Wie sich das Leben durch die Pandemie verändert hat
Zwischen Frust, Hoffnung und Solidarität: Seit genau zwei Jahren bestimmt Corona das Leben vieler Lindauerinnen und Lindauer
(lz) - Plötzlich war es da, das Coronavirus, im Landkreis Lindau, mitten unter uns. Genau zwei Jahre sind seitdem vergangen. Zwei Jahre, in denen sich das Leben vieler Lindauerinnen und Lindauer komplett verändert hat.
Nach der nun knapp zwei Jahre lang andauernden Pandemie frage ich mich manchmal: Wann habe ich meine Kollegen und Kolleginnen das letzte Mal ohne ein FFP2-Maske gesehen? Die erscheint uns mittlerweile paradoxerweise so vertraut und gleichzeitig so nervig, obwohl sie uns doch schon so oft vor den omnipräsenten Viren geschützt hat.
In meiner Funktion und Rolle als Stationsleitung der Intensivstation der Asklepios-Klinik in Lindau bestimmten und bestimmen immer wieder neue Regeln, Verordnungen und Verfahrensanweisungen mein Arbeitsleben, die ich meinem engagierten Team der Intensivstation in Lindau vermittelt und die wir dann gemeinsam umgesetzt haben. Werte Kollegen, „Danke“dafür.
Nach der dritten und vierten Welle wird Covid-19, leider, zur Gewohnheit und eine gewisse Routine kehrt auf der Intensivstation ein. Zudem begleiten wir natürlich auch viele andere Patienten in der schwierigen Zeit eines Intensivaufenthaltes.
„Hey Nachbar“, fragten die in der Pandemie irgendwie näher zusammengerückten Nachbarn in meiner Straße, „wie sieht’s auf der Lindauer Intensivstation aus mit Corona? Habt ihr überhaupt Corona-Patienten dort liegen?“Wie so oft konnte ich die Fragen bejahen und mich in der nächsten Schicht in das Paralleluniversum „Coronaintensiv“hineinkatapultieren.
Mittlerweile, im Jahr 2022 angekommen, sind wir wieder im „Business as usual“. Nie hätte ich vor zwei Jahren gedacht, dass ich Covid dazu zählen würde. Kurioserweise sind wir als Team der Intensivstation, aber auch als Nachbarn noch enger zusammengerückt.
Mein allergrößter Dank gilt meiner Familie, die einmal mehr Verständnis für meinen Beruf hatte.
Zwei Jahre Pandemie hat für unsere Generation, die zwischen Digitalisierung und Fortschritt ihren Platz sucht, diese Findung maximal erschwert. Zwei Jahre, die die Lücken in unserem System offensichtlicher denn je aufgezeigt haben.
Während dieser Zeit wurde deutlich, dass wir Chancengleichheit noch lange nicht erreicht haben. Die Herausforderungen der Pandemie haben uns alle getroffen, doch Studien beweisen: Das Risiko einer Erder krankung hängt von der jeweiligen Lebenssituation ab. Die sozialen Disparitäten Jugendlicher waren nie zuvor so sichtbar.
Die Politik hatte derweil andere Schwerpunkte, mit denen sie sich auseinandersetzte. Wirtschaftsinteressen und der Erhalt der kritischen Infrastruktur hatten Priorität. Meine Generation wurden in einer Lebensphase allein gelassen, die so wichtig für die Entwicklung ist.
Als dann die junge Generation in den Fokus der Politik gerutscht ist, ging es vorrangig um Lerndefizite oder negativ auffällige Verhaltensweisen. Doch Jungsein ist so viel mehr als Schule. Soziales Leiden, fehlende körperliche Betätigung und psychische Belastungen wurden bewusst verdrängt. Besonders für uns junge Menschen waren die mentalen Belastungen während der Pandemie enorm. Folglich kämpfen viele mit Erkrankungen oder Sucht. Beides sind Tabuthemen. Es fehlt massenhaft an Therapieplätzen, in der Schule gibt es noch immer keine Aufklärung zu mentaler Gesundheit und Stereotype von psychischen Krankheiten werden weiter geprägt.
Ich frage mich, wie soll Politik für junge Generationen auch in Zukunft funktionieren, wenn es dafür nicht einmal einen geregelten Austausch gibt? Die Politik gibt uns nicht das Gefühl, unsere Stimmen zu hören. Die Pandemie ist der Beweis dafür, dass soziale und vor allem Kinder- und Jugendpolitik nicht krisenfest ist.
