Akademische Eiszeit
Universitäten wenden sich von russischen Partnerhochschulen ab
- Nach dem Angriff auf die Ukraine brechen baden-württembergische und bayrische Hochschulen ihre Verbindungen zu Russland weitgehend ab. Viele Universitäten wie in Ulm, Konstanz oder München frieren ihre Projekte mit russischen Partnern ein.
Bereits am Dienstag hatte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer die Hochschulen aufgerufen, ihre Beziehungen mit Russland kritisch zu prüfen und auszusetzen. „Menschenrechte, Freiheit und Frieden sind Grundlagen von Wissenschaft und Forschung“, schrieb Bauer nach Angaben des Ministeriums an die Hochschulen. „Werden diese Grundlagen derart infrage gestellt, wie derzeit vom russischen Präsidenten, kann das auch im Wissenschaftsaustausch nicht folgenlos bleiben“, erklärte die Ministerin. Bauer will Forschungsgelder streichen und gemeinsame wissenschaftliche Kooperationsprojekte auf Eis legen.
Die Universität Ulm setzt das direkt um: Alle Verbindungen zu russischen Einrichtungen hat die Uni mit sofortiger Wirkung unterbrochen. „Das bedeutet, dass die Universität laufende Projekte, Austauschprogramme und gegenseitige Forschungsbesuche mit Partnereinrichtungen bis auf Weiteres aussetzt“, sagt die Pressesprecherin der Universität Ulm, Annika Bingmann. „Gleichzeitig betont die Universitätsleitung, dass sich nicht alle Partner in Russland mit dem Regime ihres Heimatlandes identifizieren“, betont Bingmann. Daher können russische Studierende, die sich bereits an der Universität Ulm aufhalten, ihr Studium fortsetzen – das sind in Ulm immerhin 33 Studierende.
Auch an der Universität in Tübingen können russische Studierende weiterhin eingeschrieben bleiben. Trotz schwieriger Bedingungen bleibe die Uni ein Ort des Austausches und der Weltoffenheit, sagte die Prorektorin für Internationales an der Universität, Monique Scheer. „Alle russischen Studierenden, Lehrenden und Forschenden, die sich derzeit bereits an der Universität Tübingen aufhalten, sind weiterhin willkommen und können selbstverständlich bleiben“, betonte sie. Auch im kommenden Sommersemester werden russische Studierende aufgenommen und immatrikuliert.
Ansonsten werde die Universität Tübingen in Reaktion auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine die Zusammenarbeit mit russischen Hochschulen
und Forschungseinrichtungen bis auf Weiteres aussetzen, erklärte Scheer.
Heißt: Die Universität wird in naher Zukunft keine Tübinger Studierenden mehr zum Austausch nach Russland schicken und Dienstreisen in das Land nicht mehr genehmigen. „Wir folgen damit der Empfehlung, alle Kooperationen mit russischen Partnern mit sofortiger Wirkung einzufrieren“, sagt Scheer. Das bedeutet auch, dass es keine gemeinsamen Forschungsaktivitäten und keine wissenschaftlichen Tagungen mehr mit russischen Wissenschaftlern geben wird.
Wie in Ulm und Tübingen arbeitet auch die Universität in Konstanz nicht mehr mit russischen Einrichtungen zusammen. „Unsere Kooperationen mit den Partneruniversitäten in St. Petersburg und Moskau sind nun eingefroren“, sagt Johannes Dingler, Leiter des International Office an der Universität.
Damit kann auch der Studierendenaustausch bis auf Weiteres nicht mehr mit russischen Studierenden stattfinden. Aktuell sind noch sieben Austauschstudenten für das bald abgeschlossene Wintersemester eingeschrieben. „Eine ist schon wieder in Russland, bei den anderen sechs ist es noch unklar, wie und ob sie zurückkommen, weil das durch den mit Russland abgebrochenen Flugverkehr gar nicht so einfach ist“, erklärt Dingler.
Mit der Ukraine soll dagegen so weit wie möglich zusammengearbeitet werden. Nach Angaben des Landes sind rund 460 Studierende aus der Ukraine an baden-württembergischen Hochschulen eingeschrieben. Ihren sechs ukrainischen Austauschstudenten hat die Universität Konstanz die volle Unterstützung zugesagt. „Wir haben ihnen ein Stipendium organisiert und Unterkünfte, damit sie hier bleiben können“, erklärt Dingler.
Man müsse jetzt schnell und flexibel sein. „Die Solidarität mit der Ukraine ist auch bei den Studierenden riesig“, sagt er. Ob die neun neuen Studierenden aus Kiew im kommenden Sommersemester in Konstanz sein können, das sei noch unklar. „Die Männer dürfen derzeit gar nicht ausreisen und bei den Frauen ist es aktuell schwer vorherzusagen, ob sie kommen können“, betont Dingler.
Die Zeppelin-Universität Friedrichshafen hat derzeit keine Austauschstudenten oder Kooperationen mit russischen Partneruniversitäten. Man verurteile aber den Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine, teilte die Hochschule auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit.
In Bayern rief Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) die Hochschulen am Mittwoch auf, die Zusammenarbeit mit Russland auszusetzen: „Wir müssen gegenüber Russland klare Kante auf allen Ebenen zeigen.“Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München ist der Aufforderung Blumes direkt nachgekommen. „Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine belastet unsere Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen in Russland. Kooperationen mit russischen Institutionen werden nach den Maßgaben der Bayerischen Staatsregierung derzeit ausgesetzt“, sagt eine Sprecherin der LMU.
Außerdem will Markus Blume zusätzlich den ukrainischen Studierenden in Bayern mit einem NotfallFonds von einer halben Million Euro helfen. Nach Angaben des Landes sind derzeit rund 1800 ukrainische Studenten eingeschrieben. „Wir denken an die Schicksale und zeigen unsere Solidarität“, erklärte Blume. Die Verbundenheit mit der Ukraine leben die Universitäten im Süden mit ihrer klaren Kante gegen Russland vor.