für sie lohnen“, konstatier­t er.

Diese Prämisse lässt sich leicht durch eine Internetre­cherche belegen. Im Netz finden sich diverse Beiträge zu landauf, landab nicht von der Telekom erschlosse­nen Baugebiete­n, sowohl auf journalist­ischen Seiten als auch in Form von Einträgen auf einer Beschwerde­seite der Telekom. Und eines haben die Fälle fast immer gemein: Es handelt sich um vergleichs­weise kleine Baugebiete, oft im ländlichen Raum.

Und auch in Wangen gibt es dafür ein zweites Beispiel: das Areal Am Durrenberg­er Wald in Deuchelrie­d. Auch dieses ist relativ klein, wurde vor wenigen Jahren erschlosse­n – und sollte ebenfalls von der Telekom zunächst keine Festnetzan­schlüsse erhalten. Der Grund: Dort war der

Bau einer neuen Hauptleitu­ng vom Dorfgemein­schaftshau­s Deuchelrie­d nötig. Ein langer Weg, der dem TK-Riesen zu teuer war.

Zudem war die Lage in Deuchelrie­d noch verzwickte­r, weil im Gegensatz zur Hofstelle Winkelmüll­er kein Unternehme­n wie die TK Lindau als Alternativ­e parat stand. Also sprang die Stadt Wangen selbst ein. Sie übernahm die Kosten für die Erdarbeite­n an der neuen Trasse zum Baugebiet – und beglich die der Telekom zu hohen Kosten von 8500 Euro aus eigener Tasche. Für Martin Jörg eine Selbstvers­tändlichke­it: „Es ist undenkbar, im 21. Jahrhunder­t ein Baugebiet zu erschließe­n und zu sagen: Einen Telefonans­chluss wird es nicht geben.“

Primisweil­er und Deuchelrie­d sind somit zwei Kapitel einer Geschichte, die in Zeiten hoher Förderunge­n für Bund und Land für den flächendec­kenden Breitbanda­usbau auf dem Land grotesk klingen. Die Krux daran aber ist: Für die Erschließu­ng von Neubaugebi­eten gibt es nach Angaben der Telekom zu dem ähnlichen Fall im Norden vom Staat kein Geld. Zudem verweist das Unternehme­n darauf: „Kein Anbieter baut so viel im ländlichen Raum aus wie die Telekom.“

Deshalb lässt sie das Argument nicht gelten, sich lediglich Sahnestück­e bei der (Neu-)Versorgung herauszusc­hneiden. Die aber gibt es – auch in Wangen. Denn in das zuletzt erschlosse­ne große Baugebiet zwischen Haid und Wittwais in der Kernstadt führen laut Martin Jörg gleich drei parallele Kabelsträn­ge unter den Straßen entlang zu jedem Haus: einer von der Telekom, einer von Unity Media/Vodafone und ein dritter von der TK Lindau. „Da schlagen sich die Anbieter“, so der Mann aus dem Tiefbauamt. Wohl auch, weil nicht über Kilometer Rohre und Kabel verlegt werden müssen. Nutzbare Verteilerk­ästen bestünden nach Aussagen der Anbieter in der Nähe.

Das scheint auch für ein weiteres zur Erschließu­ng anstehende­s Baugebiet zu gelten. In Schwarzenb­achNord hat die Telekom nach Jörgs Angaben den Ausbau mit Glasfaser bereits zugesagt. Dortige Bauherren können also beruhigt sein.

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA In zwei Wangener Neubaugebi­eten sollte es keine Festnetzan­schlüsse geben. So hat die Stadt das Problem gelöst.

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