Eigentlich haben wir die schönste Aufgabe, die es gibt. Wir dürfen dafür sorgen, dass alte Menschen (die uns diesen Wohlstand geschaffen haben) einen schönen Lebensabend haben. Jetzt ist der Normalfall schon nicht einfach, die Pandemie hat die Aufgabe aber noch deutlich verschärft.
Nach den schlimmen Erfahrungen zu Beginn des Lockdowns, wo wir unsere Bewohner total abschotten mussten, versuchen wir im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten größtmögliche Freiheiten zu ermöglichen. Leider stößt diese Entscheidung nicht immer auf Verständnis. Dem einen ist das zu wenig, der andere hat Angst um seinen Verwandten und möchte lieber, dass so wenig wie möglich Kontaktmöglichkeit geschaffen wird.
Allzu oft wurden wir von der Politik bei der Bewältigung der Probleme allein gelassen. Ich habe großen Respekt vor diesen wichtigen Entscheidungen, die die Politik treffen muss. Es sind auch nicht die Entscheidungen, die uns belasten. Es ist die Wankelmütigkeit
Politik, die uns mittlerweile hat mürbe werden lassen.
Als Riesenproblem empfinde ich, dass die Frage des Impfens zu einer Spaltung der Bevölkerung führt, sodass eine Kommunikation oftmals nicht mehr möglich ist. Leider fordert gerade eine Gruppe von Leuten Solidarität von den anderen, die selbst nicht bereit ist, sich solidarisch zu verhalten.
Ich habe viele Jahre erleben dürfen, wo wir uns gegenseitig unterstützt haben. Die Pandemie hat leider immer mehr Unsolidarische, Kontrolleure und Denunzianten zu Tage gebracht.
Die größte Herausforderung war tatsächlich die Zeit des Homeschoolings. Sechs Kinder, eines im Abschlussjahrgang, eines im Übertritt zur weiterführenden Schule und eines in der ersten Klasse. Zwar haben wir von der Schule Laptops zur Verfügung gestellt bekommen, aber jeder brauchte seinen eigenen Raum, um in Ruhe zu arbeiten. Die Jüngste konnte nicht selbständig arbeiten und musste die meiste Zeit beaufsichtigt werden. Da wir Eltern arbeiten mussten, ich bin als Verkäuferin im Einzelhandel tätig, hat die Oma viel ausgeholfen.
Wir mussten die Betreuung und Organisation der schulischen Seite immer wieder neu überdenken. In der Zeit des Wechselunterrichts hatten nie alle Kinder gleichzeitig Schule. Mein Mann arbeitet im Drei-Schicht-Modell im rollierenden System. Das hat die Sache erschwert und wir mussten jeden Tag anders organisieren. Ich habe das Glück, eine verständnisvolle Chefin und Arbeitskollegen zu haben. Dadurch konnte ich kurzfristig tauschen oder in einer anderen Schicht arbeiten.
Zwei Wochen war die komplette Familie in Quarantäne. Die Jüngste war über die Schule Kontaktperson. Ich konnte zum Glück vorher noch einen Großeinkauf machen und mein großer Sohn, der bereits ausgezogen ist, hat uns mit allem anderen, was wir benötigten, versorgt.
Für uns hat die Pandemie nicht allzu viel verändert. Aber manche Dinge weiß man sicher mehr zu schätzen, vor allem der Zusammenhalt im Notfall. Wir hatten das Glück beruflich und finanziell gut aufgestellt zu sein.
Wir wissen noch ganz genau, wie wir in einer Teamsitzung vor zwei Jahren über den ersten Corona-Fall in Deutschland gesprochen haben. Und keine drei Monate später erfahren wir mitten am Tag, dass die Kitas ab dem nächsten Montag geschlossen sind. Zwischen Schock und Angst vor dem, was auf uns zukommt, kam die Ratlosigkeit: Was passiert und wie geht es weiter?
Nach vielem Auf und Ab haben wir in zwei Jahren Corona gelernt, dass unsere pädagogische Arbeit in der Kita noch immer nicht wirklich wertgeschätzt wird. Unzählige organisatorische und bürokratische Arbeiten kamen hinzu und es blieb kaum Zeit zum Durchschnaufen.
Die Kinder haben in den Zeiten, in der die Kita geschlossen war, die sozialen Kontakte und die Tagesstruktur vermisst. Nachdem wieder geöffnet werden durfte, war es für manche Kinder fast ein Neubeginn im Kindergarten und in der Krippe, was uns als Mitarbeiterinnen erneut viel abverlangt hat. Eine gewisse Zeit lang schafft man vieles. Aber die psychische Belastung wächst, auch weil man nicht weiß, wie lange es noch dauert.
