Die große Wunschliste der Bundeswehr
Reformen im Beschaffungswesen gefordert – Wofür die 100 Milliarden Euro fließen sollen
- Kaputte Hubschrauber, zu wenige Kampfjets, marode U-Boote: Die Liste an Mängeln und Materialproblemen bei der Bundeswehr ist lang. Investiert wurde in den vergangenen Jahren eher in den laufenden Betrieb, für neue Ausrüstung blieb wenig übrig. Das soll anders werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will die deutsche Armee auf Vordermann bringen. Kennern ist klar: Das fehlende Geld allein ist nicht das Problem.
Die Ankündigung von Kanzler Scholz war ein Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik. Nach Jahrzehnten der Abrüstung und des von vielen Verteidigungsexperten angeprangerten Kaputtsparens der Bundeswehr, soll nun nicht geklotzt werden. Möglich machen soll das ein Sondervermögen des Bundes in Höhe von 100 Milliarden Euro. Das soll über fünf Jahre verteilt zusätzlich zum regulären Etat für die Verteidigung von derzeit 50 Milliarden Euro fließen. Damit würde dieser auf 70 Milliarden Euro steigen. So will Deutschland seine Zusage an die Nato übererfüllen, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu investieren..
Viele Abgeordnete der Grünen und auch SPD-Politiker fühlten sich von Scholz überrumpelt und kritisierten die deutliche Aufstockung der Verteidigungsausgaben. Scholz hatte nur einen kleinen Kreis über die Summe der künftigen Rüstungsausgaben eingeweiht. So ließ er etwa Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) über die Höhe der Ausgaben im Unklaren. Offenbar rumort es auch weiter in der SPD und bei den Grünen.
Scholz‘ Ziel ist klar: Die Bundeswehr soll möglichst schnell fit gemacht werden für den Verteidigungsfall. Die Liste an Investitionsprojekten ist lang. Die Munitionsbestände müssen aufgefüllt, Kampfhubschrauber eingekauft und digitale Funkgeräte angeschafft werden. Aber auch so profane Ausrüstungsgegenstände wie Kleidung bis hin zu Nachtsichtgeräten stehen auf der Wunschliste. Die veraltete, unbrauchbare Tornado-Flotte soll ersetzt und der USKampfjet F35 angeschafft werden, um die nukleare Teilhabe zu gewährleisten. Allein die Anschaffung des modernsten Kampfflugzeugs der Welt könnte 18 Milliarden Euro verschlingen, das Auffüllen der Munitionsbestände 20 Milliarden Euro.
Geld allein löst die Probleme der Bundeswehr aber nicht, sind sich Außen- und Verteidigungspolitiker im Bundestag einig. Das hat mit der Beschaffung der Rüstungsgüter zu tun. Zuständig ist das Beschaffungsamt der Bundeswehr (BAAINBw). Das jedoch gilt als bürokratisches Monstrum. „Es braucht grundlegende Reformen im Beschaffungswesen“, ist sich Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger sicher. Das sieht auch CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter so. Er war selbst Berufssoldat, ist Oberst a.D. und kennt die Strukturen der Bundeswehr gut. Derzeit gebe es keine Beschaffungsstrategie und daher keine Planungssicherheit. Deshalb fordert Kiesewetter: „Die Genehmigungs- und Beschaffungsstrukturen müssen modernisiert werden und die Prozesse müssen strategieorientiert sein.“
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) fordert mehr Tempo. „Wir können nicht mehr jahrelang ausschreiben, sondern müssen bei militärischer Beschaffung auch in die EU-konforme Direktbeschaffung gehen“, sagt sie. Wenn ein General beispielsweise eine Bestellung aufgebe, setze er einen Prozess in Gang. Er begleite diesen Prozess der Beschaffung aber nicht weiter. „Das führt dazu, dass sich am langen Ende keiner mehr für das Gesamtprojekt verantwortlich fühlt. Das ist ein ganz großes Problem“, erläutert Strack-Zimmermann.
Das bekräftigt der Bundestagsabgeordnete Marcus Faber (FDP). Der Beschaffungsapparat müsse verschlankt werden. „Wenn Kommandeure Bohrmaschinen beschaffen wollen, sollten sie das direkt tun dürfen und nicht erst einen riesigen Apparat in Gang setzen müssen“, sagt das Verteidigungsausschussmitglied. Die Modernisierung der Bundeswehr und des Materials hätte auch noch einen anderen Vorteil: „Die Bundeswehr wird dadurch als Arbeitgeber attraktiver für Spezialisten etwa im Cyber-Bereich oder bei der Luftwaffe“, merkt Faber an.
Dass das alles Zeit braucht, darin sind sich die Abgeordneten einig. „Es wird viele Jahre dauern, bis das Sondervermögen seine Wirkung entfaltet“, sagt CDU-Außepolitiker Kiesewetter. „Das Ziel ist, in dieser Legislaturperiode spürbare Verbesserungen in der Bundeswehr zu sehen und einen Teil des Investitionsstaus aufzulösen“, sagt Strack-Zimmermann. Denn Verträge müssten abgeschlossen, Waffensysteme gebaut und Soldaten geschult werden, bekräftige FDP-Abgeordneter Faber. Ob man mit dem 100-Milliarden-Sondervermögen die russische Invasion in der Ukraine zeitnah bekämpfen kann? „Nein“, sagt Roderich Kiesewetter. Das Sondervermögen sei eine Investition in die Sicherheit der Zukunft.