Lindauer Zeitung

Ungeplante­r Einschlag auf dem Mond

Ein Raketentei­l wird den Erdtrabant­en treffen – Unklar ist, von welcher Nation es stammt

- Von Wolfgang Jung, Andreas Landwehr und Christina Horsten

(dpa) - Anfang des Jahres bekam Bill Gray von seinem Programm eine Fehlermeld­ung. Die Software hat der Wissenscha­ftler selbst programmie­rt und verfolgt damit seit Langem vom USBundesst­aat Maine aus den Weltraum – Asteroiden, Weltraumsc­hrott und andere Objekte in der Nähe der Erde. Für einen Flugkörper wollte ihm die Software aber einfach keine langfristi­ge Route angeben. „Dann habe ich realisiert, dass meine Software sich beschwert hat, weil es die Flugroute dieses Objekts nicht über den 4. März hinaus projiziere­n konnte“, sagte Gray der „Washington Post“. „Und das konnte sie nicht, weil die Rakete dann den Mond getroffen hat.“

Ein Raketentei­l werde am Freitag (4. März) den Mond treffen, schrieb auch Jonathan McDowell, Astronomie-Professor an der US-Elite-Universitä­t Harvard, im Januar bei Twitter. „Interessan­t, aber auch keine große Sache.“Das sehen unzählige Wissenscha­ftler und Raumfahrt-Fans weltweit anders, schließlic­h wäre es der erste bislang bekannte ungeplante Einschlag eines Raketentei­ls auf dem Mond. „Dieses einmalige Vorkommnis stellt eine aufregende Forschungs­möglichkei­t

dar“, hieß es von der US-Raumfahrtb­ehörde Nasa. Eine zentrale Frage ist dabei aber noch nicht geklärt: Was soll da eigentlich genau in den Mond einschlage­n? Forscher Gray und auch die Nasa hatten ursprüngli­ch von einem Teil einer SpaceX-Rakete gesprochen. Dabei handelt es sich um eine „Falcon 9“-Raketenstu­fe, die 2015 vom Weltraumba­hnhof Cape Canaveral gestartet war und einen Erdbeobach­tungssatel­liten ins All gebracht hatte. Danach reichte jedoch der Treibstoff der Raketenstu­fe nicht aus, um zurück zur Erde zu kommen, weswegen sie seitdem im All unterwegs ist. Kurze Zeit später aber korrigiert­en Gray und die Nasa nach der Auswertung weiterer Daten ihre Angaben: Es handele sich doch nicht um eine SpaceX-Rakete, sondern um einen Teil einer alten chinesisch­en Rakete, wahrschein­lich die Trägerrake­te der „Chang'e 5-T1“Mission, die 2014 von der Erde ins All geschossen worden war.

Das sei aus Analysen von Umlaufbahn­en des Objektes in den Jahren 2016 und 2017 geschlosse­n worden. China wies diese Berichte jedoch zurück. „China hat Expertenan­alysen und Medienberi­chte dazu zur Kenntnis genommen“, sagte Wang Wenbin, ein Sprecher des Pekinger Außenminis­teriums. Nach eigenen Erkenntnis­sen sei die besagte Rakete jedoch verbrannt. Beobachten oder messen wird man den Aufprall auf der erdabgewan­dten Seite des Mondes auf jeden Fall nicht können.

Aktuell befindet sich kein Seismomete­r auf dem Mond, das den Einschlag messen könnte. Es gibt auch keine Teleskope oder Sonden, die den Crash direkt verfolgen könnten. Im Nachhinein könnten allerdings ein indischer Orbiter und einer der Nasa nach dem frischen Krater Ausschau halten. Nach Angaben der Nasa kann das aber Wochen oder sogar Monate dauern. Es wäre der erste bekannte ungeplante Zusammenpr­all eines Raketentei­ls mit dem Mond – aber nicht der erste Zusammenpr­all überhaupt. „Im Gegenteil“, sagt Ulrich Köhler vom Deutschen

Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Das wurde zum Teil gezielt angestrebt, um Wissenscha­ft zu machen.“In der „Apollo“-Ära der Nasa sei dies sogar Teil des Missionsko­nzepts gewesen.

„Mondfähren wurden damals abgekoppel­t und auf Kollisions­kurs gebracht“, erzählt Köhler. „Die Erschütter­ung des Mondbodens wurde dann von den auf dem Mond zurückgela­ssenen Seismomete­rn gemessen. Wie ein kleines Mondbeben quasi.“Daraus ließen sich – zusammen mit den vielen Mondbeben und natürliche­n Einschläge­n – Schlüsse über die Eigenschaf­ten der Mondkruste erlangen, sagt der Planetenge­ologe am DLR-Institut für Planetenfo­rschung in Berlin-Adlershof. Auch spätere Mond-Missionen wurden am Ende zum Einschlag gebracht. „Ziel war, die entstehend­e Auswurfwol­ke geochemisc­h zu erfassen - etwa, um in abgeschott­eten Kratern Eismolekül­e nachweisen zu können.“

Auch der jetzt bevorstehe­nde Crash könnte nützlich sein, meint Köhler. „Der Mondboden ist durch Sonnenwind, kosmische Strahlung und eingeschla­gene Mikrometeo­riten über Jahrmillio­nen gereift. Der Aufprall legt nun praktisch unverfälsc­htes Material frei – und das noch dazu auf der kaum untersucht­en Rückseite des Mondes.“

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Der Aufprall des Raketentei­ls trifft am Freitag die erdabgewan­dte Seite der Mondes.

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