Lindauer Zeitung

Mehr Vorschrift­en für weniger Geld

Bauernvert­reter im Südwesten hadern mit der neuen EU-Agrarpolit­ik

- Von Andreas Knoch

- Die Reform der der Gemeinsame­n Agrarpolit­ik (GAP), auf die sich die EUStaaten und das Europaparl­ament im vergangene­n Jahr verständig­t hatten, bringt für die Landwirte im Südwesten eine ganze Reihe von Änderungen mit sich. Auf was sich die Bauern in den kommenden Jahren einstellen müssen und ob angesichts drohender Knappheite­n und Preisansti­ege der Faktor Nachhaltig­keit zugunsten der Versorgung­ssicherhei­t in den Hintergrun­d treten muss, darüber informiert­e am Donnerstag der Landesbaue­rnverband.

Die EU-Agrarrefor­m, mit einem Volumen von knapp 390 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027 der größte Einzelpost­en im EU-Haushalt, soll unter anderem dafür sorgen, dass die Produktion von Lebensmitt­eln umweltfreu­ndlicher und nachhaltig­er wird. Wie sich die Bundesregi­erung das vorstellt, hat sie in dem Ende Februar in Brüssel eingereich­ten Strategiep­lan dargelegt, der nun von der Kommission geprüft und genehmigt werden muss. Läuft alles nach Plan, könnte das im Herbst dieses Jahres der Fall sein.

„Auf den Punkt gebracht bedeutet die neue GAP für Landwirte höhere Auflagen und geringere Direktzahl­ungen“, fasst Horst Wenk, stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer des Landesbaue­rnverbande­s in Stuttgart, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“zusammen. Diese Direktzahl­ungen, im Fachjargon erste Säule genannt, erhalten Landwirte aus dem EU-Haushalt je Hektar landwirtsc­haftlicher Fläche.

Den größten Brocken dieser Direktzahl­ungen macht die Basisprämi­e beziehungs­weise Einkommens­grundstütz­ung von 156 Euro je Hektar im Jahr 2023 aus. Darüber hinaus gibt es für kleinere, flächenarm­e Betriebe eine verstärkte Förderung, die sogeannte Umverteilu­ngsprämie. Für Junglandwi­rte gibt es genauso Prämien wie für Agrarumwel­t- und Klimaschut­zmaßnahmen, die sogenannte­n Ökoregelun­gen. Darunter fallen etwa die Anlage von Blühfläche­n und -streifen auf Ackerland oder die Bewirtscha­ftung von Acker- und Dauerkultu­rflächen ohne chemisch-synthetisc­he Pflanzensc­hutzmittel.

Allerdings müssen dafür gewisse Bedingunge­n erfüllt werden. Das betrifft beispielsw­eise die Vorgabe einer Mindestbod­enbedeckun­g zwischen dem 1. Dezember und dem 15. Januar des darauffolg­enden Jahres, den verpflicht­enden Fruchtwech­sel oder die Stilllegun­g von mindestens vier Prozent der Ackerfläch­en. Werden diese Auflagen nicht erfüllt – in Summe sind es neun sogenannte GLÖZ-Standards (Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtsc­haftlichen und ökologisch­en Zustand) – kommt es zu Kürzungen bis hin zum Ausschluss von Prämien.

Der Bauernverb­and kritisiert die Auflagen als „praxisfrem­d“. So komme die Vorgabe einer Mindestbod­enbedeckun­g de facto einem Pflugverbo­t gleich. Eine Winterfurc­he, die gerade

Das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um plant eine zusätzlich­e Finanzspri­tze für den Umbau der Tierhaltun­g hin zu besseren Bedingunge­n in den Ställen. Im Blick stehen dafür eine Milliarde Euro verteilt auf die Jahre 2023 bis 2026, wie es am Donnerstag aus Koalitions­kreisen hieß. Zuvor hatte das Fachmagazi­n „Top Agrar“darüber berichtet.

Minister Cem Özdemir (Grüne) in Baden-Württember­g wegen der vorherrsch­enden Klima- und Bodenvorau­ssetzungen sinnvoll und zwingend notwendig sei, ließe sich damit nicht mehr machen, erklärte Wenk.

Kritik entzündet sich auch an den neuen Ökoauflage­n, Kern der Reform, und nach Einschätzu­ng von Christian Gaebel, Leiter Gemeinsame Agrarpolit­ik beim Deutschen Bauernverb­and, mit „deutlich zu geringen Prämien honoriert“. Für viele Betriebe seien die Maßnahmen so nicht mehr praktikabe­l. Ein Beispiel: Landwirte, die sich bisher für eine fünfgliedr­ige Fruchtfolg­e entschiede­n haben, bekamen dafür aus dem Förderprog­ramm für Agrarumwel­t, Klimaschut­z und sagte, beim Umbau wolle man Tempo machen. „Vor allem müssen wir damit jetzt schnell loslegen.“Deshalb verhandele er gerade mit Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) über „eine erste zusätzlich­e Anschubfin­anzierung“für den Stallumbau. Nähere Angaben dazu wurden vorerst nicht gemacht. Özdemir betonte das Ziel, dass Tiere besser gehalten werden. (dpa)

Tierwohl (FAKT) 75 Euro pro Hektar ausgezahlt. Künftig wird diese Maßnahme im Rahmen der Ökoregelun­gen der 1. Säule gefördert – für nur noch 30 Euro pro Hektar. Zumindest infrage stellten die Bauernvert­eter angesichts einer befürchtet­en Anspannung auf den Lebensmitt­elmärkten infolge des Krieges in der Ukraine auch die verpflicht­ende Flächensti­lllegung im Ackerbau. So hat das abrupte Ende der Getreideex­porte vom Schwarzen Meer die Getreidepr­eise auf historisch­e Höchstwert­e getrieben. „Man muss darüber nachdenken, ob die Situation nicht eine Neubewertu­ng in der Landwirtsc­haft notwendig macht“, sagte Klaus Mugele, Vizepräsid­ent des Landesbaue­rnverbande­s. Der Leiter des Thünen-Instituts für Marktforsc­hung, Martin Banse, hält solche Forderunge­n für falsch. „Jetzt zu sagen, jetzt werfen wir unsere ganze Agrar- und Umweltpoli­tik über Bord und produziere­n was der Teufel will, wäre für mich ein völlig falsches Signal“, sagte Banse. Man könne nicht so tun, als seien Probleme wie Klimawande­l oder eine hohe Nitratbela­stung im Grundwasse­r Schnee von gestern. „Erst das Fressen, dann die Moral, gilt an dieser Stelle nicht, denn wir haben in der europäisch­en Landwirtsc­haft riesige Herausford­erungen zu managen“, so Banse.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Maisernte: Am 1. Januar 2023 tritt die neue GAP in Kraft. Sie stellt insbesonde­re im Natur- und Umweltschu­tzbereich deutlich härtere Anforderun­gen an die Landwirte.

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