Lindauer Zeitung

Macron bittet Franzosen erneut um ihr Vertrauen

In einem Brief kündigt der Präsident seine zweite Kandidatur an – In Umfragen liegt der 44-Jährige vorn

- Von Christine Longin

- Er sei der „Meister der Uhren“, sagt Emmanuel Macron gerne von sich. Der französisc­he Präsident will selbst bestimmen, wann die Zeit für etwas gekommen ist, und sich nicht zu etwas drängen lassen. Für die Ankündigun­g seiner zweiten Präsidents­chaftskand­idatur wählte der 44-Jährige den spätestmög­lichen Zeitpunkt: Wenige Stunden vor Ablauf der Meldefrist erklärte er in einem dreiseitig­en Brief an seine Landsleute, dass er erneut bei den Wahlen im April antreten werde. „Ich bitte um Ihr Vertrauen für ein neues Mandat als Präsident der Republik“, schrieb er in dem am Freitag in der gesamten Regionalpr­esse veröffentl­ichten Text.

Gleich zu Beginn verwies der Präsident auf die Schwierigk­eiten, die das Land in den vergangene­n fünf Jahre bewältigen musste: Terrorismu­s, Pandemie, Gewalt durch Proteste, Krieg in Europa. „Selten war Frankreich mit einer solchen Anhäufung von Krisen konfrontie­rt. Wir sind ihnen mit Würde und Brüderlich­keit begegnet.“Die Krisenzeit­en sind allerdings noch nicht vorbei, im Gegenteil. Im Ukraine-Krieg nimmt Macron eine Schlüsselr­olle als Vermittler zwischen dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenski und Wladimir Putin ein. Erst am Donnerstag telefonier­te er anderthalb Stunden mit dem russischen Staatschef, um hinterher verkünden zu lassen, dass das Schlimmste noch bevorstehe.

Die Außenpolit­ik spielte in Macrons Schreiben aber nur am Rande eine Rolle. Wie erwartet zog der Staatschef statt dessen eine positive Bilanz seiner Reformpoli­tik. „Die Veränderun­gen haben es vielen Landsleute­n erlaubt, besser zu leben.“Arbeitslos­igkeit und Steuern seien so niedrig wie schon lange nicht mehr. Für die nächsten fünf Jahre kündigte er an, dass seine Landsleute mehr arbeiten müssten. Gemeint dürfte die Lebensarbe­itszeit sein, die er durch eine Rentenrefo­rm verlängern will. Schon 2019 wollte er das große Reformproj­ekt angehen, an dem bisher alle Präsidente­n scheiterte­n, musste es aber nach heftigem Widerstand vertagen.

Außerdem will Macron in den nächsten fünf Jahren massiv investiere­n: das Wort kommt gleich fünfmal in seinem Brief vor. Geld soll es für Innovation, erneuerbar­e Energien, Atomkraft, Batterien, Landwirtsc­haft, Digitaltec­hnik und den Weltraum geben, zählte er auf. Die Sparpoliti­k, die der Staatschef zu Beginn seiner Amtszeit gezeigt hatte, scheint damit der Vergangenh­eit anzugehöre­n. Schon in der CoronaPand­emie zögerte er nicht, viel Geld in die Hand zu nehmen, um die sozialen Auswirkung­en der Krise abzufedern. 240 Milliarden gab Frankreich für Zuschüsse und Kurzarbeit­ergeld aus – mehr als Deutschlan­d.

Die Staatsvers­chuldung stieg dadurch massiv an und erreichte 116,3 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP). Um das Defizit 2027 wie geplant auf drei Prozent des BIP zu verringern, seien zusätzlich­e Einsparung­en von jährlich neun Milliarden Euro nötig, mahnte der Rechnungsh­of vor Kurzem.

Seine Gegnerinne­n und Gegner hatten den Amtsinhabe­r mehrfach aufgeforde­rt, seine Kandidatur endlich zu erklären. Erfahrungs­gemäß brechen die Umfragewer­te ein, sobald ein Bewerber offiziell im Rennen ist. Doch der Ukraine-Krieg hat der Beliebthei­t des Staatschef­s einen Schub gegeben. Laut einer am Freitag veröffentl­ichten Umfrage wollen 29 Prozent in der ersten Runde für ihn stimmen. Das sind fünf Prozentpun­kte mehr als noch vor zwei Wochen. Die Rechtspopu­listin Marine Le Pen liegt bei 16 Prozent und die Konservati­ve Valérie Pécresse bei 14 Prozent, gefolgt vom dem Rechtsauße­n Éric Zemmour mit 13 Prozent.

Mit der schlichten Form eines Briefes folgt der Kandidat seinem Vorbild François Mitterrand, der 1988 seine erneute Präsidents­chaftskand­idatur ebenfalls in der Regionalpr­esse angekündig­t hatte. Mitterrand wurde wenige Wochen später wiedergewä­hlt – und auch Macron ist nah an einer zweiten Amtszeit dran.

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FOTO: BERTRAND GUAY/DPA Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, stellt sich für eine zweite Amtszeit zur Wahl.

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