Widerwillige Verbannung der russischen Athleten
Paralympisches Komitee vollzieht einmalige Rolle rückwärts und schließt die Sportler von den Spielen in Peking aus
(SID) - Der Druck wurde zu groß – nach zahlreichen Boykott-Drohungen ist auch das Internationale Paralympische Komitee (IPC) eingeknickt: Die russischen und belarussischen Athleten dürfen nicht bei den Paralympics in Peking starten. Keine 20 Stunden nach der mehr als umstrittenen Zulassung machte das IPC eine in dieser Tragweite wohl einzigartige Rolle rückwärts, allerdings ohne dabei eine eigene Fehlentscheidung einzuräumen – es sei schlicht keine andere Wahl geblieben.
„Es war eine hohe Anzahl von Athleten, NPCs und Teams, die angekündigt haben, nicht gegen Russland anzutreten“, sagte IPC-Präsident Andrew Parsons. Dadurch sei die Durchführung der Spiele „gefährdet“und eine Kehrtwende unabdingbar gewesen. „Es ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle“, sagte Friedhelm Julius Beucher: „Am Mittwoch sind wir uns vor Trauer um den Hals gefallen, heute vor Freude.“Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes
(DBS) sieht in dem neuen Beschluss „ein starkes Zeichen für Demokratie innerhalb der paralympischen Bewegung. Das Zusammenstehen sehr vieler Nationen hat für das dringend erforderliche Umdenken gesorgt.“
Er verspüre zwar „keine Genugtuung“, sagte Chef de Mission Karl Quade, „doch für die Paralympics und die besondere Lage hier vor Ort ist es die einzig richtige Entscheidung, um die Spiele gesichtswahrend durchzuführen“. In der Mannschaftsleitung des deutschen Teams sei ein Boykott „kein Thema“gewesen, so Quade weiter, sehr wohl habe es ein gemeinsames Positionspapier mit den Österreichern gegeben.
Als nahezu einziger großer Sportverband wollte das IPC gemäß Beschluss vom Mittwoch die Russen und Belarussen trotz des Angriffskriegs ihrer Heimatländer gegen die Ukraine als neutrale Athleten unter paralympischer Flagge weiter antreten lassen – es folgte ein Sturm der
Entrüstung von vielen Seiten.
„Ich denke nicht, dass wir die Situation unterschätzt haben“, sagte Parsons. Es sei darum gegangen, „die Prinzipien und Werte dieser Organisation zu wahren und Krieg aus diesen Spielen rauszuhalten“. Doch die nun eskalierende Situation habe das IPC „in eine einzigartige und unmögliche Lage gebracht“.
Das Russische Paralympische Komitee kündigte bereits einen Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS an.
Die Formel 1 wird künftig nicht mehr in Russland fahren. In der vergangenen Woche hatte die Königsklasse des Motorsports als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine zunächst nur den Grand Prix von Russland in Sotschi in diesem Jahr gestrichen. Die Formel 1 erklärte nun, dass sie den Vertrag mit dem Veranstalter des Großen Preises von Russland gekündigt habe. Damit werde „Russland in Zukunft kein Rennen mehr haben“. (dpa)