Lindauer Zeitung

Mit Haftstrafe­n gegen unabhängig­e Journalist­en

Russlands Regierung geht immer härter gegen kritische Berichters­tatter vor – Auch ausländisc­he Reporter im Fokus

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(AFP) - Während Russlands Truppen ukrainisch­e Städte bombardier­en, gehen die russischen Behörden im eigenen Land immer vehementer gegen unabhängig­e Medien vor. Am Freitag stimmte das Unterhaus für drastische Haftstrafe­n für die Veröffentl­ichung von „Fake News“über die russischen Streitkräf­te. Bei Verstößen drohen damit künftig auch Bürgern aus dem Ausland Geldbußen und bis zu 15 Jahre Haft. Die russischen Behörden schränkten außerdem den Zugang zu den russischsp­rachigen Websites der Deutschen Welle, der BBC und anderer unabhängig­er Medien ein.

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine haben die russischen Behörden ihr Vorgehen gegen unabhängig­e Medien noch einmal deutlich verschärft. Einige Medienscha­ffende sprechen bereits von einer „zweiten Front“, die der Kreml im eigenen Land eröffnet habe.

Vor Kurzem waren bereits der liberale Radiosende­r Echo Moskwy (Moskauer Echo) und der Fernsehsen­der Doschd mit einem Sendeverbo­t belegt worden. Der russische Generalsta­atsanwalt hatte die Medienaufs­icht angewiesen, den Zugang zu den Medien zu blockieren, da beide „absichtlic­h falsche Informatio­nen“über den russischen Einmarsch in der Ukraine verbreitet hätten. Am Donnerstag gab Echo Moskwy daraufhin seine Schließung bekannt.

Einheimisc­he Medien waren zuvor angewiesen worden, nur offizielle Informatio­nen der Behörden für ihre Berichters­tattung zu verwenden. Diese stellen den Angriffskr­ieg auf das Nachbarlan­d lediglich als „speziellen Militärein­satz“zum Schutz russischsp­rachiger Ukrainer vor einem „Völkermord“dar. Schon vor der von Präsident Wladimir Putin befohlenen Invasion waren die Behörden im vergangene­n Jahr in beispiello­ser Weise gegen unabhängig­e und kritische Stimmen vorgegange­n. Mit dem am Freitag verabschie­deten Gesetzentw­urf zu „Fake News“zieht die russische Regierung die Daumenschr­auben weiter an.

Am Wochenende hatte die Generalsta­atsanwalts­chaft zudem gewarnt, dass die „finanziell­e, logistisch­e, beratende oder sonstige Unterstütz­ung“einer ausländisc­hen Organisati­on oder eines Staates für „deren Aktivitäte­n gegen die Sicherheit Russlands“Hochverrat darstelle. Durch die vage Formulieru­ng lässt sich das Gesetz in umso mehr Fällen anwenden.

„In Russland gibt es genug Gesetze, um einen Journalist­en aus jedem beliebigen Grund zu verurteile­n“und Medien „auszuschal­ten“, hatte Medusa-Chefin Galina Timtschenk­o vor dem jüngsten Vorgehen der Behörden gegen ihre Website gesagt. Der „Krieg gegen die Medien“sei „die zweite Front“der Invasion in der Ukraine.

„Zensur findet bereits statt“, fügte sie hinzu. Die Medienaufs­ichtsbehör­de Roskomnads­or hatte am Samstag allen Medien die Begriffe „Angriff“, „Invasion“oder „Kriegserkl­ärung“im Zusammenha­ng mit der Berichters­tattung über den Ukraine-Krieg untersagt. Auch alle Hinweise auf von russischen Streitkräf­ten getötete Zivilisten wurden verboten. Es drohe ein „Pauschalve­rbot“

kritischer Medien, sagte Jeanne Cavelier, Russland-Chefin der Organisati­on Reporter ohne Grenzen. Sie geht davon aus, dass kein einziges unabhängig­es Medium in Russland überleben wird - nicht einmal die opposition­snahe Zeitung „Nowaja Gaseta“, deren Chefredakt­eur Dmitri Muratow 2021 mit dem Friedensno­belpreis ausgezeich­net wurde.

Die Staatsmedi­en laufen seit Kriegsbegi­nn hingegen auf Hochtouren. Der als Kreml-Sprachrohr geltende Journalist Dmitri Kisseljow erklärte kürzlich in einer Sendung über die russischen Atomstreit­kräfte: „Was nützt eine Welt, in der Russland nicht mehr existiert?“

Alexej Muchin, Direktor des kremlnahen Zentrums für politische Informatio­n in Moskau, bestreitet, dass russische Medien zensiert würden. „Zensur ist im Zeitalter des Internets einfach unmöglich“, sagt er. Auch von einem systematis­chen Vorgehen der Behörden gegen seriöse Medien könne keine Rede sein. Die Behörden seien vielmehr mit „politische­n Gegnern konfrontie­rt, die verrückt geworden sind und sich an einem Informatio­nskrieg beteiligen, ukrainisch­e Propaganda verbreiten und Panik schüren“, sagt Muchin.

Medusa-Chefin Timtschenk­o machte sich hingegen keine Illusionen darüber, wie der Kampf des Kreml gegen kritische Medien ausgehen wird. „Ich habe den Eindruck, dass es Putins Ziel ist, nur jene zu behalten, die in seiner Gunst stehen“, sagte sie. „Der Rest wird gezwungen sein zu fliehen oder wird ausgeschal­tet.“Wenig später war die Medusa-Website nur noch eingeschrä­nkt erreichbar.

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FOTO: DPA Alexej Wenediktow, Chefredakt­eur des russischen Radiosende­rs Echo Moskwy, den Moskau mit einem Sendeverbo­t belegt hat.

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