Wo die wilden Lichter wohnen
Finnlands Norden bietet winterliche Aktivitäten wie Schlittenfahrten und Eisschwimmen – Polarlichter gelten als größte Attraktion
Einmal die Nordlichter zu sehen, ist wohl der Lebenstraum vieler Menschen. Die Chancen stehen im winterlichen Nordfinnland besonders gut. So wird man spätestens nach der Rückkehr immer wieder eine Frage hören: „Hast du sie gesehen?“
Einer, der genau weiß, wo man sie gut aufspüren kann, ist Thomas Kast. Der 45-jährige Karlsruher ist nach einem Praxissemester in Oulu in der Region Nordösterbotten vor 22 Jahren in Finnland geblieben und hat sich nach fast zwei Jahrzehnten als Ingenieur 2017 einen Traum erfüllt. Seither ist er als Fotograf unterwegs. Sein Hauptmotiv: die Nordlichter. Mit Objektiv und Stativ begibt er sich auch mit Touristen auf die Jagd nach den Lichtspielen am Himmel. An diesem Abend allerdings bleibt es bei interessanter Theorie. Weil es draußen vorm Hotel, in der winterlichen Einsamkeit rund 140 Kilometer von Oulu entfernt, heftig schneit und es um die Chancen auf Nordlichter schlecht steht, erläutert Kast, wie sie entstehen.
„Bei Eruptionen an der Sonnenoberfläche werden geladene Teilchen ins All geschleudert, die vom Schutzschild der Erde abgewehrt und in Richtung der Pole gelenkt werden.“Sobald die Teilchen in die obere Erdatmosphäre eindringen, regen sie Luftmoleküle zum Leuchten an. „Fertig ist die schönste Lichtershow der Welt“, sagt Kast. Je näher man sich am magnetischen Nordpol befinde, desto eindrucksvoller zeigten sie sich, sagt Kast: „Langfristig vorhersagen kann man sie allerdings nicht.“Eine Hilfestellung sind teils kostenlos angebotene NordlichtApps, die aus Sonnenaktivität, Bewölkung und anderen Faktoren
Wahrscheinlichkeiten berechnen.
Gänzlich erforscht sei das Polarlicht nicht, meint Kast. Dafür aber haben die Finnen eine viel leichtere Begründung für das Auftreten von Aurora Borealis, wie das Nordlicht heißt: Es sei der Polarfuchs, der mit seinem Schwanz über den Schnee fegt und dabei Funken schlägt, die bis in den Himmel fliegen. „Revontulet“wird dieses Fuchsfeuer im Land genannt. Doch programmieren lässt sich auch das nicht.
Kein Problem, denn es gibt im finnischen Winter genügend anderes zu tun. Alpinski und Snowboard fahren gehören selten dazu, doch vielerorts kann man sich auf Schlitten von Huskys durch den Schnee ziehen lassen. Zum gängigen Angebot gehören Schneeschuhwandern, Eisklettern, Eisschwimmen oder Schlittschuhlaufen. Typisch sind auch Schneemobile, die jenseits der Straßen vielen Finnen im Winter als selbstverständliches Fortbewegungsmittel dienen: Vom Hotel in Iso-Syöte sind wir unterwegs zum Lager einer Rentierzüchterfamilie. Damit die Teilnehmer der Tour unterwegs nicht steifgefroren vom Mobil kippen, wurden sie im Hotel mit isolierenden Kälte-Overalls und warmen Winterschuhen versorgt – wie bei allen touristischen Aktivitäten im hohen Norden üblich.
