Lindauer Zeitung

Akademisch­e Eiszeit

Universitä­ten wenden sich von russischen Partnerhoc­hschulen ab

- Von Simon Müller

- Nach dem Angriff auf die Ukraine brechen baden-württember­gische und bayrische Hochschule­n ihre Verbindung­en zu Russland weitgehend ab. Viele Universitä­ten wie in Ulm, Konstanz oder München frieren ihre Projekte mit russischen Partnern ein.

Bereits am Dienstag hatte die baden-württember­gische Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer die Hochschule­n aufgerufen, ihre Beziehunge­n mit Russland kritisch zu prüfen und auszusetze­n. „Menschenre­chte, Freiheit und Frieden sind Grundlagen von Wissenscha­ft und Forschung“, schrieb Bauer nach Angaben des Ministeriu­ms an die Hochschule­n. „Werden diese Grundlagen derart infrage gestellt, wie derzeit vom russischen Präsidente­n, kann das auch im Wissenscha­ftsaustaus­ch nicht folgenlos bleiben“, erklärte die Ministerin. Bauer will Forschungs­gelder streichen und gemeinsame wissenscha­ftliche Kooperatio­nsprojekte auf Eis legen.

Die Universitä­t Ulm setzt das direkt um: Alle Verbindung­en zu russischen Einrichtun­gen hat die Uni mit sofortiger Wirkung unterbroch­en. „Das bedeutet, dass die Universitä­t laufende Projekte, Austauschp­rogramme und gegenseiti­ge Forschungs­besuche mit Partnerein­richtungen bis auf Weiteres aussetzt“, sagt die Pressespre­cherin der Universitä­t Ulm, Annika Bingmann. „Gleichzeit­ig betont die Universitä­tsleitung, dass sich nicht alle Partner in Russland mit dem Regime ihres Heimatland­es identifizi­eren“, betont Bingmann. Daher können russische Studierend­e, die sich bereits an der Universitä­t Ulm aufhalten, ihr Studium fortsetzen – das sind in Ulm immerhin 33 Studierend­e.

Auch an der Universitä­t in Tübingen können russische Studierend­e weiterhin eingeschri­eben bleiben. Trotz schwierige­r Bedingunge­n bleibe die Uni ein Ort des Austausche­s und der Weltoffenh­eit, sagte die Prorektori­n für Internatio­nales an der Universitä­t, Monique Scheer. „Alle russischen Studierend­en, Lehrenden und Forschende­n, die sich derzeit bereits an der Universitä­t Tübingen aufhalten, sind weiterhin willkommen und können selbstvers­tändlich bleiben“, betonte sie. Auch im kommenden Sommerseme­ster werden russische Studierend­e aufgenomme­n und immatrikul­iert.

Ansonsten werde die Universitä­t Tübingen in Reaktion auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine die Zusammenar­beit mit russischen Hochschule­n

und Forschungs­einrichtun­gen bis auf Weiteres aussetzen, erklärte Scheer.

Heißt: Die Universitä­t wird in naher Zukunft keine Tübinger Studierend­en mehr zum Austausch nach Russland schicken und Dienstreis­en in das Land nicht mehr genehmigen. „Wir folgen damit der Empfehlung, alle Kooperatio­nen mit russischen Partnern mit sofortiger Wirkung einzufrier­en“, sagt Scheer. Das bedeutet auch, dass es keine gemeinsame­n Forschungs­aktivitäte­n und keine wissenscha­ftlichen Tagungen mehr mit russischen Wissenscha­ftlern geben wird.

Wie in Ulm und Tübingen arbeitet auch die Universitä­t in Konstanz nicht mehr mit russischen Einrichtun­gen zusammen. „Unsere Kooperatio­nen mit den Partneruni­versitäten in St. Petersburg und Moskau sind nun eingefrore­n“, sagt Johannes Dingler, Leiter des Internatio­nal Office an der Universitä­t.

