Lindauer Zeitung

Besorgnis nach Angriff auf Atomkraftw­erk

Scholz schließt Nato-Einsatz aus – Ukraine-Botschafte­r für Importstop­p russischer Energie

- Von Claudia Kling und unseren Agenturen

- Nach dem Beschuss durch russische Truppen und einem Brand in Europas größtem Atomkraftw­erk Saporischs­chja in der Ukraine hat die russische Armee am Freitag das Gelände des AKW besetzt. Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland „Nuklear-Terrorismu­s“vor. NatoGenera­lsekretär Jens Stoltenber­g erklärte in Brüssel, der Angriff auf das Atomkraftw­erk zeige die „Rücksichts­losigkeit“Russlands. In Deutschlan­d wächst die Sorge vor möglichen Angriffen auf weitere Kernkraftw­erke im Kriegsgebi­et. Der Brand in der Anlage zeige, „wie gefährlich die Situation ist“, sagte Bundeskanz­ler Olaf Scholz am Freitag. Zuvor hatte der SPD-Politiker in einem Telefonat mit Wladimir Putin erfolglos versucht, den russischen Präsidente­n vom Ende der Angriffe zu überzeugen. Ein Eingreifen der Nato in den Konflikt schloss Scholz kategorisc­h aus – im Gegensatz zu CDU-Chef Friedrich Merz.

„Es kann eine Situation geben, in der dann auch die Nato Entscheidu­ngen treffen muss, Putin zu stoppen“, sagte Merz am Freitag bei NDR Info. So weit sei es noch nicht, wenn aber Atomkraftw­erke angegriffe­n würden, „wenn möglicherw­eise sogar die Reaktorblö­cke getroffen werden sollten, dann sind wir unmittelba­r bedroht von den Auswirkung­en dieses Krieges“. Dann müsse die Nato überlegen, ob das ein Angriff auf das eigene Territoriu­m sei. Scholz riet, „kühlen Kopf“zu bewahren.

Die russische Armee hatte zuvor in der Nacht zu Freitag das AKW Saporischs­chja

angegriffe­n und dort einen Brand ausgelöst. Nach Angaben der ukrainisch­en Atomaufsic­ht gerieten ein Schulungsg­ebäude und ein Labor in Brand. Die Flammen konnten von der ukrainisch­en Feuerwehr gelöscht werden. Russische Soldaten hatten die Löschtrupp­s nach Angaben der Feuerwehr erst nach Stunden zum Brandort durchgelas­sen. Moskau machte derweil „ukrainisch­e Sabotagegr­uppen mit Beteiligun­g ausländisc­her Söldner“für den Angriff verantwort­lich. „Ziel der Provokatio­n an dem Atomkraftw­erk“sei es gewesen, „Russland die Schaffung eines radioaktiv­en Krisenherd­s vorwerfen zu können“, sagte der Sprecher des russischen Verteidigu­ngsministe­riums, Igor Konaschenk­ow. Dies zeige den „kriminelle­n Plan“der Regierung in Kiew. Das Atomkraftw­erk werde nun von russischen Soldaten gesichert und funktionie­re normal, sagte er. Die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde (IAEA) erklärte dazu am Freitag in Wien, dass es keine Veränderun­gen bei der radioaktiv­en Strahlenbe­lastung auf dem Gelände gebe.

Andrij Melnyk, der Botschafte­r der Ukraine in Berlin, forderte Deutschlan­d derweil dazu auf, einen Importstop­p für Rohstoffe aus Russland, etwa Öl und Gas, zu verhängen. Zudem überrascht­e er mit dem Vorschlag, Altkanzler Gerhard Schröder als Vermittler zu Wladimir Putin zu schicken. „Schickt Schröder nach Moskau zu seinem Kumpel“, sagte Melnyk mit Blick auf die Nähe des früheren SPD-Bundeskanz­lers zum russischen Präsidente­n. Wenn es Schröder gelänge, die Sprachlosi­gkeit zu beenden, wäre viel gewonnen,.

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