In Lappland und Nordösterbotten, den nördlichsten Landschaften Finnlands, kann es bitterkalt werden. Bei minus 15 Grad winken Einheimische nur müde ab. „Das ist noch nichts. Bei minus 35 wird es interessant“, sagt der Guide. So hart im Nehmen sind aber nicht alle Besucher, und so geht es nach der Ankunft im Lager direkt an eine riesige Feuerstelle in einer Blockhütte. Vorne knusprig, hinten kalt – so fühlt sich das an. Bei einer Tasse warmem Tee gibt Rentierzüchter Esa Ukonmaanaho eine Kurzeinführung ins Thema. Rentiere sind in Lappland überall. In den Wäldern, auf Weiden. „Mehr Rentiere als Menschen gibt es in Lappland“, sagt Esa. Auf 200 000 Huftiere kommen rund 185 000 Menschen. Ohne Zaun und ohne Gatter streifen sie durch die einsame Landschaft. Einen Besitzer haben sie dennoch. Wem sie gehören, erkennt man an der Markierung im Ohr.
„Zweimal im Jahr werden sie zusammengetrieben. Im Sommer, um die Kälber zu markieren, solange sie noch bei der Mutter sind und man die Zugehörigkeit klar erkennen kann, und im Herbst, um die Schlachttiere auszusortieren“, erklärt Esa. Bis zu 500 Tiere darf ein Rentierzüchter besitzen. Die Frage, wie viele es genau sind, ist allerdings ungebührlich. Fast so, als erkundige man sich in Deutschland nach dem Kontostand eines Bekannten. Auf den Teller kommen die Huftiere als hauchzartes Filet, als Geschnetzeltes, in Form eines Burgers – immer ohne strengen Wildgeschmack. Muss man als Rentierfleischesser ein schlechtes Gewissen haben? Es dürfte immerhin kaum ein Schlachttier geben, das artgerechter aufwächst.
Die Jagd nach den Nordlichtern wird weiter nördlich am Polarkreis fortgesetzt, in der Nähe von Rovaniemi, Lapplands Hauptstadt, die eine besondere Beziehung zum Rentier pflegt. Nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg entwarf der finnische Architekt Alvar Aalto den Grundriss der Stadt neu – in Form eines Rentierkopfes mit dem Sportstadion Keskuskenttä als Auge. Straßen, die nach Norden, Westen und Süden führen, bilden das Geweih.
Gerade mal vier Stunden am Tag ist es zwischen Dezember und Januar hell, dort am Polarkreis. Genug
Dunkelheit gäbe es also, um Aurora Borealis zu erleben. Doch der Himmel bleibt bedeckt – wird das den Rest der Reise so bleiben? Weitgehend unabhängig vom Wetter sind Hundeschlittenfahrten möglich. Angst vor den Tieren sollte man aber nicht haben. Vor lauter Bewegungsdrang springen sie laut bellend durcheinander, bevor es losgeht. Eine Person sitzt auf dem Schlitten, die andere steht hinten auf den Kufen. Als Anfänger hat man kaum Möglichkeiten, die Tiere zu dirigieren. Einzig der stehende Passagier, Musher genannt, kann sie durch einen beherzten Tritt auf die Bremse stoppen.
Eine kleine Pirouette und eine falsche Abbiegung später fängt die Sache an, Spaß zu machen. Nur pupsen die Hunde unentwegt, der Fahrtwind trägt die Flatulenzen präsent nach hinten. Zum Glück gibt es ansonsten genügend frische Luft. Die letzte Nacht ist sternenklar, es sind minus 30 Grad. Jetzt muss es doch klappen mit den Lichtern. Die App signalisiert: „100 Prozent Wahrscheinlichkeit“. Während des Spaziergangs am Waldrand herrscht absolute Stille – der Sound des nächtlichen, kälteklirrenden Lapplands. Kein Tier verschwendet bei den Temperaturen seine Energie für unnötige Bewegungen, sinnloses Geflatter oder gar Geräusche. Nur der Schnee knirscht bei jedem Schritt, beim Blinzeln melden die weiß-gefrorenen Wimpern einen leichten Widerstand. Langsam kriecht die Kälte bis ins Mark. Zeit, ins Hotel zurückzukehren?
Doch dann passiert es: Das Happy End flackert über den Nachthimmel. Grün-grau ist es, das Nordlicht, das sich am Horizont abzeichnet und von dort aus langsam ausbreitet. Irgendwie unbeschreiblich. Die große Frage, die zu Hause wartet, ist beantwortet: Ja, ich habe sie gesehen.
