Mehr Vorschriften für weniger Geld
Bauernvertreter im Südwesten hadern mit der neuen EU-Agrarpolitik
- Die Reform der der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), auf die sich die EUStaaten und das Europaparlament im vergangenen Jahr verständigt hatten, bringt für die Landwirte im Südwesten eine ganze Reihe von Änderungen mit sich. Auf was sich die Bauern in den kommenden Jahren einstellen müssen und ob angesichts drohender Knappheiten und Preisanstiege der Faktor Nachhaltigkeit zugunsten der Versorgungssicherheit in den Hintergrund treten muss, darüber informierte am Donnerstag der Landesbauernverband.
Die EU-Agrarreform, mit einem Volumen von knapp 390 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027 der größte Einzelposten im EU-Haushalt, soll unter anderem dafür sorgen, dass die Produktion von Lebensmitteln umweltfreundlicher und nachhaltiger wird. Wie sich die Bundesregierung das vorstellt, hat sie in dem Ende Februar in Brüssel eingereichten Strategieplan dargelegt, der nun von der Kommission geprüft und genehmigt werden muss. Läuft alles nach Plan, könnte das im Herbst dieses Jahres der Fall sein.
„Auf den Punkt gebracht bedeutet die neue GAP für Landwirte höhere Auflagen und geringere Direktzahlungen“, fasst Horst Wenk, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes in Stuttgart, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“zusammen. Diese Direktzahlungen, im Fachjargon erste Säule genannt, erhalten Landwirte aus dem EU-Haushalt je Hektar landwirtschaftlicher Fläche.
Den größten Brocken dieser Direktzahlungen macht die Basisprämie beziehungsweise Einkommensgrundstützung von 156 Euro je Hektar im Jahr 2023 aus. Darüber hinaus gibt es für kleinere, flächenarme Betriebe eine verstärkte Förderung, die sogeannte Umverteilungsprämie. Für Junglandwirte gibt es genauso Prämien wie für Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, die sogenannten Ökoregelungen. Darunter fallen etwa die Anlage von Blühflächen und -streifen auf Ackerland oder die Bewirtschaftung von Acker- und Dauerkulturflächen ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel.
Allerdings müssen dafür gewisse Bedingungen erfüllt werden. Das betrifft beispielsweise die Vorgabe einer Mindestbodenbedeckung zwischen dem 1. Dezember und dem 15. Januar des darauffolgenden Jahres, den verpflichtenden Fruchtwechsel oder die Stilllegung von mindestens vier Prozent der Ackerflächen. Werden diese Auflagen nicht erfüllt – in Summe sind es neun sogenannte GLÖZ-Standards (Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand) – kommt es zu Kürzungen bis hin zum Ausschluss von Prämien.
Der Bauernverband kritisiert die Auflagen als „praxisfremd“. So komme die Vorgabe einer Mindestbodenbedeckung de facto einem Pflugverbot gleich. Eine Winterfurche, die gerade
Das Bundeslandwirtschaftsministerium plant eine zusätzliche Finanzspritze für den Umbau der Tierhaltung hin zu besseren Bedingungen in den Ställen. Im Blick stehen dafür eine Milliarde Euro verteilt auf die Jahre 2023 bis 2026, wie es am Donnerstag aus Koalitionskreisen hieß. Zuvor hatte das Fachmagazin „Top Agrar“darüber berichtet.
Minister Cem Özdemir (Grüne) in Baden-Württemberg wegen der vorherrschenden Klima- und Bodenvoraussetzungen sinnvoll und zwingend notwendig sei, ließe sich damit nicht mehr machen, erklärte Wenk.
Kritik entzündet sich auch an den neuen Ökoauflagen, Kern der Reform, und nach Einschätzung von Christian Gaebel, Leiter Gemeinsame Agrarpolitik beim Deutschen Bauernverband, mit „deutlich zu geringen Prämien honoriert“. Für viele Betriebe seien die Maßnahmen so nicht mehr praktikabel. Ein Beispiel: Landwirte, die sich bisher für eine fünfgliedrige Fruchtfolge entschieden haben, bekamen dafür aus dem Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und sagte, beim Umbau wolle man Tempo machen. „Vor allem müssen wir damit jetzt schnell loslegen.“Deshalb verhandele er gerade mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) über „eine erste zusätzliche Anschubfinanzierung“für den Stallumbau. Nähere Angaben dazu wurden vorerst nicht gemacht. Özdemir betonte das Ziel, dass Tiere besser gehalten werden. (dpa)
Tierwohl (FAKT) 75 Euro pro Hektar ausgezahlt. Künftig wird diese Maßnahme im Rahmen der Ökoregelungen der 1. Säule gefördert – für nur noch 30 Euro pro Hektar. Zumindest infrage stellten die Bauernverteter angesichts einer befürchteten Anspannung auf den Lebensmittelmärkten infolge des Krieges in der Ukraine auch die verpflichtende Flächenstilllegung im Ackerbau. So hat das abrupte Ende der Getreideexporte vom Schwarzen Meer die Getreidepreise auf historische Höchstwerte getrieben. „Man muss darüber nachdenken, ob die Situation nicht eine Neubewertung in der Landwirtschaft notwendig macht“, sagte Klaus Mugele, Vizepräsident des Landesbauernverbandes. Der Leiter des Thünen-Instituts für Marktforschung, Martin Banse, hält solche Forderungen für falsch. „Jetzt zu sagen, jetzt werfen wir unsere ganze Agrar- und Umweltpolitik über Bord und produzieren was der Teufel will, wäre für mich ein völlig falsches Signal“, sagte Banse. Man könne nicht so tun, als seien Probleme wie Klimawandel oder eine hohe Nitratbelastung im Grundwasser Schnee von gestern. „Erst das Fressen, dann die Moral, gilt an dieser Stelle nicht, denn wir haben in der europäischen Landwirtschaft riesige Herausforderungen zu managen“, so Banse.