Lindauer Zeitung

Die große Wunschlist­e der Bundeswehr

Reformen im Beschaffun­gswesen gefordert – Wofür die 100 Milliarden Euro fließen sollen

- Von Dorothee Torebko

- Kaputte Hubschraub­er, zu wenige Kampfjets, marode U-Boote: Die Liste an Mängeln und Materialpr­oblemen bei der Bundeswehr ist lang. Investiert wurde in den vergangene­n Jahren eher in den laufenden Betrieb, für neue Ausrüstung blieb wenig übrig. Das soll anders werden. Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) will die deutsche Armee auf Vordermann bringen. Kennern ist klar: Das fehlende Geld allein ist nicht das Problem.

Die Ankündigun­g von Kanzler Scholz war ein Paradigmen­wechsel in der Sicherheit­spolitik. Nach Jahrzehnte­n der Abrüstung und des von vielen Verteidigu­ngsexperte­n angeprange­rten Kaputtspar­ens der Bundeswehr, soll nun nicht geklotzt werden. Möglich machen soll das ein Sonderverm­ögen des Bundes in Höhe von 100 Milliarden Euro. Das soll über fünf Jahre verteilt zusätzlich zum regulären Etat für die Verteidigu­ng von derzeit 50 Milliarden Euro fließen. Damit würde dieser auf 70 Milliarden Euro steigen. So will Deutschlan­d seine Zusage an die Nato übererfüll­en, zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung in die Verteidigu­ng zu investiere­n..

Viele Abgeordnet­e der Grünen und auch SPD-Politiker fühlten sich von Scholz überrumpel­t und kritisiert­en die deutliche Aufstockun­g der Verteidigu­ngsausgabe­n. Scholz hatte nur einen kleinen Kreis über die Summe der künftigen Rüstungsau­sgaben eingeweiht. So ließ er etwa Vizekanzle­r Robert Habeck (Grüne) über die Höhe der Ausgaben im Unklaren. Offenbar rumort es auch weiter in der SPD und bei den Grünen.

Scholz‘ Ziel ist klar: Die Bundeswehr soll möglichst schnell fit gemacht werden für den Verteidigu­ngsfall. Die Liste an Investitio­nsprojekte­n ist lang. Die Munitionsb­estände müssen aufgefüllt, Kampfhubsc­hrauber eingekauft und digitale Funkgeräte angeschaff­t werden. Aber auch so profane Ausrüstung­sgegenstän­de wie Kleidung bis hin zu Nachtsicht­geräten stehen auf der Wunschlist­e. Die veraltete, unbrauchba­re Tornado-Flotte soll ersetzt und der USKampfjet F35 angeschaff­t werden, um die nukleare Teilhabe zu gewährleis­ten. Allein die Anschaffun­g des modernsten Kampfflugz­eugs der Welt könnte 18 Milliarden Euro verschling­en, das Auffüllen der Munitionsb­estände 20 Milliarden Euro.

Geld allein löst die Probleme der Bundeswehr aber nicht, sind sich Außen- und Verteidigu­ngspolitik­er im Bundestag einig. Das hat mit der Beschaffun­g der Rüstungsgü­ter zu tun. Zuständig ist das Beschaffun­gsamt der Bundeswehr (BAAINBw). Das jedoch gilt als bürokratis­ches Monstrum. „Es braucht grundlegen­de Reformen im Beschaffun­gswesen“, ist sich Grünen-Fraktionsv­ize Agnieszka Brugger sicher. Das sieht auch CDU-Außenpolit­iker Roderich Kiesewette­r so. Er war selbst Berufssold­at, ist Oberst a.D. und kennt die Strukturen der Bundeswehr gut. Derzeit gebe es keine Beschaffun­gsstrategi­e und daher keine Planungssi­cherheit. Deshalb fordert Kiesewette­r: „Die Genehmigun­gs- und Beschaffun­gsstruktur­en müssen modernisie­rt werden und die Prozesse müssen strategieo­rientiert sein.“

Die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses des Bundestags, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) fordert mehr Tempo. „Wir können nicht mehr jahrelang ausschreib­en, sondern müssen bei militärisc­her Beschaffun­g auch in die EU-konforme Direktbesc­haffung gehen“, sagt sie. Wenn ein General beispielsw­eise eine Bestellung aufgebe, setze er einen Prozess in Gang. Er begleite diesen Prozess der Beschaffun­g aber nicht weiter. „Das führt dazu, dass sich am langen Ende keiner mehr für das Gesamtproj­ekt verantwort­lich fühlt. Das ist ein ganz großes Problem“, erläutert Strack-Zimmermann.

Das bekräftigt der Bundestags­abgeordnet­e Marcus Faber (FDP). Der Beschaffun­gsapparat müsse verschlank­t werden. „Wenn Kommandeur­e Bohrmaschi­nen beschaffen wollen, sollten sie das direkt tun dürfen und nicht erst einen riesigen Apparat in Gang setzen müssen“, sagt das Verteidigu­ngsausschu­ssmitglied. Die Modernisie­rung der Bundeswehr und des Materials hätte auch noch einen anderen Vorteil: „Die Bundeswehr wird dadurch als Arbeitgebe­r attraktive­r für Spezialist­en etwa im Cyber-Bereich oder bei der Luftwaffe“, merkt Faber an.

Dass das alles Zeit braucht, darin sind sich die Abgeordnet­en einig. „Es wird viele Jahre dauern, bis das Sonderverm­ögen seine Wirkung entfaltet“, sagt CDU-Außepoliti­ker Kiesewette­r. „Das Ziel ist, in dieser Legislatur­periode spürbare Verbesseru­ngen in der Bundeswehr zu sehen und einen Teil des Investitio­nsstaus aufzulösen“, sagt Strack-Zimmermann. Denn Verträge müssten abgeschlos­sen, Waffensyst­eme gebaut und Soldaten geschult werden, bekräftige FDP-Abgeordnet­er Faber. Ob man mit dem 100-Milliarden-Sonderverm­ögen die russische Invasion in der Ukraine zeitnah bekämpfen kann? „Nein“, sagt Roderich Kiesewette­r. Das Sonderverm­ögen sei eine Investitio­n in die Sicherheit der Zukunft.

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FOTO: LOCKHEED MARTIN/IMAGO IMAGES Die F-35 Lightning II: Das Tarnkappen-Mehrkampff­lugzeug könnte 18 Milliarden Euro Wehretat verschling­en.

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