An- und Einreise: Mit Finnair kann man von mehreren deutschen Flughäfen aus via Helsinki nach Oulu oder Rovaniemi fliegen. Einreisen dürfen nach Angaben des Auswärtigen Amtes derzeit vollständig Geimpfte und Genesene. Zusätzlich muss ein negatives Testergebnis vorgelegt werden, das nicht älter als 48 Stunden sein darf. Es werden PCR- und Antigentests akzeptiert.
Unterkunft: Bei Rovaniemi gibt es auch verschiedene Naturhotels, die Übernachtungen in frei stehenden Glas-Iglus, in Eishütten oder nestähnlichen Hütten zwischen Bäumen im Wald ermöglichen. Allgemeine Informationen:
Visit Finland, Tel.: +358 29 46951, www.visitfinland.com.
Begehrte Delikatesse: Eric Rotrou führt Besucher durch die Austernbänke von Grandcamp-Maisy.
Die Jakobsmuschel wird mit einer Dredge gefischt, einer Art großer Rechen. Mit seinen Metallzähnen fegt er den Meeresboden durch und nimmt die Muscheln auf, die dann von dem dahinter befestigten Netz gefangen werden. Mehr als 60 000 Tonnen der Schalentiere sollen auf dem Grund des Ärmelkanals ruhen, schätzt Vicquelin. Seit Jahren schon wird der Fang streng kontrolliert. Wie Vicquelin erklärt, darf nur zwischen Anfang Oktober und Mitte Mai gefischt werden, um die Reproduktion und Erhaltung der Ressourcen zu garantieren. Und selbst während der Saison dürfe nur zwei Tage die Woche für eine Dreiviertelstunde täglich gefischt werden.
Die Jakobsmuscheln der SeineBucht gelten als die schönsten der Normandie. Für Dimitri Rogoff, Präsident in der Nähe von Omaha Beach und Utah Beach. Dort landeten im Zweiten Weltkrieg am 6. Juni 1944 die Westalliierten mit ihren Truppen an. Nur einen Kilometer vom Hafen entfernt liegen Austernbänke, so weit das Auge reicht. Auf 170 Hektar werden hier Isigny-Austern gezüchtet. Eine Zahl, die Eric Rotrou mit einem beliebten Vergleich greifbarer machen möchte: Das entspreche 340 Fußballplätzen.
Rotrou arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Führer für das Fremdenverkehrsbüro von Isigny-Omaha. „Als ich hier ankam, wusste ich noch nicht einmal, wie man eine Auster öffnet, die Austernzüchter haben mir alles beigebracht“, erzählt er bei einem Rundgang. Auf etwa 50 Zentimeter hohen Eisentischen wachsen die Austern in grobmaschigen Säcken. Diese Methode heißt Tischkultivierung. Sie sei nur an flachen Küsten mit einer ausreichend breiten Gezeitenzone möglich, erklärt Rotrou. Bei Flut seien die Austern im Wasser, bei Ebbe im Trockenen. Die am normannischen Küstenstrich vorherrschenden Tiden sind die stärksten in ganz Europa.
Traktoren fahren durch die langen Eisentischreihen hindurch. Männer drehen die Säcke um. „Die müssen regelmäßig gewendet und gerüttelt werden, damit sie nicht zusammenwachsen“, erklärt Rotrou. Und umgelagert werden. „Denn wenn die Austern größer werden, kommen sie in großmaschigere Netztaschen.“Eine arbeitsaufwendige Methode, die die Austern teuer machen. Aber auch besonders schmackhaft. In rund drei Jahren wachsen sie zu vollfleischigen Schlürfaustern heran – mit diesem weichen, nussigen Aroma, das Einheimische wie auswärtige Besucher so schätzen.
Allgemeine Informationen: www.isigny-omaha-tourisme.fr, wwww.bayeux-bessin-tourisme.com
Muschelsaison ist zwischen Oktober und Mitte Mai.