Dennoch durften wir auch positive Entwicklungen erfahren. Dazu zählt, dass wir im digitalen Zeitalter angekommen sind. Zum Beispiel wurden die Kita-Info-App und Online-Konferenzen eingeführt.
Wir sind Pädagogen aus Leidenschaft und für uns stehen unsere Kinder im Vordergrund. Aufgrund dessen hoffen wir auf ein baldiges Ende dieses Hin und Her der Regelungen, um wieder Normalität für die Kinder, die Eltern und uns zu erlangen.
Als 2020 die ersten Infektionsfälle in Bayern auftraten, befand ich mich im Endspurt meiner dreijährigen Ausbildung zum Notfallsanitäter. Keiner von uns ahnte, was uns die nächsten zwei Jahre bevorstehen würde.
Der Umgang mit Infektionserkrankungen gehört im Rettungsdienst zum Alltag und ist Teil der Grundausbildung. Der Ernst der Lage wurde mir das erste Mal richtig bewusst, als eine große Palette mit Schutzausrüstung geliefert wurde. Bereits auf der Einsatzfahrt legten wir Faceshield, Maske, Overall und doppelt Handschuhe an, um möglichst wenig Zeit zu verlieren – eine größere körperliche Belastung. An jeder Wohnungstür fragten wir nach Symptomen und Kontakt zu infizierten Personen, bevor wir eintraten. Oft war es schwierig, ein freies Intensivbett zu finden, egal ob es sich bei der Erkrankung um einen schweren Covid-19-Verlauf oder einen frischen Herzinfarkt handelte. Einen komischen Kontrast boten Demonstrationen im Vergleich zu dem nach Luft ringenden Patienten, der seine Ehefrau vielleicht zum letzten Mal sieht. Ich erlebte teils Anfeindungen seitens der Patienten oder Angehörigen auf die Bitte, eine Maske zu tragen.
Meistens haben uns die FFP2Masken glücklicherweise vor einer Infektion bewahrt. Trotzdem begleitete mich auch immer die Angst vor einer Ansteckung und die Sorge um die Familie zu Hause, eine psychische Belastung.
Das Rettungsfachpersonal wird in der öffentlichen Wahrnehmung oft vergessen, dabei sind wir einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Ein Personalausfall würde einen großen Schaden für unsere Einsatzbereitschaft bedeuten. Doch der Zusammenhalt im Team war unerschütterlich. Der überwiegende Teil der Bevölkerung war verständnisvoll und hat selbst in der größten Not mitgeholfen, auch uns zu schützen.
Ich bin Krisen-Surferin. Seit der Pandemie mehr denn je. Als Schauspielerin lebt man ja meist sowieso im Krisenmodus. Wann kommt der nächste Job? Kann ich die Miete in zwei Monaten noch bezahlen? Passe ich noch in diese schnelle Welt? Ich habe gelernt, mich bei jeder Krise zu fragen: „Worum geht es JETZT bei mir ganz persönlich?“
Als die Theater schließen mussten und ich auch kaum Aufträge als Sprecherin hatte, habe ich statt zu jammern die Zeit zum Ausmisten genutzt (innen wie außen). WIE will ich ab jetzt NICHT mehr arbeiten? Was darf sich endgültig verabschieden? Was will ich in Zukunft MEHR tun? Oder NEU tun? WER will ICH in Zukunft sein?
Herausgekommen ist viel Fortbildung im Bereich Schauspiel und Sprache, Aktualisierung all meiner Daten und Homepages, Investition (ja, gerade in der Krise) in mich selbst und in eine autarke Sprecherkabine samt professionellem Equipment. Dafür habe ich alles Geld zusammengekratzt und sogar mein Auto verkauft, ohne zu wissen, wie lange der kulturelle Lockdown anhalten würde.
Vertrauen ins Leben und meine Intuition waren bei allen Entscheidungen immer die Basis. Heute bin ich glücklicher denn je, weil ich erst ganz nach Innen gegangen bin, um dann mit viel Kraft neu durchzustarten. Mit meinem Voice-PirateStudio bin ich jetzt völlig unabhängig und kann mich mit Kunden und Tonstudios in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbinden und alles aufnehmen, was Worte hat. Und das Theater wartet auch schon wieder ab März auf mich.