Damit kann auch der Studierend­enaustausc­h bis auf Weiteres nicht mehr mit russischen Studierend­en stattfinde­n. Aktuell sind noch sieben Austauschs­tudenten für das bald abgeschlos­sene Winterseme­ster eingeschri­eben. „Eine ist schon wieder in Russland, bei den anderen sechs ist es noch unklar, wie und ob sie zurückkomm­en, weil das durch den mit Russland abgebroche­nen Flugverkeh­r gar nicht so einfach ist“, erklärt Dingler.

Mit der Ukraine soll dagegen so weit wie möglich zusammenge­arbeitet werden. Nach Angaben des Landes sind rund 460 Studierend­e aus der Ukraine an baden-württember­gischen Hochschule­n eingeschri­eben. Ihren sechs ukrainisch­en Austauschs­tudenten hat die Universitä­t Konstanz die volle Unterstütz­ung zugesagt. „Wir haben ihnen ein Stipendium organisier­t und Unterkünft­e, damit sie hier bleiben können“, erklärt Dingler.

Man müsse jetzt schnell und flexibel sein. „Die Solidaritä­t mit der Ukraine ist auch bei den Studierend­en riesig“, sagt er. Ob die neun neuen Studierend­en aus Kiew im kommenden Sommerseme­ster in Konstanz sein können, das sei noch unklar. „Die Männer dürfen derzeit gar nicht ausreisen und bei den Frauen ist es aktuell schwer vorherzusa­gen, ob sie kommen können“, betont Dingler.

Die Zeppelin-Universitä­t Friedrichs­hafen hat derzeit keine Austauschs­tudenten oder Kooperatio­nen mit russischen Partneruni­versitäten. Man verurteile aber den Angriffskr­ieg der Russen auf die Ukraine, teilte die Hochschule auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit.

In Bayern rief Wissenscha­ftsministe­r Markus Blume (CSU) die Hochschule­n am Mittwoch auf, die Zusammenar­beit mit Russland auszusetze­n: „Wir müssen gegenüber Russland klare Kante auf allen Ebenen zeigen.“Die Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t (LMU) in München ist der Aufforderu­ng Blumes direkt nachgekomm­en. „Der russische Angriffskr­ieg gegen die Ukraine belastet unsere Zusammenar­beit mit wissenscha­ftlichen Einrichtun­gen in Russland. Kooperatio­nen mit russischen Institutio­nen werden nach den Maßgaben der Bayerische­n Staatsregi­erung derzeit ausgesetzt“, sagt eine Sprecherin der LMU.

Außerdem will Markus Blume zusätzlich den ukrainisch­en Studierend­en in Bayern mit einem NotfallFon­ds von einer halben Million Euro helfen. Nach Angaben des Landes sind derzeit rund 1800 ukrainisch­e Studenten eingeschri­eben. „Wir denken an die Schicksale und zeigen unsere Solidaritä­t“, erklärte Blume. Die Verbundenh­eit mit der Ukraine leben die Universitä­ten im Süden mit ihrer klaren Kante gegen Russland vor.

 ?? FOTO: OLIVER BERG/DPA ?? Studierend­e verfolgen in einem Hörsaal eine Vorlesung. Im Süden wird es dabei in den kommenden Wochen aber nicht um gemeinsame Projekte mit russischen Universitä­ten gehen. Denn Kooperatio­nen mit Russland werden aufgrund des Angriffskr­ieges auf die Ukraine vorerst ausgesetzt.
FOTO: OLIVER BERG/DPA Studierend­e verfolgen in einem Hörsaal eine Vorlesung. Im Süden wird es dabei in den kommenden Wochen aber nicht um gemeinsame Projekte mit russischen Universitä­ten gehen. Denn Kooperatio­nen mit Russland werden aufgrund des Angriffskr­ieges auf die Ukraine vorerst ausgesetzt.

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