Wenn die Telekom keinen Anschluss ins Baugebiet verlegt
Primisweiler und Deuchelried sind Beispiele dafür – Woanders dagegen „schlagen sich die Anbieter“
- Bis zum Sommer will die Stadt das kleine Neubaugebiets rund um die Hofstelle Winkelmüller in Primisweiler erschließen. Fast hätte sie dies tun müssen, ohne dass ein Telefonanbieter Anschlüsse für Telefonie und schnelles Internet verlegt. Denn die Telekom hatte daran kein Interesse – nicht das erste Mal auf Wangener Stadtgebiet. In einem anderen Neubaugebiet haben künftige Bewohnerinnen und Bewohner hingegen gleich drei Anschlussmöglichkeiten.
Die Schomburger Ortschaftsräte staunten kürzlich nicht schlecht, als Martin Jörg von der Tiefbauverwaltung der Stadt Wangen berichtete, dass die Deutsche Telekom das Winkelmüller-Areal nicht mit Festnetz versorgen werde. „Wir waren ein bisschen baff, weil wir dachten, die Telekom hat einen Grundversorgungsauftrag“, so Jörg in dem Gremium.
Den hat sie in der Tat und er nennt sich etwas sperrig „Universaldienstleistungsverpflichtung“. Daraus ergibt sich allerdings keine Pflicht, Hausanschlüsse anbieten zu müssen. „Ein Anspruch auf eine bestimmte Festnetztechnik mit Tiefbau besteht nicht“, erklärte eine Telekomsprecherin zu einem vergleichbaren Fall in Norddeutschland. Und: „Diese Universaldienste können wir grundsätzlich auch kabellos erfüllen.“
Auf diese Möglichkeit – also die Grundversorgung über das Handynetz zu gewährleisten – verwies das Unternehmen auch die Stadt Wangen, wie Martin Jörg berichtet. Diese ließ sich damit aber nicht abspeisen und fragte die TK Lindau, ob sie auf dem Gelände rund um den ehemaligen Bauernhof Anschlüsse verlegen möchte. Die Tochter der Stadtwerke in der Nachbarstadt am Bodensee wollte, schließlich hatte sie schon vor Jahren eine Breitbandleitung von einer Verteilerstelle in Neuravensburg durch Primisweiler bis hin zum Gewerbegebiet Geiselharz-Schauwies gelegt. Von dieser aus werden künftig also auch die zehn Doppelhaushälften, zwei Einfamilienhäuser sowie der derzeit im Umbau befindliche Hof selbst versorgt.
Laut Jörg hatte das ehemalige Staatsunternehmen Telekom seine Absage mit Verweis auf die Wirtschaftlichkeit begründet und auf die Notwendigkeit des Baus einer neuen neuen Trasse aus Wangen oder aus Neuravensburg verwiesen. „Mittlerweile rechnet auch die Telekom, ob sich Anschlüsse für sie lohnen“, konstatiert er.
Diese Prämisse lässt sich leicht durch eine Internetrecherche belegen. Im Netz finden sich diverse Beiträge zu landauf, landab nicht von der Telekom erschlossenen Baugebieten, sowohl auf journalistischen Seiten als auch in Form von Einträgen auf einer Beschwerdeseite der Telekom. Und eines haben die Fälle fast immer gemein: Es handelt sich um vergleichsweise kleine Baugebiete, oft im ländlichen Raum.
Und auch in Wangen gibt es dafür ein zweites Beispiel: das Areal Am Durrenberger Wald in Deuchelried. Auch dieses ist relativ klein, wurde vor wenigen Jahren erschlossen – und sollte ebenfalls von der Telekom zunächst keine Festnetzanschlüsse erhalten. Der Grund: Dort war der
Bau einer neuen Hauptleitung vom Dorfgemeinschaftshaus Deuchelried nötig. Ein langer Weg, der dem TK-Riesen zu teuer war.
Zudem war die Lage in Deuchelried noch verzwickter, weil im Gegensatz zur Hofstelle Winkelmüller kein Unternehmen wie die TK Lindau als Alternative parat stand. Also sprang die Stadt Wangen selbst ein. Sie übernahm die Kosten für die Erdarbeiten an der neuen Trasse zum Baugebiet – und beglich die der Telekom zu hohen Kosten von 8500 Euro aus eigener Tasche. Für Martin Jörg eine Selbstverständlichkeit: „Es ist undenkbar, im 21. Jahrhundert ein Baugebiet zu erschließen und zu sagen: Einen Telefonanschluss wird es nicht geben.“
Primisweiler und Deuchelried sind somit zwei Kapitel einer Geschichte, die in Zeiten hoher Förderungen für Bund und Land für den flächendeckenden Breitbandausbau auf dem Land grotesk klingen. Die Krux daran aber ist: Für die Erschließung von Neubaugebieten gibt es nach Angaben der Telekom zu dem ähnlichen Fall im Norden vom Staat kein Geld. Zudem verweist das Unternehmen darauf: „Kein Anbieter baut so viel im ländlichen Raum aus wie die Telekom.“
Deshalb lässt sie das Argument nicht gelten, sich lediglich Sahnestücke bei der (Neu-)Versorgung herauszuschneiden. Die aber gibt es – auch in Wangen. Denn in das zuletzt erschlossene große Baugebiet zwischen Haid und Wittwais in der Kernstadt führen laut Martin Jörg gleich drei parallele Kabelstränge unter den Straßen entlang zu jedem Haus: einer von der Telekom, einer von Unity Media/Vodafone und ein dritter von der TK Lindau. „Da schlagen sich die Anbieter“, so der Mann aus dem Tiefbauamt. Wohl auch, weil nicht über Kilometer Rohre und Kabel verlegt werden müssen. Nutzbare Verteilerkästen bestünden nach Aussagen der Anbieter in der Nähe.
Das scheint auch für ein weiteres zur Erschließung anstehendes Baugebiet zu gelten. In SchwarzenbachNord hat die Telekom nach Jörgs Angaben den Ausbau mit Glasfaser bereits zugesagt. Dortige Bauherren können also beruhigt sein.